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Kommentar Bundesländer

90 Prozent Erneuerbare und Kampfstimmung

Rund 90 Prozent des Strombedarfs sollen nach Angaben von Agora Energiewende am vergangenen Wochenende in Deutschland von Solar- oder Windenergieanlagen gedeckt worden sein. Das ist aus zweierlei Gründen interessant: Erstens ist das wie ein Blick in die Zukunft – auf die langfristig geplante regenerative Vollversorgung. Als das Stromeinspeisegesetz im Jahr 1990 in Kraft trat, hatte wohl niemand geahnt, was wir bis heute erreichen können. Zweitens ist es ein Beweis dafür, dass bei so viel Wind und Sonne die Leitungen nicht zusammenbrechen müssen. Stattdessen wurden fossile Kraftwerke heruntergefahren – die bessere Alternative zum Export von Kohlestrom und zur Abregelung von Windparks. Was hier im zeitlich kleinen Rahmen eines Wochenendes verfolgt wurde, sollte der Weg der Zukunft sein.

Demos gegen EEG 2016

Das energiereiche Ereignis konnte allerdings nichts daran ändern, dass die Regenerativbranche zwei Tage später überall in Deutschland auf die Straße gehen musste, um für die Zukunft der Erneuerbaren zu kämpfen. Bei (vorübergehend) 90 Prozent Regenerativstrom fragt sich der eine oder andere: Wieso müssen die jetzt noch für ihre Interessen kämpfen? Ist das nicht inzwischen die Paranoia einer Branche, die immer kämpfen musste – und oftmals verloren hat? Diejenigen, die meinen, dass die Branche eigentlich keine Feinde mehr hat, dass es ihr gut geht und sie längst im Mainstream angekommen ist, dürfen sich einmal fragen: Wo würde die Regenerativbranche stehen, wenn sie nicht immer wieder gekämpft hätte? Sie wäre heute bei einem Anteil von vielleicht zwei oder drei Prozent erneuerbarem Strom.

Kampf um E-Mobilität

Die Energiewende ist kein Selbstläufer. Das zeigt das Beispiel Elektromobilität: Zähe Verhandlungen haben Finanzminister Schäuble gerade erst bewegt, einem geforderten Zuschuss in Höhe von 4.000 Euro zuzustimmen. In Norwegen, Schweden und Dänemark haben Steuerbefreiungen für E-Mobilität mehr als 100.000 Elektroautos auf die Straßen gebracht. Als den Regierungen in Skandinavien ging auf, dass ihnen dort jede Menge Steuereinnahmen verloren gehen, sträubte sich die norwegische Bevölkerung erfolgreich, das Privileg herzugeben. In Dänemark wurde die Befreiung mangels Widerstand beschnitten – worauf der Verkauf von E-Mobilen dort wieder einbrach.

Für die Regenerativbranche ist es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden. Und ein vorübergehender Regenerativstromanteil von 90 Prozent darf nicht darüber hinweg täuschen, dass Deutschland die Energiewende noch längst nicht gemeistert hat. Ein Ausbaudeckel, wie ihn die Regierung anstrebt, würgt Wind-, Solar- und Bioenergie ab.  Heute kommen die Bundesländer zum Gespräche auf der Sonderministerpräsidentenkonferenz in Berlin zusammen. Sie sollten berücksichtigen, dass die Regierung mit ihrem EEG-Entwurf die Zusagen für einen Mindestausbau der Windenergie an Land aus dem Jahr 2014 zurücknimmt. Zur Einhaltung des geplanten Ausbaupfades ist es mindestens erforderlich, dass jährlich netto 2.500 Megawatt Onshore-Wind hinzukommen. Die norddeutschen Ministerpräsidenten haben diese Forderung mit der Windbranche und den Tarifparteien im Wismarer Appell unterstrichen.

Kanzlerin Merkel muss derweil den Bremsern in ihrer Partei klar machen, dass die Beschlüsse zum Klimaschutz von Paris ebenso wie der Atomausstieg in Deutschland den ungebremsten Ausbau der Erneuerbaren verlangen. (Nicole Weinhold)