Nicole Weinhold
Kurt Sigl, Präsident Bundesverband E-Mobilität (BEM): "Batterieelektrische Fahrzeuge sind bereits heute von verschiedenen Herstellern in Großserie auf dem Markt verfügbar und zu erschwinglichen Preisen zu haben. Konstant sinkende Batteriekosten und Skaleneffekte bei der Herstellung lassen hier sukzessive die Preise fallen. Klein- und Mittelklassewagen mit Akkumulator kosten aktuell zwischen 18.000 (Renault ZOE) und 40.000 Euro (Ford Focus Electric). Das Model S von Tesla ist je nach Ausstattung ab 65.000 Euro erhältlich – rangiert aber auch im Luxussegment. Im Brennstoffzellenbereich gibt es erst ein einziges Fahrzeug, das überhaupt in Großserie gefertigt wird. Der Toyota Mirai kann seit 2015 für 78.500 Euro in Deutschland gekauft werden."
Werner Diwald, Vorsitzender Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV): "Oftmals wird unter Elektromobilität nur batterieelektrische Mobilität verstanden. Brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge sind jedoch ebenfalls elektrische Fahrzeuge, die jedoch im Gegensatz zu batterieelektrischen Fahrzeugen den benötigten Strom für den E-Motor mittels einer Brennstoffzelle an Bord erst zum Zeitpunkt des Bedarfs erzeugen. Brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge weisen gegenüber
den rein batterieelektrischen Fahrzeugen jedoch erhebliche Vorteile auf. Insbesondere wenn man seinen Blick nicht nur auf das Fahrzeug, sondern auf das Energiesystem 2050 richtet."
Schnelle Betankungszeit von drei Minuten
Werner Diwald: "Aus Sicht des Nutzers spricht für brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge die schnelle Betankungszeit von drei bis vier Minuten zur Aufnahme von 150 Kilowattstunden (kWh) beziehungsweise Energie für 500 bis 600 Kilometer. Das Laden eines batterieelektrischen Fahrzeugs mit einem Supercharger benötigt dafür mindestens 60 Minuten. Oftmals wird an dieser Stelle das Argument angeführt, dass die meisten Fahrzeuge nur auf der Kurzstreckegenutzt werden. Dabei wird die mögliche Veränderung der Nutzungsweise von Kurzstreckenfahrzeugen einfach ausgeblendet. So könnte zum Beispiel die Markteinführung des autonomen Fahrens in Kombination mit Carsharing die Auslastung von Kurzstreckenfahrzeugen um ein Vielfaches erhöhen und selbst die Möglichkeit des nächtlichen Ladens könnte dann entfallen, wenn die gleichen Fahrzeuge nachts als Kleinlieferfahrzeuge verwendet werden. Ohne brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge wäre somit die Innovation auch in diesem Bereich nicht möglich.
Nutzfahrzeuge machen 40 Prozent der Klimagase im Verkehr aus
Insbesondere Fahrzeuge, die hinsichtlich des Zeitpunkts der Energieaufnahme unflexibel sind oder die aufgrund ihres Fahrzeuggewichts oder ihrer Nutzungsart einen hohen täglichen Energieverbrauch aufweisen, lassen sich besser mit Brennstoffzelle und Wasserstoff betreiben. So haben Praxisstudien gezeigt, dass der Einsatz von Brennstoffzellen in Bussen erhebliche Kosten- und Betriebsvorteile gegenüber Batterien aufweist. Diese Erkenntnisse lassen sich auf Schwerlastkraftwagen sowie Liefer-Lkw und Transporter übertragen. Leichte und schwere Nutzfahrzeuge und Busse sind in Deutschland verantwortlich für mehr als 40 Prozent der Klimagasemissionen im Verkehr. Deswegen ist die Umstellung dieser Fahrzeuge auf Brennstoffzellen für das Erreichen der Klimaziele – im Verkehr sind es minus 40 Prozent bis 2030 – unverzichtbar.
Hohe Kosten für Batterieladeinfrastruktur
Diwald: "Oftmals wird als Vorteil für die batterieelektrischen Fahrzeuge die einfache Integration in die bestehende Infrastruktur genannt. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Kosten ab einer Million Fahrzeugen für die Lade-Infrastruktur, also Superschnelllader und Wallboxes, deutlich über denen für Wasserstofftankstellen liegen.
Das größte Argument für den Siegeszug der brennstoffzellenelektrischen Fahrzeuge ist jedoch die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, die nicht kontinuierlich zur Verfügung stehen. Eine effiziente Energieversorgung wird künftig zunehmend auf elektrische Verbraucher angewiesen sein, die flexibel betrieben werden können. Sprich, die Möglichkeit der zeitlichen Entkopplung von Stromangebot und -nachfrage wird entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit der Energieversorgung sein. Die Wasserstofftechnologie weist unstrittig die größten Flexibilitätspotenziale auf, insbesondere wenn es um große Energiemengen ab etwa einer halben Terawattstunde und lange Speicherzeiten über 48 Stunden geht.
