Das Darmstädter Chemieunternehmen Merck geht mit der Kommerzialisierung seinem grauen semitransparenten organischen Halbleitermaterial in die nächste Runde. Bereits im November des vergangenen Jahres haben die Darmstädter die Lösung bereits zusammen mit Belectric OPV aus Nürnberg als kommerziell erhältliches Produkt vorgestellt. Jetzt arbeiten sie mit dem britischen Hersteller gebäudeintegrierter Photovoltaikverglasung Polysolar. in Cambridge zusammen, um ein ganz neues Produkt zu kreieren. Das Ziel: Die Kooperationspartner wollen ein Fenster kreieren, in dem das graue OPV-Material integriert ist. Das Fenster soll aber nicht nur Strom erzeugen, sondern gleichzeitig gute Dämmeigenschaften aufweisen. „Mit dem Produkt soll die Bauindustrie auf ihrem Weg zum sogenannten Null-CO2-Haus unterstützt werden“, betonen die Entwickler bei Merck. „Die Kommerzialisierung eines solchen Fensters wird die Energiekosten der Gebäude verringern und gleichzeitig den Architekten mehr Gestaltungsspielraum geben.“ Außerdem sind noch die Forscher des Technologie- und Innovationszentrums CPI im nordenglischen Sedgefield.
In herkömmliche Rahmen einbauen
Die Grundlage der Entwicklung ist die von Merck entwickelte halbtransparente graue Lisicon-Rezeptur. „Das Projekt ist eine einzigartige Gelegenheit, die kommerzielle Nutzung von grauen OPV-Modulen weiterzuentwickeln und die breitere Anwendung von gebäudeintegrierter Photovoltaik voranzutreiben“, betont Brian Daniels, Leiter der Geschäftseinheit Advanced Technologies bei Merck. Die Entwickler von Merck haben sich dabei auf Grau konzentriert, da es eine Farbe ist, die von Architekten akzeptiert wird, vor allem wenn es um Fenster geht. Das organische Material wird auf Folien gedruckt und als Modul dann zwischen zwei Glasscheiben einlaminiert. Der Vorteil ist, dass die Solarfolie so dünn ist, dass sie einfach in herkömmliche Rahmen einzubauen und damit ideal für flächige Anwendungen wie Fenster, Dachfenster, Fassaden und Dächer sind. Das gesamte Fenster soll am Ende so konstruiert sein, dass es die Temperatur im Gebäudeinneren kontrollieren kann.
OPV-System in großem Maßstab herstellen
Wie dieses Fenster genau aufgebaut ist, können die Projektpartner zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitteilen. Derzeit befindet sich das Projekt noch in einer zu frühen Phase der Entwicklung hin zu einem kommerziell tragfähigen, energieerzeugenden Fenster auf der Grundlage der organischen Photovoltaik. Das nächste Ziel ist, ein Demonstrationsfenster vorzustellen, das ähnliche Einbaukosten, Transparenz und Lebensdauer haben soll wie herkömmliche Hochleistungsverglasungen, die derzeit in der Bauindustrie verwendet werden. Gleichzeitig soll es eine vergleichbare Energieausbeute liefern wie konventionelle vertikal installierte Photovoltaiksysteme. Außerdem soll es zusätzlich die Energiekosten der Gebäude verringern und den Architekten mehr Gestaltungsspielraum geben. „Das Ergebnis unseres Projektes wird es sein, im großen Maßstab OPV-Systeme auf nachhaltige, kostengünstige Weise herstellen zu können“, stellt Dave Barwick, leitender Wissenschaftler am CPI.
„Die moderne Architektur steht vor dem Dilemma, dass sie einerseits ein Maximum an natürlichem Licht in den Raum lassen will und gleichzeitig den Energieverbrauch der Gebäude auf ein Minimum beschränken muss“, erklärt Hamish Watson von Polysolar. „Mit unserer OPV-Verglasung tragen wir zur Lösung dieses Dilemmas bei und erzeugen darüber hinaus auf eine emissionsfreie, erneuerbare Weise Energie, wodurch zukünftige Gebäude das Null-CO2-Ziel erreichen können.“
Architekten brauchen Lösungen
Zwar haben die Architekten haben schon Lösungen aus der Photovoltaikbranche an die Hand bekommen. Doch sind diese bisher noch nicht so gestrickt, dass sie den hohen Anforderungen der Architektur genügen, vor allem was die Integration in Fenster betrifft. Die Verglasung der Gebäude wiederum bietet die beste Möglichkeit, Photovoltaik zu integrieren. Dazu benötigen sie aber semitransparente Lösungen. Da sind halbtransparente Solargläser auf der Basis von Dünnschichthalbleitern bisher die Alternative gewesen. Doch mit der organischen Photovoltaik tun sich ganz neue Möglichkeiten auf, nicht nur was die Transparenz und Flexibilität, sondern auch was Farbe, Form und vor allem Kosten betrifft. Denn die organischen Solarfolien sind potenziell billig zu produzieren, wenn das Produktionsvolumen hoch genug ist.
Organische Halbleiter spielen an der Fassade Vorteile aus
Sie haben aber noch mehr Vorteile gegenüber den Halbleitern der ersten und zweiten Photovoltaikgeneration. Denn sie kommen besser mit diffusem und Schwachlicht zurecht als kristalline Solarzellen. Damit sind sie perfekt geeignet für die vertikale Installation an Fassaden, wo die Module nicht perfekt zur Sonne hin ausgerichtet sind. Außerdem sind sie noch unempfindlicher gegenüber steigenden Temperaturen als die Dünnschichttechnologien auf der Basis von Cadmium-Tellurid, CIGS oder CIS. Diese Vorteile gleichen den bisher noch relativ geringen Wirkungsgrad mehr als aus. Denn am Ende ist entscheidend, wie viel Strom über die gesamte Lebensdauer des Moduls erzeugt wird und zu welchem Preis. Da können die organischen Solarfolien längst mit den anderen Technologien mithalten. Dazu kommen noch die Vorteile, die mit der Fassadenintegration zu tun haben. Denn um die hohen Standards zu erreichen, werden die Architekten mit Solargeneratoren auf Dachflächen allein in Zukunft nicht mehr auskommen. Dann müssen sie die Potenziale der Fassade und vor allem der Verglasung mit einbeziehen. Da bietet sich die organische Photovoltaik mit der Möglichkeit, der Semitransparenz derzeit als eine der besten Lösungen an. (Sven Ullrich)