Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Verschobene Windparkprojekte, aber Rekordjahr dank unerwartet hoher Neuzulassungen

Von einer „beispiellosen Entwicklung der Genehmigungszahlen für neue Windenergieanlagen“ mit gut 14.000 Megawatt (MW) Nennleistung sprechen die führenden Vertreter der beiden Windenergieorganisationen für Windkraft an Land vorneweg. Die für die Zulassungen zuständigen Behörden hätten 2024 grünes Licht für Windparkprojekte mit noch einmal 85 Prozent mehr Erzeugungskapazität gegeben, als sie im vorigen Jahr neu genehmigt hatten, so vermeldeten am Mittwoch in Berlin der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Maschinenbauverband VDMA.

Dabei war 2023 das Jahr mit der bisher zweitgrößten neu genehmigten Erzeugungskapazität nach dem vorigen Rekordgenehmigungsjahr 2016. Damals hatten die Behörden 9,4 GW für neue Projektierungen freigegeben. Und trotz der viel größeren abgearbeiteten Projektvolumen hätten die Behörden 2024 die Dauer der Genehmigungsverfahren noch reduziert, und zwar erstmals wieder nach drei Jahren um 3 auf 23,1 Monate, so lobten die BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek und Power-Systems-Geschäftsführer Dennis Rendschmidt. Zusätzlich lobten beide den ebenfalls neuen Höchstwert von 11 GW bei Vergütungszuschlägen aus Ausschreibungen der Bundesnetzagentur (BNetzA).

Allerdings muss die deutsche Windenergiebranche auch erstmals seit dem Einbruchsjahr 2019 des deutschen Errichtungsmarktes für Windturbinen an Land nach jährlichen Volumenanstiegen um drei Mal 500 MW und vergangenes Jahr sogar um 1.300 MW einen Rückgang hinnehmen. Gemäß der vorläufigen Auswertung des offiziellen Markstammdatenregisters der BNetzA durch die Berliner Fachagentur (FA) Wind und Solar haben die Windenergieunternehmen 2024 um neun Prozent weniger Nennleistung zusätzlich in Deutschland an Land in Betrieb genommen als 2023, beziehungsweise nur rund 3,3 GW nach knapp 3,6 GW noch im Jahr davor. Die FA Wind und Solar hielt vorerst sogar nur 3.251 MW als Ergebnis fest. Tatsächlich können die Entwickler und Betreiber der Windparks ihre Anlagen noch bis zum Monatsende nachmelden, ohne schon finanzielle Konsequenzen für ihre Einspeisevergütung zu erleiden. Einige wenige Dutzend MW dürften so unterm Strich zu Ende Januar noch als Errichtungen von vor Ende Dezember ins Register mit einfließen.

Dem FA-Wind-und-Solar-Experten für den deutschen Windenergiemarkt zufolge, Jürgen Quentin, wirken sich hier mehrere gegenläufige statistische Phänomene aus. Während die Investoren und Projektierer die Erzeugungskapazitäten der in Ausschreibungen bezuschlagten Projekte inzwischen zu 90 Prozent zügig in Bauprojekte umsetzten, seien nun überwiegend die Projektgenehmigungen von 2022 wirksam geworden. Entsprechend einer aktuell dominierenden Realisierungszeit genehmigter Projekte von knapp mehr als zwei Jahren hätten Projektierungsunternehmen und Investoren diese in den vergangenen zwölf Monaten auf den Baustellen als Windparks umgesetzt. Zumindest den größten Teil davoni. Die Genehmigungsvolumen von 2022 waren allerdings mit 4,2 GW noch nicht höher als die der 2021 genehmigten und überwiegend 2023 errichteten Windparks. Nachdem 2024 dann noch mehrere außergewöhnliche Rahmenbedingungen zu monatelangen Verspätungen in den Projekten geführt hatten, werde nun ein Großteil an Erzeugungskapazität des noch nicht gebauten und noch ausstehenden Gigawatts der 2022-er Genehmigungen bis im bevorstehenden Frühjahr in Betrieb gehen.