Aber auch die Analyse der Umweltbilanz spricht für die brennstoffzellenelektrischen Fahrzeuge. Werden diese und batterieelektrische Fahrzeuge ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt, weist die Brennstoffzellentechnologie gegenüber den Batterien – bei Berücksichtigung des Aufwands für das Recycling der Batterien – eine erheblich bessere Umweltbilanz auf. Die eindeutigen langfristigen Vorteile der brennstoffzellenelektrischen Fahrzeuge gegenüber batterieelektrischen Fahrzeugen sollten entsprechend bei der Fortschreibung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategien Berücksichtigung finden.
Kein Tankstellennetz bei Wasserstoff
Kurt Sigl: "Es gibt noch kein praktisch nutzbares Netz an Wasserstofftankstellen – bundesweit sind erst 34 Tankstellen in Betrieb. Eine Wasserstofftankstelle zu errichten, kostet über eine Million Euro – ohne Milliardeninvestitionen von Autoherstellern, Energiekonzernen und staatlichen Förderprogrammen wird sich daran auch in naher Zukunft nichts ändern. Batterieautos dagegen können praktisch überall aufgeladen werden, wo es Strom gibt. Die Infrastruktur für Batterieautos ist in Form des Stromnetzes bereits vorhanden – die entsprechenden Ladestationen lassen sich mit relativ wenig Aufwand überall installieren. Das Investitionsvolumen ist dabei gering: Ab 2.000 Euro kann man einen 22-Kilowatt-Ladepunkt errichten. Die Investitionen in Ladesäulen können außerdem schrittweise erfolgen, da die meisten Ladevorgänge in der heimischen Garage stattfinden.
Geringer Wirkungsgrad
Im Vergleich der Wirkungsgrade ergibt sich von der Energiequelle bis zur Energiebereitstellung im Fahrzeug für ein Elektrofahrzeug mit Brennstoffzelle ein deutlich geringerer Wirkungsgrad als für ein Elektrofahrzeug mit Akkumulator, vor allem durch die notwendige, sehr energieintensive Wasserstofferzeugung und Speicherung. Wegen des Umwegs über die Elektrolyse, den Tank und die Brennstoffzelle verbraucht ein Wasserstoffauto mehr als dreimal so viel Strom wie ein batterieelektrisches Auto. Zudem ist der Wirkungsgrad von der Elektrolyse bis zum Auspuff mit unter 50 Prozent sehr gering. Im Vergleich dazu kann der Strom bei einem batterieelektrischen Fahrzeug ohne weitere Energieumwandlungen über die Stromleitung direkt in den Akku eingespeist werden. Es treten kaum Verluste auf: Der Wirkungsgrad von Lithium-Ionen-Akkus liegt bei fast 100 Prozent. "
Eingeschränkter Laderaum
Kurt Sigl: "Das Brennstoffzellenauto hat eine kleine Batterie und eine Brennstoffzelle mit an Bord, welche die Energie des Wasserstoffs in elektrischen Strom umwandelt. Zusätzlich sind außerdem Tanks im Fahrzeug notwendig, in denen der Wasserstoff gelagert wird. Das schränkt den Laderaum zusätzlich ein. Das batterieelektrische Auto ist im Vergleich dazu viel einfacher aufgebaut: Es benötigt lediglich möglichst viele Batterien, um die gewünschten Leistungen zu erzielen. Diese können rein theoretisch an jeder Stelle im Fahrzeug verbaut werden, wodurch sehr viel mehr Platz im Innenraum zur Verfügung steht als bei einem Wasserstoffauto. Ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung potenzieller Kunden.
Die Technologien stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Vielmehr bestimmt der jeweilige Einsatzzweck, ob eine Batterie oder eine wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle den Strom für den Elektromotor liefert. Je größer das Fahrzeug und die erforderliche Reichweite sind, desto eher kommt die Brennstoffzelle zum Einsatz, da das Volumenproblem bei der Lagerung des Wasserstoffs hier eher beherrschbar wird. So etwa bei Lastwagen im Fernverkehr, Linienbussen im ÖPNV oder im Schienenverkehr. Aufgrund der ausgebauten Ladeinfrastruktur, der Energieeffizienz und der geringeren Kosten hat das batteriebetriebene Elektrofahrzeug momentan jedoch im Bereich der Individualmobilität eindeutig die Nase vorn."