Die Solabranche in Deutschland fordert Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien bei der Förderung von Photovoltaikanlagen einzuführen. „Marktanreize für Solarprodukte, die europäische Qualitätsstandards, Umwelt- und Sozialauflagen erfüllen, Harmonisierung der Photovotlaikausschreibungen mit Frankreich, wo bereits Nachhaltigkeitskriterien Anwendung finden”, sollten bei der Förderung stärker berücksichtigt werden. Das fordern 30 international tätige Unternehmen und Forschungseinrichtungen in einem offenen Brief an die Bundesregierung, den auch noch weitere Beteiligte unterstützen können. „Die Unterzeichner fordern die Bundesregierung auf, schnellstmöglich entsprechende Maßnahmen zum Erhalt und zum erfolgreichen Ausbau der Solartechnologie als einer der wesentlichen, strategischen Zukunftsenergien in Deutschland zu ergreifen”, schreiben sie in ihrem offenen Brief.
Nicht nur auf billig setzen
Vor allem in den Ausschreibungen darf nicht mehr nur der niedrige Preis zählen, sondern dass dieser niedrige Preis mit Komponenten erreicht wird, die unter den Bedingungen europäischer Sozial- und Umweltstandards hergestellt wurden. Damit wollen die Unterzeichner des offenen Briefes die Wertschöpfungskette wieder stärker von China nach Europa verlagern. Immerhin sind es die neun größten chinesischen Hersteller, die die Hälfte des gesamten Weltmarktes beherrschen. Sie tun das vor allem mittels niedriger Preise.
Um ebenfalls solch niedrige Preise zu erreichen, fordern die Unterzeichner des Appells eine Industriepolitik, die es auch europäischen Unternehmen ermöglicht, am Markt auch mit Standardprodukten mithalten zu können. Sie unterbreiten den Vorschlag, die europäische Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu bündeln. Als Vorbild dient hier die erfolgreiche deutsch-französische Zusammenarbeit in der Flugzeugindustrie bei der Herstellung des Airbus. So solle eine europäische Photovoltaikproduktion mit einer jährlichen Kapazität im Gigawattmaßstab entstehen, mit denen die europäischen Unternehmen gegen die chinesische Konkurrenz mithalten kann. Denn dort stehen schon mehrere dieser Gigawattfabriken, mit denen die Unternehmen aus Fernost ihre niedrigen Preise erreichen können.
Industriepolitische Strategie fehlt
Grundsätzlich warnen die Unternehmen, dass auch die Reste der deutschen und europäischen Photovoltaikindustrie nach Asien abwandern könnte, wenn weiterhin mit Blick auf die Photovoltaik eine industriepolitische Strategie fehlt. Denn die europäischen Hersteller sind in der Regel vor allem mit hochwertigen Solarmodulen im hohen Leistungsbereich und für Installationen erfolgreich, die besonders hohe Ansprüche an die Solarmodule stellen. Dass das allein nicht ausreicht, um eine europäische Photovoltaikindustrie zu erhalten, zeigt auch die jüngste Insolvenz von Solarworld. Der Bonner Modulhersteller kämpft inzwischen schon seit drei Monaten ums Überleben. Immerhin was das Unternehmen bisher das Einzige in Europa, das eine Produktion von mehr als einem Gigawatt pro Jahr aufgebaut hatte. Doch das nützte angesichts des fehlenden Heimatmarktes nichts, um sich gegen die Konkurrenz aus Fernost im Bereich der Standardmodule durchzusetzen. Selbst der konsequente Umstieg auf die Produktion von monokristallinen Modulen kam zu spät.
Heimatmarkt stärken
Zudem würde eine entsprechende Industriepolitik nicht nur die 15.000 Arbeitsplätze in der Modulproduktion sowie bei den Materialzulieferern, sondern auch die mehrere Hunderttausend Jobs bei den Installationsunternehmen sichern, die nicht nur dringend auf einen Heimatmarkt angewiesen sind, sondern auch lieber europäische Module installieren, wenn diese gefordert werden. Im Bereich der Ausschreibungen geht das meist nicht, weil eben hier nur der niedrige Preis zählt. Zudem würde ein europäischer Heimatmarkt noch mehr Arbeitsplätze in der hiesigen Solarbranche schaffen. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien hat jüngst die Jobperspektive gezeigt, die sich vor der weltweiten Solarindustrie auftut. Hier kann Europa mit einer Industriepolitik profitieren, die ihren Namen auch verdient.
Forschung koordinieren
Aber auch bei der Forschung fordern die Unternehmen eine umfangreiche Koordination und die Einrichtung einer Forschungsfabrik ähnlich wie derjenigen, die im vergangenen Jahr für die Mikroelektroniḱ in Dresden entstanden ist. Dort wurde im August 2017 ein riesiges Forschungsinstitut eröffnet, an dem elf Fraunhoferinstitute und zwei Forschungsinstitute der Leibnitzgesellschaft beteiligt sind. Mit einer Mittelausstattung in Höhe von 350 Millionen Euro können die Wissenschaftler dort mit neusten Instrumenten und Einrichtungen internationale Forschungsdienstleistungen anbieten. Eine ähnliche ausgestatteten Forschungsverbund sollte es auch für die Photovoltaik als Zukunftstechnologie geben. (Sven Ullrich)