Die Windenergie-Branchenvertreter verweisen vor allem auf drei Verspätungsgründe: So habe der 2022 ausgebrochene Ukrainekrieg mit Folgen wie dem Ende preisgünstiger Erdgaslieferungen aus Russland sowie dem Reißen der Lieferketten für Windturbinen-relevante Rohstoffe wie Stahl oder Bauteile etwa der Elektrik oder Elektronik zu höheren Kosten und höheren Turbinenpreisen geführt. Das deutet BWE-Präsidentin Heidebroek an. Nachdem so „die Kosten für die Windpark-Installationen in die Höhe geschossen waren“, seien „einige Projekte unwirtschaftlich“ geworden. Manche dieser Investoren hätten dann Projekte umgeplant oder auch Zuschläge dafür zurückgegeben, dies habe „zum Teil den Zubau verzögert“. Die Unterspülung einer für die Windenergielogistik wichtigen Straßenbrücke bei Cuxhaven sowie Lieferengpässe bei Transformatoren für die Netzanbindung neuer Windparks haben nach Aussagen der Branchenvertreter ebenfalls die Projekte verlangsamt.

Für 2025 erwarten die Branchenvertreter dagegen wieder ein deutliches Anziehen des Zubautempos auf 4,8 bis 5,3 GW – sofern die zunehmend günstigeren Bedingungen für die Projekte sich so auswirken, wie nun von den Windenergieunternehmen erwartet.

Um überhaupt erneut ein Drei-GW-Jahr zu schaffen, angesichts der erst noch bevorstehenden neuen Flächenfreigaben für Windparkprojekte durch die Bundesländer – 2022 neu angeschoben durch das sogenannte Windenergieflächenbedarfsgesetz – griffen die Windparkentwickler 2024 stärker denn je auf das Repowering zurück. Sie bauten 555 alte Windenergieanlagen ab und ersetzten sie an vielen dieser Standorte durch 224 modernere leistungsstärkere Turbinen. Hierbei gingen 706 MW Nennleistung der rückgebauten Altanlagen vom Netz im Tausch gegen 1.191 MW der neuen Anlagen, weshalb der Netto-Zubau der Erzeugungskapazität nur 2,5 GW betrug. Mit einer Rekordquote von 37 Prozent der 2024 neu ans Netz gelangten Windkraft war Repowering 2024 so bedeutend für den deutschen Windkraftmarkt wie vorher nicht. Der Quote dürfte allerdings vorerst wieder klar zurückgehen, deutet Marktexperte Quentin an. Der Grund sei, dass im Moment sehr viele Standorte für Windenergienutzung neu freigegeben seien, die bisher nicht für Windkraft genutzte Regionen für die Turbinenerrichtungen öffneten, sagt Quentin: Beispiele dafür seien „Baden-Württemberg und Bayern“.

Parallel zur beginnenden Erneuerung des alternden Anlagenbestands nehmen auch die durchschnittlichen Anlagenleistungen neu installierter Windturbinen kontinuierlich stark zu. Sie betrug 2024 bereits 5,12 MW nach 4,78 MW im Jahr davor. Auch die Rotordurchmesser nahmen mit einem durchschnittlichen Wert von nun 146 Metern wieder deutlich zu. Die regionale Verteilung des Zubaus weist derweil weiterhin eine starke Schieflage auf. Während alleine die fünf führenden nord- und mitteldeutschen Ausbauländer Sachsen-Anhalt und Brandenburg mit 262 und 360 MW sowie an der Spitze der Bundesländer Schleswig-Holstein mit 574, Niedersachsen mit 673 und Nordrhein-Westfalen mit 748 MW zusammen schon 2,65 GW und damit mehr als 80 Prozent der neu zugebauten Nennleistung verantworteten, erreichten die fünf leistungsstärksten Bundesländer in der südlichen Hälfte der Bundesrepublik zusammen rund 500 MW. Auf einer wohl noch leicht größeren Fläche erreichten sie somit nur einen Anteil am Ausbaugeschehen von 15 Prozent – und dies insbesondere noch auf Basis eines Zubaus in Rheinland-Pfalz von 200 MW, der für das Bundesland als gut gelten darf.

Wollen Sie über die Energiewende auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie einfach den kostenlosen Newsletter von ERNEUERBARE ENERGIEN – dem größten verbandsunabhängigen Magazin für erneuerbare Energien in Deutschland!