Frank Johannes Kroll ist der Vorsitzende im Vorstand der Industrie-
vereinigung für Rückbau, Demontage und Repowering, RDR Wind, Annette Nüsslein ist die erste Stellvertreterin im Vorstand. Die RDR Wind hatte bereits 2020 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) und dem Umweltbundesamt einen Standard für guten und wirtschaftlichen Rückbau, die Entsorgung und das Recycling von Altwindparks erstellt, die Din Spec 4866. Nun bereitet der RDR Wind mit diesen Partnern und in Abstimmung mit der Windenergiebranche eine Din-Norm für Rückbau und Recycling vor. Sie soll der Branche nicht zuletzt eine große Sicherheit unter anderem auch beim Austausch alter gegen neue leistungsfähigere Windenergieanlagen gewährleisten – und den wirtschaftlichen Erfolg stützen.
Wir dokumentieren nachfolgend den zweiten Teil des gerade in unserem gedruckten Magazin
ERNEUERBARE ENERGIEN 03-2022 erschienenen Gesprächs mit dem RDR Wind, das die Bedeutung dieser Sicherheit erklärt.
Welche Sicherheit meinen Sie?
Frank J. Kroll: „Eine DIN-Norm ist eine Norm, die im Deutschen Institut für Normung (DIN) in Berlin erarbeitet worden ist. Sie vereinheitlicht Standards für Produkte und Verfahren, wie Qualität, Mindestleistungen, -eigenschaften, Maße etc.“ – so das DIN. In der Praxis können Auftraggeber bei der Vergabe oder in Ausschreibungen so sicherstellen, dass es weder unlauteres Preisdumping gibt noch Dienstleister durch eine Einschränkung der Arbeitssicherheitsvorschriften zum Zuge kommen. Das schafft Transparenz, verbessert so den Wettbewerb und fördert die Innovationen. Denn die dienstleistenden Unternehmen können und müssen sich auf dem Markt aktiv und deutlich differenzieren und machen das dann auch gern.
Setzt sich der neue Standard, derzeit noch ohne verbindliche Norm festgehalten in Form der Din Spec 4866, auch europaweit durch?
Annette Nüsslein: Die Din Spec 4866 hat wichtige – auch europäische – Impulse gesetzt und Richtwerte geschaffen. Auch Europas Windenergieverband Wind Europe ist im Bereich der Standardisierung sehr aktiv. Diese Entwicklung verfolgen wir aktiv und in Abstimmung mi dem DIN. Und natürlich schließen wir uns als RDR Wind auch dem Aufruf von Wind Europe 2021 zum europaweiten Bann der Deponierung der Rotorblätter an. Wertstoffe gehören im Sinne der Kreislaufwirtschaft, die auch in Europa stark an Bedeutung gewinnt, nicht auf die Deponie!
Frank J. Kroll: Wir wissen, dass bereits die Din Spec 4866 insbesondere für den spanischen Markt an Relevanz gewonnen hat. Spanische Kunden von Mitgliedsunternehmen sind nach Deutschland gekommen, um sich hiesige Lösungen für Rückbau und Recycling anzusehen. Die Überlegungen zielen darauf ab, dort eine ähnliche Norm vorzubereiten, wie wir sie in Deutschland aufbauen. Auch in Österreich lassen Unternehmen erkennen, dass sie oder ihre Kunden die Din Spec 4866 sehr gerne zur Beurteilung des Leistungskatalogs eines Dienstleisters für Rückbauprojekte heranziehen.
Eröffnet diese auch Exportchancen für deutsche Rückbau- oder Recyclingunternehmen?
Frank J. Kroll: Grundsätzlich ja. Allerdings wird dies eher den Export von Expertise betreffen. Denn kein Auftraggeber wird ein Kranunternehmen aus Deutschland zur Baustelle nach Spanien oder Österreich bestellen. Das wird weiterhin lokal geschehen. Aber einen Export der Beratungsdienstleistungen deutscher Unternehmen sehe ich schon befördert.
