Die von einer Koalition aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen getragene schwarz-grüne Landesregierung in Kiel hat neue Standards für Umwelt- und Anwohnerschutz beschlossen, um wie bereits vereinbart bis Ende 2026 mindestens drei Prozent der Landesfläche für die Windkraftnutzung ausweisen zu können. Demnach bleiben zwar die bisherigen Mindestabstandsvorgaben für die Genehmigung neuer Windparks zu Einzelhäusern außerhalb von Ortschaften und zu geschlossenen Siedlungen bestehen. Weiterhin müssen 400 Meter oder mehr zwischen Vorranggebieten und Wohnbebauung liegen und 800 beziehungsweise 1.000 Meter zwischen den Vorranggebietsaußengrenzen und den Dörfern sowie Städten. Doch gemäß der Einigung der Landesminister entfällt die zusätzliche Mindestabstandsvorgabe in Abhängigkeit von den Turbinengesamthöhen. Bisher mussten geplante Anlagen auch mindestens mit ihrer dreifachen Gesamthöhe bis zur Spitze des nach oben ausgreifenden Rotorblatts von allein stehenden Wohnhäusern entfernt verbleiben und mindestens mit ihrer fünffachen Gesamthöhe von Siedlungen.
Landschaftsschutzgebiete schließt die Koalition zudem nicht mehr pauschal von der Ausweisung von Windenergievorrangflächen aus. Und der einzuhaltende Abstand zu Wäldern soll nun sich an der ökologischen Wertigkeit des jeweiligen Baumbestandes und Ökosystems orientieren. Auch Bannzonen um Brutplätze von Großvögeln sollen teilweise kleiner ausfallen. Und wo alte Windräder außerhalb neu ausgewiesener Vorranggebiete verbleiben, dürfen die Windenergieunternehmen und Inhaber sie durch neue leistungsstärkere und auch größere Turbinen ersetzen – also repowern. Das jeweilige Repowering darf dann aber nicht gegen öffentliche Belange oder auch Ziele der Raumordnung verstoßen. Auch für Naturschutzgebiete gibt es noch Änderungen.
Schleswig-Holstein würde damit weit mehr Landesfläche für die Windkraftnutzung ausweisen, als es dem Buchstaben nach im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) vom Juli 2022 steht. Das WindBG gibt für jedes Bundesland im Einzelnen in Abhängigkeit von der baulichen Zersiedelung der Landschaft oder entsprechend den topografischen und auch meteorologischen Möglichkeiten einen bestimmten Prozentwert für die Windenergieflächennutzung vor. Erfüllen die Bundesländer die Vorgaben des WindBG, weisen sie unterm Strich zusammen bundesweit zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraftnutzung aus. Für Schleswig-Holstein sieht das Gesetz einen Flächenbeitragswert von 2,0 Prozent der Landesfläche vor, während andere Bundesländer Beitragswerte von 1,8 bis 2,2 Prozent ihrer Landesflächen ausweisen müssen beziehungsweise die Stadtstaaten auch nur 0,5 Prozent der Landesfläche.
Doch die Vorgaben aus dem WindBG gehen von einer Kalkulation mit Windenergievorrangflächen aus, auf denen Windturbinen mit dem Turm auch noch direkt an der Außengrenze dieser Nutzungszonen zulässig sind. Die Behörden in Schleswig-Holstein dagegen weisen die Vorranggebiete nach dem Rotor-in-Prinzip aus: Hierbei dürfen die Windparkprojektierer die Standorte der Anlagen nur so planen, dass auch die zur Seite ausgreifende Rotation noch mitsamt der Blattspitze innerhalb der Vorranggebietsgrenzen stattfindet – die Anlagen mit den Rotorblättern also nicht in Nicht-Windkraft-Nutzungsland übergreifen. Um auf der sicheren Seite zu stehen, gehen die Vorranggebiets-Flächenplaner von 75 Meter Rotorblattlänge aus.
Mit drei Prozent der Landesfläche für die Windkraft, so lautet die Kalkulation der Koalitionäre im hohen Norden, erreichen diese die vorgeschriebene effektive Nutzung von zwei Prozent der Landesfläche. Außerdem sollen die schleswig-holsteinischen drei Prozent der Landesfläche ausreichen, um die Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag vom Juni 2022 des Ausbaus der Windkraft auf 15 Gigawatt (GW) bis 2030 zu schaffen. Derzeit sind 7,9 GW und damit knapp mehr als die Hälfte des Zielwertes in Betrieb. Im April 2023 hatte Landesumweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Die Grünen) erstmals die Ausweisung von drei Prozent der Landesfläche angekündigt.
Um das 15-GW-Ziel rechtzeitig bis Beginn des nächsten Jahrzehnts erreicht zu haben, will Kiel die Ausweisung des erforderlichen Anteils der Landesfläche für die Windenergievorranggebiete auf das Zieldatum von Ende 2026 vorziehen. Das WindBG sieht hingegen nur eine Ausweisung von Windkraftnutzungsarealen in der Größenordnung gerade einmal des halben landeseigenen Flächenbeitragswertes bis sogar Ende 2027 und des vollen landeseigenen Flächenbeitragswertes erst bis Ende 2032 vor.
Die Koalitionäre in Kiel wollen schon im ersten Halbjahr 2024 einen Vorschlag für die Vorrangflächenausweisung in den Regionalplänen vorlegen. Danach müssen die Regionalplanungsgremien, denen die Kommunen im Land angehören, die Vorrangflächen auf Grundlage dieser Vorschläge und unter Beteiligung der Öffentlichkeit bestimmen.
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