Wir hatten das schon mal: 2009 hat die Bundesregierung nach der Finanzkrise eine „Umweltprämie“ für den Kauf neuer Autos ausgelobt, um die Autoindustrie wieder in Fahrt zu bringen. Was hat es genutzt? Für die Umwelt wenig. Zwar wurden nach Analyse des ifeu damals überwiegend Kleinwagen angeschafft, bei denen der Zuschuss anteilig hoch und der Benzinverbrauch gering war. Aber dennoch bleiben die klimaschädlichen CO2-Emissionen der Pkw in Deutschland seit 20 Jahren gleich und heute weiß man: Angesichts des erst später bekannt gewordenen Abgasskandals und dem danach zunehmenden Unterschied zwischen Realverbrauch und Zykluswert wurden die möglichen Treibhausgas- und Stickoxid-Senkungen deutlich überschätzt.
Jetzt tritt die Autoindustrie wieder in Berlin an und hat im Vorfeld Kaufanreize aus Steuergeldern für ihre Autos gefordert. Sie argumentiert dabei auch mit Klima- und Umweltschutz. Der Name: Innovationsprämie.
Prämie würde Klimaschutz zurückwerfen
Darum haben wir analysiert: Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit eine Kaufprämie diesmal tatsächlich einen spürbaren und nachhaltigen Nutzen für das Klima hat?
Erstens. Reine Elektrofahrzeuge haben bereits heute einen deutlichen Klimavorteil von etwa 20 Prozent gegenüber Verbrennern, selbst wenn man die Herstellung- und Entsorgung der Fahrzeuge einrechnet. Dieser Vorteil wird in den nächsten Jahren deutlich ansteigen, wie wir kürzlich in der Studie „Klimabilanz von Elektroautos“ für die Agora Verkehrswende zeigen konnten. Bei neuen Verbrennungsfahrzeugen sind die realen CO2-Emissionen dagegen über die vergangenen zehn Jahre nach Analysen des ICCT nur minimal gesunken.
Darum darf eine Prämie aus Umweltgründen auf keinen Fall Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselantrieb fördern. Damit würde die Bundesregierung nicht nur minimale CO2-Senkungen unverhältnismäßig teuer einkaufen. Sie würde die angestrebte Einführung alternativer Antriebe aktiv ausbremsen. Die geförderten Verbrennungsfahrzeuge würden vor allem Altfahrzeuge ablösen, die ohne Prämie vielleicht in einigen Jahren durch Elektrofahrzeuge ersetzt würden. Stattdessen blieben die neuen Verbrenner 12 bis 14 weitere Jahre auf unseren Straßen und emittierten weiter CO2.
Nur E-Mobilität fördern
Wenn, dann sollte eine Prämie ausschließlich reines elektrisches Fahren fördern –bei Plug-in-Autos müsste sichergestellt sein, dass sie trotz der niedrigen Benzinpreise elektrisch unterwegs sind und nicht auf den eingebauten Verbrenner setzen.
Zweitens. Beim Kauf von Elektrofahrzeugen gibt es aus Sicht der Kunden etliche Hürden, die nichts mit dem Kaufpreis zu tun haben. Schließlich sind die Kosten (wenn man Anschaffung und Betrieb zusammenrechnet) für heutige Elektroautos laut Untersuchungen des ADAC in vielen Fällen schon auf demselben Niveau wie für Verbrenner. Das liegt auch an der schon existierenden Kaufprämie von bis zu 6.000 Euro.
Zu den Hürden zählt die lange Lieferzeit von oft einem halben Jahr, zu wenige Ladesäulen im öffentlichen Raum, rechtliche Hürden bei der Installation privater Ladeinfrastruktur in Mehrparteienhäusern und zu wenig Auswahl bei Modellen und Ausstattungsvarianten. Einige dieser Hemmnisse könnten sich durch einen Nachfrageschub infolge einer Corona-Kaufprämie noch verschärfen.
Steuergeld für bloße Mitnahme-Effekte?
Wer sich heute ein Elektroauto kauft, der tut das oftmals trotz des höheren Anschaffungspreises. Solchen Kunden bringt eine „Innovationsprämie“ de facto einen Nachlass beim Kaufpreis, der für sie aber ein bloßer Mitnahmeeffekt wäre. Eine Kaufprämie, die dem Klimaanspruch gerecht wird, müsste darauf ausgerichtet sein, die Verfügbarkeit und Attraktivität von Elektroautos schnell zu steigern und für diese Fahrzeuge auch die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Sie müsste also heute die Autos der Zukunft fördern. Bei einer weiteren schlichten Erhöhung der Kaufförderung könnte der Markt die nachgefragten Elektrofahrzeuge derzeit voraussichtlich gar nicht liefern.
Drittens. Eine Prämie heute für Autos der Zukunft auszuloben – das klingt wie die Quadratur des Kreises. Und: Wollte die Verkehrswende-Politik nicht eben noch weg vom Privatauto und hin zu Sharing- und öffentlichen Angeboten? Die Kaufprämie allein für Autos würde dafür sorgen, dass durch die Coronakrise der motorisierte Individualverkehr abermals gefördert und so insgesamt verbilligt würde.
Stattdessen: Verbrenner abwracken, Öffentliche finanzieren
Zwei Wege können aus diesem Dilemma helfen: Zum einen müsste eine Elektrofahrzeug-Prämie daran gebunden sein, ein Verbrennungsfahrzeug abzuwracken. So wird ein Anwachsen des Fahrzeugbestandes verhindert und wirklich insgesamt CO2 vermieden.
Zum anderen sollte die Förderung nicht einseitig auf Pkw fokussieren, sondern auch andere Verkehrsmittel und eine klimafreundliche Infrastruktur in den Blick nehmen, die auch den Güterverkehr miteinschließt. Denn genau dort gibt es gerade die größten Wachstumsraten.
Die Liste der notwendigen Maßnahmen für eine langfristig nachhaltige Verkehrspolitik ist lang: Die Elektrifizierung im Personen- UND Güterverkehr muss durch Ladeinfrastruktur und Oberleitungen ermöglicht werden. Auch der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und Ausbau von Bussen und Bahnen gehören dazu. Auch von solchen Investitionen können wichtige Impulse für Wachstum- und Beschäftigung ausgehen, während dabei verschiedene Branchen mitgenommen werden.
Eine Mobilitätsprämie 2020 muss also viel stärker am langfristigen Klimaeffekt ausgerichtet werden als die „Umweltprämie“ 2009. Daher sollte sie nicht allein vermeintlich saubere Fahrzeuge fördern und damit ein fragwürdiges (ökologisches) Strohfeuer entzünden, sondern langfristige Investitionen in die Infrastruktur initiieren und verstetigen, die es erlauben die Klimaziele für 2030 zu erreichen und den Weg zur Klimaneutralität stärken. Geförderte Verbrennungsfahrzeuge wären dabei zwar eine Hilfe für die Jahresbilanz einiger Autokonzerne. Sie würde aber auch dort nur überkommene Strukturen zementieren. Und die Bundesregierung würde mit Steuermilliarden gerade das vorantreiben, was sie mit der klimafreundlichen Verkehrswende bekämpft.
Autoren: Julius Jöhrens und Udo Lambrecht, Ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg