In weniger als zwei Monaten muss die Europäische Kommission entscheiden, ob sie die Hürden für den Import chinesischer Solarzellen und Module stehen lässt oder abreißt. Jetzt haben Zollgegner in Europa und die Befürworter der Antidumpingmaßnahmen noch einmal ihre Argumente bekräftigt.
Auf der einen Seite steht die Solar Alliance for Europe (SAFE). Sie ist der Ansicht, der Solarmarkt in Europa kommt nur in Schwung, wenn auch der freie Wettbewerb wieder möglich wird. „Durch den Wegfall von Handelsbeschränkungen wird der Solarmarkt entscheidend belebt werden“, betont Holger Krawinkel, Sprecher der SAFE. „Zwar können rund 50.000 Handwerksbetriebe in Deutschland Photovoltaikanlagen installieren. Doch viele von ihnen haben diesen Zweig in den letzten Jahren aufgegeben, weil der Zubau zurückgegangen ist. Ein Hauptgrund sind die durch EU-Strafzölle künstlich verteuerten Solarmodule und Zellen.“
Billige Anlagen für schnellen Zubau
Mit Blick auf den deutschen Markt ist die Argumentation durchaus schlüssig. Denn in diesem Jahr wird der Zubau in Deutschland bei 1,2 bis 1,3 Gigawatt liegen. Auch für die kommenden Jahre ist nur mit einer langsamen Belebung des Solarmarkts zu zu rechnen, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht drastisch ändern. Denn vor allem die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch hält Unternehmen und Gewerbetreibende von der Installation einer Photovoltaikanlage ab. Zwar können sie auch mit dieser EEG-Umlage die Generatoren wirtschaftlich betreiben. Doch sinkende Anlagenpreise könnten die Amortisationszeiten weiter verkürzen und die Unternehmen würden die psychologische Hürde der Sonnensteuer endlich überwinden. Der Zubau könnte Fahrt aufnehmen. „Wir sitzen in der Nische fest“, kritisiert Krawinkel. „Die Kapazität des Handwerks ist mindestens fünfmal so hoch. Sie liegen derzeit brach. Wer den Installateuren Hoffnungen macht, die Politik werde diese Tendenz durch eine Erhöhung der Vergütung umkehren, streut ihnen Sand in Augen. Die einzige realistische Chance für eine Erholung des deutschen und europäischen Solarmarkts besteht in der Abschaffung der Strafzölle. Sinken die Modulpreise, kann auch Solarenergie günstiger erzeugt werden und die Nachfrage steigt wieder“, ist sich Krawinkel sicher.
Über 100 Handwerker sind für Strafzölle
Auf der anderen Seite steht EU Pro Sun. Der Zusammenschluss einiger Hersteller von Zellen und Modulen in Europa bleibt die treibende Kraft bei der Aufrechterhaltung der Handelsschranken. EU Pro Sun argumentiert, dass billige Komponenten aus China den Markt kaputt machen und den Wettbewerb verzerren. So verliere Deutschland und Europa nicht nur sukzessive eine eigene Photovoltaikindustrie sondern auch die technologische Führerschaft. „Könnte China weiter hemmungslos unter Herstellungskosten Solarmodule nach Europa dumpen, gäbe es hierzulande keine Solarindustrie und keine Produktvielfalt mehr“, prognostiziert Milan Nitzschke, Präsident von EU Pro Sun. Jetzt haben sich nach Angaben von EU Pro Sun sogar Installationsbetriebe den Befürwortern von Handelsschranken angeschlossen. So sollen 111 Handwerksbetriebe aus Deutschland dem Industriezusammenschluss beigetreten sein. „Wir freuen uns über die Unterstützung von so vielen Handwerksbetrieben“, sagt Nitzschke. „Fairer Wettbewerb geht alle an. Deswegen gelten in der EU Antidumpingmaßnahmen."
Handwerker befürchten Vergeltungsmaßnahmen
Tatsächlich sind es vor allem Projektierer und Installationsbetriebe, die sich gegen Antidumpingzölle und Mindestpreise für chinesische Komponenten aussprechen. Sie sehen in den zu langsam sinkenden Preisen für Solarmodule in Europa den Rückgang des Zubaus. Mit dieser Argumentation ist SAFE ins Rennen gegangen. „Wir wehren uns dagegen, hier vereinnahmt zu werden“, erklärt Johannes Kemper von der Kemper Automatisation GmbH aus Gescher in Nordrhein-Westfalen. Er hat sich mit seinem Unternehmen auf die Seite der Zollbefürworter geschlagen. „Im Gegenteil. Dumping in der Wirtschaft ist verboten wie Doping im Sport. Daran muss sich jeder halten, sonst bleibt der Wettbewerb auf der Strecke", betont Kemper. Er ist einer der wenigen Handwerker, die sich öffentlich für Antidumpingmaßnahmen einsetzen. Die Namen der anderen Unterstützer hält EU Pro Sun unter Verschluss. Die Organisation begründet dies mit der Angst der Handwerker, Vergeltungsmaßnahmen aus der Branche befürchten zu müssen, wenn sie sich offen auf die Seite der Zollbefürworter schlagen.
"Wir brauchen günstige Solarenergie“
Auf der anderen Seite stehen die Installateure, die sich ganz klar für das Auslaufen der Handelsbarrieren einsetzen. „Kurzfristig kann es für Installateure, aber auch Großhändler, attraktiv erscheinen, wenn Preise, zum Beispiel durch Zölle, künstlich hochgehalten werden“, erklärt Michael Tittmann die Motivation von Handwerkern in Deutschland, EU Pro Sun beizutreten. Mit Tittmann Solar betreibt er in Waiblingen einen eigenen Installationsbetrieb und kennt die Lage genau. „Ich verstehe die Kollegen, die sich scheinbar EU ProSun anschließen, wie jetzt bekannt wurde. Allerdings teile ich die Meinung nicht, dass Strafzölle auf chinesische Module den Installateuren langfristig Aufträge sichern. Statt eines hochpreisigen Nischenmarktes brauchen wir in Europa günstigere Solarenergie. Davon profitieren dann auch wieder Tausende von Installationsbetrieben.“ (Sven Ullrich)