Neue Wege in Sachen regionaler Ressourcennutzung geht die Gemeinde Windeck in Nordrhein-Westfalen. Ein innovatives Konzept setzt dort auf vorhandene Industrieflächen und erneuerbare Energien als Standortvorteil. Erstmals umgesetzt wird Energy2hub, so der Name des Konzepts, im Windecker Ortsteil Schladern auf dem Gelände der ehemaligen Rohrzieherei der Kabelmetall, in unmittelbarer Nähe zum Fluss Sieg und zum örtlichen Bahnhof.
Der effiziente Umgang mit Ressourcen wird vor allem im Mittelstand immer wichtiger. Gerade Unternehmen mit energieintensiver Fertigung sind gezwungen, wirtschaftlicher zu arbeiten – und dies besonders im Hinblick auf den Energieverbrauch. Neue Ideen sind gefragt, um die Abhängigkeit von knapper werdenden Rohstoffen gezielt zu reduzieren.
Energy2hub ist eine solch neue Idee aus unserem Haus. Die Säulen dieses reproduzierbaren Konzepts sind: gemeinsam an einem Standort die jeweils regional vorhandenen Ressourcen nachhaltig umwandeln und optimiert nutzen, um diese zu reaktivieren und revitalisieren. Dies bedeutet eben auch, dass dies je nach Standort unterschiedliche Ressourcen sein können. Man knöpft so an traditionelle Muster an. So konnte man bis weit ins 19. Jahrhundert nur dort produzieren, wo die jeweils erforderlichen Ressourcen vorhanden waren: Beispielsweise konnten nur dort Tuche produziert und Garne gefärbt werden, wo Wasser als Antrieb für Webstühle und zum Auswaschen der Farbe vorhanden war.
Studie Energieregion Rhein-Sieg
Den Anstoß für die Nutzung erneuerbarer Energien am Standort gab die Studie Energieregion Rhein-Sieg. Diese Studie kam in einer flächendeckenden wissenschaftlich-systematischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Bonn gemeinsam über ein Potenzial an erneuerbaren Energien verfügen, das den Strom- und Wärmebedarf dieser Region zu 123 Prozent decken könnte. Die Region könnte bei Ausnutzung der Potenziale an erneuerbaren Energien energetisch autark sein. Online ist der potenzielle Ertrag aus erneuerbarer Energie auf dem Grundstück sichtbar.
Die Gebäude der ehemaligen Kabelmetall standen zum Verkauf, als wir entschieden, unser Unternehmen ASCEM Arndt Schäfer Chemie und Umwelt GmbH dort anzusiedeln. Von Beginn an war klar, dass ASCEM nur einen kleinen Teil der rund 9.000 Quadratmeter großen Industriehalle für die Herstellung gießereitechnischer und metallurgischer Erzeugnisse benötigte. Produziert werden diese für Nichteisenmetall-Gießereien und -Halbzeugwerke. Zur Erklärung: Halbzeug ist der Oberbegriff für vorgefertigte Rohmaterialformen wie beispielsweise Bleche, Stangen, Rohre und Coils. Auf der Suche nach weiteren Nutzungsmöglichkeiten der ungedämmten 220 Meter langen und zwölf Meter hohen Industriehalle entstand das Konzept Energy2hub.
Dies war der Beginn der energieeffizienten Gestaltung der Industriehalle. Mit der Umsetzung des Konzepts wurde 2001 begonnen. Im Rahmen eines sogenannten Pius-Checks wurden Maßnahmen zur konsequenten energieeffizienten Umgestaltung der Produktion angestoßen. Der Pius-Check ist eine prozessorientierte Stoffstromanalyse zur Steigerung der Ressourceneffizienz in produzierenden Unternehmen. Durch die deutlichen Verbesserungen konnten Einsparungen in Höhe von 50.000 Euro erzielt werden. Es folgten weitere Zertifizierungen nach DIN ISO EN 9001 VDA und 14.001 sowie nach VDA 6.1.
2010 nutzte man die Initialberatung der Kreditbank für Wiederaufbau (KfW), um weitere Einsparungen zu erreichen. So wurde unter anderem die Beleuchtung durch eine verbesserte Tageslichtnutzung bedarfsgerecht ausgelegt. Die jahrelang ungenutzte riesige Dachfläche wurde 2010 vermarktet und an Investoren verpachtet, die dort eine Solaranlage errichteten. Dies war ohne zusätzliche Verstärkung des Dachs möglich. Die Pacht beträgt 2.000 Euro pro Jahr, die Photovoltaik-Anlage leistet 520 Kilowatt. Derzeit wird sie neu aufgeständert, weitere Module werden angeschlossen, um die Leistung auf 700 Kilowatt zu erhöhen. Diese Aufständerung erfolgt ebenso kostenneutral wie die Errichtung der Anlage selbst, da auch diese Kosten von den Eigentümern der Solaranlage getragen werden. Sie muss zwingend im Winter realisiert werden, um so wenig Ausfall wie möglich zu haben.