Die Entwicklung eines Rotorblattrecyclings ist in der Praxis ein europaweites Projekt geworden angesichts der Blattmassen im groß-industriellen Maßstab. Wir beherrschen die stoffliche Verwertung der Glasfaser- oder Kohlefaserverbundwerkstoffen schon heute. Im Labormaßstab oder auf Ebene eines Technikums gelingt uns auch das Recycling von GFK.
… dem Material Glasfaserkunststoff, GFK, aus dem die Rotorblätter sind …
Frank J. Kroll: Im groß-industriellen Maßstab müssen diese Verfahren weite entwickelt und sich als wirtschaftlich sinnvoll bewähren.
Die Branche in Europa optimiert nun die bekannten Recycling-Verfahren. Allerdings wird vollständiges Rotorblattrecycling im großen Stil sich erst durchsetzen, wenn die Nachfrage für die stoffliche Verwertung der Glasfasern da ist. Klar ist, dass die Nachfrage kommen wird: Von unseren Mitgliedsunternehmen erfahren wir, dass Kunden auch aus dem Ausland künftig nur noch eine stoffliche Verwertung der Rotorblattmaterialien wollen.
Generell wird es erst beim Carbonfaser-Kunststoff wirtschaftlich, dem CFK. Dieses ist etwa 20-mal so teuer wie GFK und wird höherwertiger eingesetzt. Ein statthafter Vergleich zwischen CFK und GFK ist der von „wasserdicht“ zu „kugelsicher“. Glasfasern zum Neubau von Rotorblättern zurückzugewinnen, ist betriebswirtschaftlich derzeit noch nicht sinnvoll.
Als größte Komponenten bereiten die alten Rotorblätter angesichts ihrer schieren Materialmasse zunehmend Sorgen. Wann werden die Ergebnisse aus der Recyclingforschung „Entwicklung von Rückbau- und Recyclingstandards für Rotorblätter“ in den Verwertungsbetrieben Eingang finden?
Annette Nüsslein: Am 27. 01.2022 hat das Abschlussfachgespräch des Umweltbundesamtes mit zahlreichen Branchenvertretern stattgefunden. Auch unsere Mitgliedsunternehmen und Partnerverbände haben teilgenommen und den Zwischenstand kommentiert. Das war wichtig. Die Veröffentlichung der finalen Studie durch das Umweltbundesamt wird sicherlich noch einige Monate dauern. Sie wird dann auf der Website des Umweltbundesamtes kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Noch ist der Weiterbetrieb aufgrund einerseits hoher Stromhandelspreise und weiterhin langwieriger Genehmigungsverfahren attraktiver – Repowering-Projekte verschieben sich. Werden die bleibend hohen Stromhandelspreise nun auch Repowering attraktiver werden lassen?
Annette Nüsslein: Angesichts des dramatischen Krieges in der Ukraine stellen sich weltweit die Fragen nach Energieversorgung und Energiesicherheit neu. Die erneuerbaren Energien werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Das Repowering wird auch in Deutschland deutlich beschleunigt werden müssen. Dies gilt besonders für die windstarken Bundesländer. Wir brauchen die neueren leistungsstarken Anlagen im Onshore-Bereich.
Frank J. Kroll: Repowering führt ja dazu, dass sich mit einer bestehenden Genehmigung ein Vielfaches an Strom generieren lässt. Große Parkbetreiber lassen sich daher von den Volatilitäten, also den Preisschwankungen an den Strommärkten, wenig beeinflussen und wollen eher ihre Leistungsausbeute durch moderne, viel größere Anlagen erhöhen. Ein kleinerer privater Betreiber oder Investor wird eher darauf schauen, dass seine Anlage noch zwei Jahre bei guten Preisen wirtschaftlich weiterlaufen kann.
