Neue Finanzierungsmöglichkeiten tun sich auf bei Genussscheinen, Inhaberschuldverschreibungen und Aktien. In Sachen Wettbewerbsfähigkeit bedeutet das für kleine mittelständische Unternehmen aus Deutschland eine erhebliche Stärkung innerhalb der EU. Dem Anlegerschutz wird künftig durch die Einführung eines dreiseitigen Wertpapier-Informationsblatts Rechnung getragen. Anfang April 2018 hatte die Bundesregierung einen entsprechenden Entwurf für ein „Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze“ vorgelegt. Mit der Anhebung der Prospektpflicht-Schwelle für öffentliche Angebote von Wertpapier-Beteiligungen auf 8 Mio. Euro werden die per EU-Prospektverordnung 2017 vorgesehenen Ausnahme-Optionen von der Prospektpflicht in größtmöglichem Umfang genutzt. Deutschland zieht damit regulatorisch mit anderen EU-Ländern gleich und wirkt einer Benachteiligung deutscher Unternehmen entgegen.
Aktueller Status quo des Gesetzgebungsverfahrens: Am 8. Juni 2018 hat der Bundesrat seine Stellungnahme beschlossen - mit einigen Kritikpunkten.
Gesetzgeberische Entwurfsvorgaben und Kritikpunkte des Bundesrats im Überblick:
Prospektfreiheits-Schwelle und Bemessungsgrundlage: Bei der Anhebung der Prospektfreiheits-Schwelle auf 8 Mio. Euro legt der Gesetzentwurf eine Bemessung vom „Gesamtgegenwert“ und nicht mehr vom „Verkaufspreis der angebotenen Wertpapiere“ zugrunde. Der Bundesrat hält dies für ein redaktionelles Versehen, da bislang der „Verkaufspreis“ - auch in der Praxis der Behörden, Emittenten und Anleger bewährte - Berechnungsgrundlage gewesen sei.
Neu: Das Wertpapierinformationsblatt
Voraussetzung eines prospektfreien Angebotes soll künftig die Veröffentlichung eines Wertpapierinformationsblattes sein. Dieses wurde als Informationsquelle für die Anlageentscheidung (Anlegerschutz) und angelehnt an das Vermögensanlagen-Informationsblatt nach Vorgaben des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) neu eingeführt.
Das Wertpapierinformationsblatt muss die wesentlichen Informationen über Wertpapiere, Anbieter, Emittenten und etwaige Garantiegeber in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise enthalten und Hinweise bezüglich. Risiken des Wertpapiers, Nichtvorliegen eines Prospekts sowie Umfang der BaFin-Prüfung des Wertpapierinformationsblatts - darf aber nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen.
Vor Veröffentlichung ist die Gestattung seitens der BaFin erforderlich. Sie prüft auf Vollständigkeit und auf Einhalten der Reihenfolge der erforderlichen Angaben, nicht aber auf inhaltliche Richtigkeit. Die BaFin hat dem Anbieter innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang mitzuteilen, ob sie die Veröffentlichung gestattet.
Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger bei Emissionsvolumen ab einer Million Euro
Um nicht qualifizierte Anleger, wie zum Beispiel Privatanleger zu schützen, will die Bundesregierung Wertpapieremissionen im Bereich von 1 Mio. Euro bis 8 Mio. Euro ohne Prospekt nur unter folgenden Voraussetzungen zulassen: Zum einen sollen Wertpapiere ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein KWG-zugelassenes Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden dürfen. Zum anderen sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Prospektbefreiung bei öffentlichen Angeboten ab 1.000.000 Euro an nicht qualifizierte Anleger nur greift, soweit bestimmte Einzelanlageschwellen beachtet werden. Nicht qualifizierte Anleger sollen maximal 1.000 Euro investieren können. Selbst bei höheren Einkommen oder großem Vermögen soll das Investitionsvolumen auf 10.000 Euro beschränkt werden.