Nicht nur Solarenergie wird am Standort erzeugt, sondern auch Kraftwärmekopplung per Blockheizkraftwerk (BHKW). 2013 wurden zehn BHKW-Module zur Strom- und Wärmeerzeugung in die Halle gestellt, die Schritt für Schritt in Betrieb genommen werden können, je nach Bedarf. Die kleinsten Module erzeugen 50 Kilowatt elektrische Leistung und rechnen sich bereits ab einem Energiebedarf von 336.000 Kilowattstunden pro Jahr. Die derzeit vorhandenen Module können insgesamt jährlich zwei bis 2,4 Gigawattstunden leisten. Sie werden sukzessive nach Bedarf in Gebrauch genommen. Die BHKWs haben Gasmotoren und können mit Erdgas, Biogas und Klärgas betrieben werden. Ziel ist der Biogas-Betrieb mit landwirtschaftlichen Abfallprodukten. Insbesondere die anfallende Abwärme soll als kaskadierende Prozesswärme mehrfach genutzt werden.
Blick in die Zukunft
Die am Standort erzeugte Energie kann zu einem konkurrenzlos günstigen Preis abgegeben werden: Strom kostet ab zehn Cent pro Kilowattstunde, Wärme fünf Cent pro Kilowattstunde. Die Kaltmiete startet bei 3,50 Euro pro Quadratmeter.
In den Jahren 2013 und 2014 beteiligte sich ASCEM am Projekt Ökoprofit und erarbeitete im Rahmen moderierter Workshops weitere Einsparungen – unter anderem wurde der Dienstwagen des Firmeninhabers mit einer jährlichen Laufleistung von rund 50.000 Kilometern durch eine Bahncard 100 ersetzt. Dies spart 8.000 Euro sowie zehn Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein.
Aktuell arbeitet man in Schladern an der Ansiedlung von Betrieben entlang der regionalen Wertschöpfungskette Holz, Papier, Gras sowie der stofflichen Verwertung von Rest- und Recyclingholz regionaler Hersteller. Zahlreiche Gespräche mit Unternehmen aus der Region werden geführt, um vor allem dem dortigen Markt Rechnung zu tragen. Denn unmittelbar neben der genannten Wertschöpfungskette gibt es Unternehmen, die natürliche Reststoffe intelligent weiterverwerten möchten.
Hier bietet sich das Konzept Energy2hub an. Im Gespräch ist man mit einem Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte, der plant, die vorhandenen Reststoffe, die aktuell lediglich als Abfall entsorgt werden, anderweitig zu nutzen. Geplant ist auch, das Thema E-Mobility zu integrieren. Deshalb werden Gespräche mit Händlern und Herstellern von Elektroautos, Fahrrädern und E-Bikes geführt, die den Standort zusätzlich an Wochenenden beleben sollen. Das Windecker Ländchen ist ein Naherholungsgebiet mit interessanten Angeboten gerade für Biker. Am Standort ist günstiger Strom vorhanden, und auch sonst sind die Rahmenbedingungen für die E-Bikes, die dort aufgeladen werden können, günstig. CO2-freie Mobilität ist ebenfalls ein wichtiger Teil nachhaltiger Ressourcennutzung.
Das Projekt hat Vorbildcharakter in Sachen Effizienz und Energieräume für kleine und mittlere Unternehmen. Gezeigt wird, wie nachhaltige und effiziente Nutzung von Ressourcen an einem ausgewählten Standort zur Reaktivierung und Revitalisierung beitragen. Die alte Fertigungshalle wird wiederbelebt und der brachliegende Standort Schladern wird wiederbelebt. Durch die dezentrale Energienutzung und die Verknüpfung regionaler Wertstoffströme – gemeint ist hier die Nutzung des am Ort vorhandenen Holzes und seiner Bestandteile – zu durchgängigen Wertschöpfungsketten werden vorhandene Betriebskosten kurz- und langfristig gesenkt und klare Wettbewerbsvorteile geschaffen: lokal und regional. Es geht um die nachhaltige Nutzung der in der Region vorhandenen Ressourcen. Der jeweilige Markt bestimmt die Ausgestaltung und Umsetzung des Konzepts sowie dessen Entwicklung.
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von Februar 2015 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.