Weil sich für größere Parkbetreiber aber jede Investition in den Park besser rechnet als nur ein Weiterbetrieb, und Repowering in jedem Fall anstehen wird, könnten gute Strommarktpreise auch zu sogenannten PPA- oder Stromlieferverträgen für erneuerte Windparks führen. Eine Beschleunigung des Repowering kann auch aus den derzeit steigenden Rohstoffkosten folgen. Denn wenn sich mit den Erlösen aus dem Verkauf von Stahlschrott auf den Schrottmärkten ein Teil der Rückbaukosten decken ließe, kann dies zum Treiber für den Anlagentausch werden. Bei Preisen wie im Sommer 2021, von gut 320 Euro pro Tonne Stahl, bietet der Rohstoffpreis somit einen zusätzlichen Anreiz, den Rückbau zu beginnen.
Wie tragen RDR-Unternehmen dazu bei, dass Repowering noch schneller eine Chance bekommt?
Frank J. Kroll: Wie wir feststellen, erhöht sich bei unseren Mitgliedsunternehmen die Bereitschaft zu einer weiter ausgreifenden geografischen Präsenz, auch bis ins Ausland. Der Rückbaumarkt bekommt hier einen bundesweiten Charakter mit einer Ausdehnung von Rheinland-Pfalz bis Mecklenburg-Vorpommern und der Oberpfalz bis Schleswig-Holstein.
Die Kapazitäten der Rückbau- und Recycling-Anbieter sind nun aufgebaut, ihre Expertise ist gewachsen, Fachpersonal qualifiziert. Unsere Mitgliedsunternehmen haben auch neue Rückbaumethoden implementieren können, wie das Sprengen von Anlagen-Bauwerken. Sie haben weitere Kostenoptimierungen durch mehr Rückbaueffizienz und Forschungsprojekte erreicht oder Patente angemeldet.
Inwiefern entstehen nun für Windparkinvestoren attraktive Gesamtangebote, die Repowering attraktiver schneller, kostengünstiger, sicherer werden lassen?
Frank J. Kroll: Hier ist zu unterschieden zwischen dem größeren Investor, dem Bürgerwindpark und der Einzelanlage. Wir wissen aus dem Mitgliederkreis, dass der Wunsch nach einem Generalunternehmer zunimmt. Die Kunden wollen den Auftrag zum Rückbau wie auch zu Logistik, zum Recycling und zur Entsorgung in eine Hand legen. Sie erwarten, dass die Dienstleister als Lösungsanbieter für unterschiedliche Herausforderungen vor Ort tätig werden. Das setzen unsere Mitgliedsunternehmen um, denn Lösungsanbieter reduzieren die Zahl der Schnittstellen. Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn ein Erdbauer auch die Zuwegung für die Kranstellflächen baut und fürs Repowering vor Ort bleibt, entstehen nur einmal Anfahrtskosten. Auch die bessere Auslastung des Maschinenparks des Rückbauunternehmens wird zum finanziellen Plus.
Wichtig ist aber auch: Unsere technologische Nische in der Windindustrie wird künftig höhere wirtschaftliche und professionelle Relevanz bekommen. In ihr findet sich künftig noch viel Platz für andere Unternehmen. Unserem Industrie-Verband ist daher jedes innovative Unternehmen oder jede Forschungseinrichtung, auch jeder Dienstleister, willkommen. Zu unserer Vereinsarbeit gehört auch, Brücken zu anderen Unternehmen und Verbänden zu schlagen: Manchmal ist eine persönliche Begegnung in unserem Verband für ein künftiges Geschäft oder eine Forschungsinitiative hilfreicher als die Internetrecherche. Wer Lust hat, sich mit uns weiter zu entwickeln findet in RDR Wind einen sicheren Hafen mit aufgeschlossenen und innovativen Unternehmen, Dienstleistern, Hochschulen und Forschungseinrichten.
Dies ist der zweite Teil des gerade in unserem gedruckten Magazin erschienenen Gesprächs mit dem RDR Wind. Darin finden Sie dieses Mal eine Sonderstrecke zu Rückbau und Repowering von Windparks in Deutschland.
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