Eine Vision des niedersächsischen Wirtschaftsministers fürs Energieland Niedersachen im Jahre 2032 und ein neuer Anlauf zur Versöhnung von Windenergie und Naturschutz beim Ausbau speziell der Windkraft im Land sind zwei zentrale Ergebnisse des Branchentages Erneuerbare Energien Niedersachsen am Mittwoch in Hannover. Sein Ziel für das Bundesland sei es, dass bis 2032 die aus Deutschland verschwundene Solartechnikindustrie eigene Produktionsanlagen auch in Niedersachsen betreibe, die Windturbinenhersteller im Bundesland nach der Schließung wichtiger Produktionsstätten wie Rotorblattfabriken diese Fertigung wieder aus dem Ausland zurückbrächten und dass auch die Geothermie 2032 mit Projekten zu einem wichtigen Energieträger für die Wärmeversorgung des Landes geworden sei, sagte Althusmann in seiner Ansprache vor dem Branchentag. Niedersachsen müsse dadurch Anfang des kommenden Jahrzehnts, wenn Deutschland sich hauptsächlich mit erneuerbaren Energien versorge, sowohl zum Energieland Nummer eins als auch zum Erneuerbare-Energien-Industrieland Nummer eins geworden sein, sagte der CDU-Politiker.
Mit dem Zieljahr 2032 bezog sich Althusmann auf das im neuen Wind-an-Land-Gesetz (Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)) im Juli verabschiedete Regelwerk zur Ausweisung von wesentlich mehr Flächen zur Windkraftnutzung. Das WindBG schreibt vor, dass in den nächsten zehn Jahren eine allmähliche Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraftnutzung durch die Bundesländer erfolgen soll. Dabei sieht das Gesetz für die unterschiedlichen Bundesländer in Abhängigkeit von der dort vorherrschenden Windhöffigkeit oder auch Besiedlungsdichte unterschiedliche Quoten vor, die dann zusammen fürs Bundesgebiet zum Zwei-Prozent-Flächenziel führen. Für Niedersachsen ist eine Ausweisung bis 2032 von 2,2 Prozent der Landesfläche vorgesehen. Dieses Ziel habe die Landesregierung bereits als landeseigene Vorgabe festgeschrieben, sagte der Minister auf dem Branchentag.
Auf die Forderung des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), der den Branchentag jährlich veranstaltet, nach einer viel früheren Ausweisung von 2,2 Prozent der Landesfläche ging Althusmann nicht ein. Einzig eine frühzeitige Ausweisung könne den Projektierern von Windparks und den Investoren ausreichend Planungssicherheit und Vorlaufzeit für die notwendigen Projektentwicklungen geben, hatte der LEE noch vor Veranstaltungsbeginn erklärt. Den Anstoß für diese in der Windenergiebranche breit vertretene Forderung liefert ein bundesweit vorherrschender Mangel an ausschreibungswilligen Projektgesellschaften und an Genehmigungen neuer Windparks.
Außerdem sprach sich der CDU-Politiker für die Einführung eines Bürgerbeteiligungsgesetzes nach dem Vorbild Mecklenburg-Vorpommerns aus. Niedersachsen solle eine solche Regelung mit dem Effekt einer irgendwie finanziellen Beteiligung von Anwohnern neuer Windparks „bei uns auch umsetzen“, sage Althusman, um die Akzeptanz für den Windkraftausbau im Bundesland zu stärken. Widerspruch dazu gab es allerdings vom Branchenverband LEE selbst. LEE-Geschäftsführerin Silke Weyberg entgegnete hierzu noch auf dem Podium: Die Regelung aus Mecklenburg „brauchen wir nicht“, eine Beteiligung der Bürger und Kommunen sei über die im Erneuerbare-Energien-Gesetz inzwischen geregelte Abgabe von 0,2 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde an die Anliegerkommunen schon gegeben. Das mecklenburg-vorpommersche Beteiligungsgesetz ist in der Windkraftbranche wegen seines aufwändigeren Planungs- und Genehmigungsprozesses umstritten.
Gemeinsam mit dem niedersächsischen Naturschutzbund Nabu stellte der LEE Niedersachsen/Bremen auf der Tagung zudem das Ergebnis ihres gemeinsamen Projektes „Wind und Natur – Integrative Genehmigungspraxis“ vor. Eine gemeinsame Projektgruppe von Naturschützern und Branchenvertretern hatte in dem zweijährigen vom Land geförderten Projekt neue Handlungsempfehlungen erarbeitet, um den Konflikt zwischen Windparkausbau und Vogelschutz zu begrenzen. Eine integrative Genehmigungspraxis soll demnach die Konflikt- und Bearbeitungszeiten reduzieren. Die Projektleiterin Julia Stock betonte, eine Erhebung der Konflikte und Einbindung von Naturschützern schon in einer Anfangsphase der Planung und mittels eines transparenten Verfahrens könne frühzeitig Windparkplanungen und Naturschutzanliegen versöhnen. Weitere Forderungen aus dem Projekt seien eine bessere personelle Ausstattung der Genehmigungsbehörden zur Bearbeitung nicht zuletzt der Naturschutzkonflikte, die dazu gehörende Idee eines Personalpools von Experten auf Landesebene, aus dem sich die Genehmigungsbehörden Experten ausleihen können, eine Mediationsstelle auf Landesebene mit unabhängigen Mediatoren, eine durch die Landesregierung geförderte wissenschaftliche Erhebung von Daten über das Vogelverhalten im Umfeld von Windenergieanlagen sowie beispielweise auch eine genaue Definition dessen, was eine Störung im Sinne des sogenannten Störungsverbotes ist: Die auf Landesebene bestimmten Störungsverbote sollen verhindern, dass Windparks die Vögel beim Brüten und Jagen so stören, dass es deren Vermehrung und Ernährung gefährdet. Benötigt werde eine Liste von störungsgefährdeten Vögeln ähnlich einer jüngst im Bundesnaturschutzgesetz festgehaltenen Liste von Vögeln, deren Arten durch Tötung infolge von Kollisionen mit den Rotoren gefährdet sind, sagt auch die LEE-Vorsitzende Bärbel Heidebroek.
Der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann betonte: „Wir vom Nabu wollen sowohl Windenergievorhaben vorantreiben als auch Vogelarten erhalten“. Klimaschutz durch Stromerzeugung frei von Klimaerwärmung antreibenden Kohlendioxid-Emissionen einerseits sowie Artenschutz andererseits seien gleichermaßen Ziele des Nabu.
Der Naturschutz werde auch von Anwohnern benutzt, die sich nur persönlich von den Anlagen gestört fühlten, räumte Buschmann ein. Sie würden im Namen des Artenschutzes die Windenergievorhaben durch juristische Klagen zu verschleppen oder zu verhindern versuchen. Doch nur in einem einzigen Fall habe der Nabu in den vergangenen Jahren durch Beteiligung an Klagen gegen ein Windprojekt dieses zu verhindern versucht. In der Regel hätten Beteiligungen des Nabus an Klagen sogenannte Vergleiche zum Ziel gehabt und erreicht, die zu individuellen Lösungen für die einzelnen Projekte wie teilweisen Abschaltungen von Windkraftanlagen in Zeiten von viel Vogelflug gekommen sei. Dennoch gelte der Naturschutz weiterhin als einer der Hauptverzögerungsursachen für Windparkprojekte, sagte LEE-Vorsitzende Hedebroek.
Wollen Sie regelmäßig Informationen über die regionale Energiewende erhalten? Dann buchen Sie doch unseren kostenlosen Newsletter. Hier können Sie ihn abonnieren.