Der Bundesrat sieht in der Einführung der Einzelanlageschwellen eine unnötige Verschärfung der EU-Prospektverordnung. Diese würden der Intention des europäischen Gesetzgebers zuwiderlaufen, das Kapitalmarktangebot für Privatanleger zu erweitern. Vielmehr würde die Entscheidungshoheit von Privatanlegern eingeschränkt und der Erwerb von bewährten Standardprodukten wie Inhaberschuldverschreibungen limitiert, deren Risiko für Privatanleger überschaubar und verständlich sei – insbesondere, wenn zuvor eine Beratung stattgefunden habe.
Erleichterungen für bereits am Markt zugelassene Kreditinstitute und Emittenten
Emittenten, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind und CRR-Kreditinstitute (Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren) müssen weiterhin keinen Prospekt und auch kein Wertpapier-Informationsblatt für öffentliche Wertpapierangebote veröffentlichen, wenn der Verkaufspreis weniger als 5 Mio. Euro beträgt.
Bundesrat moniert, dass für Banken und börsengelistete Emittenten ein anderer Schwellenwert als für übrige Emittenten gelten soll. Die unterschiedlichen Schwellenwerte seien ungerechtfertigt, da Unternehmen regelmäßig deutlich geringer reguliert seien als Banken und börsennotierte Emittenten. Daher fordert der Bundesrat einen Gleichlauf für prospektfreie Emissionen bis 8 Mio. Euro für alle Emittenten herzustellen.
Grenzüberschreitende Angebote – EU-Pass
Wenn Emittenten für grenzüberschreitende Angebote von dem Europäischen Pass profitieren wollen, müssen sie nach der EU-Prospektverordnung bereits ab 1 Mio. EUR einen Prospekt erstellen und billigen lassen, der dann in andere Mitgliedstaaten notifiziert werden kann.
Anpassungen in anderen Gesetzen
Im Vermögensanlagengesetz gibt es Anpassungen der Regelungen zum Vermögensanlagen-Informationsblatt, zu seiner Veröffentlichung und der Bußgeldtatbestände. Im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wird klargestellt, dass neben einem Wertpapier-Informationsblatt nicht zusätzlich ein Produktinformationsblatt erstellt werden muss.
Fazit: Bleibt abzuwarten, wie letztlich die gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich der Vorgaben für prospektfreie Wertpapierangebote an nicht qualifizierte Anleger (Emissionsvolumen ab 1 Mio. EUR) ausfallen wird. Insbesondere die Kritik des Bundesrates hinsichtlich der Schwellenwerte ist nachvollziehbar. Stellt sich doch auch die Frage, wie der Vertrieb den Aufwand der Überprüfung der Einhaltung der Schwellenwerte bewältigen soll.
Die Möglichkeit künftig mit einem Angebot von Wertpapierbeteiligungen an den Markt zu gehen, wenn vorab - statt eines umfangreichen und kostspieligen Prospektes - lediglich ein Wertpapierinformationsblatt veröffentlicht werden muss, wird voraussichtlich einige Anbieter, die bislang noch Vermögensanlagen nach dem VermAnlG vertrieben haben, dazu veranlassen, mit weniger Aufwand Wertpapiere anzubieten.
Sollten die Vorschläge des Bundesrates umgesetzt werden, könnten Wertpapierangebote - anders als Schwarmfinanzierungsangebote nach dem Vermögensanlagengesetz - auch ohne Beachtung der 10.000 Euro-Anlagegrenze vertrieben werden. Das würde die Kapitalaufnahme auch für Unternehmen im Erneuerbare-Energien-Bereich erleichtern.
Informationen zu den Autoren dieses Fachaufsatzes:
Dr. Matthias Gündel ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Gesellschafter der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei GK-law.de. Schwerpunkt seiner langjährigen Tätigkeit ist neben der Emissionsberatung, die umfassende rechtliche Beratung in Fragen der Konzeption von Fonds- und Beteiligungsmodellen sowie Fragen der Finanzdienstleistungsaufsicht.
Christina Gündel ist als Rechtsanwältin und PR-Referentin seit vielen Jahren im kapitalmarktrechtlichen Umfeld tätig. Sie betreut im Rahmen des Dienstleistungsspektrums der Kanzlei vorrangig aufsichts- und vertriebsrechtliche Mandate.