"Ist es klug, sich in dem Moment aus der Dynamik des Regenerativmarktes zu ziehen, wenn die Kosten für erneuerbare Energien niedriger werden als die fossilen Energien?", fragte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck am gestrigen Dienstag zur Eröffnung der Windwert 2016 der Windcomm im Kieler Schloss. Er gab die Antwort selbst: "Das ist dumm." Jetzt das Geschäft Ländern wie China zu überlassen, sei nicht sinnvoll. Er attackierte damit die Bundespolitik. Die Regierung hatte gerade vor der Sommerpause das EEG 2017 verabschiedet. Vieles deutet darauf hin, dass der Ausbau der Erneuerbaren und speziell der Windkraft künftig langsamer vonstatten geht.
Ein Dorn im Auge für Habeck: "Deutschland müsste beim Ausbau doppelt so schnell sein wie momentan - so schnell wie Schleswig-Holstein." Ein Bundesland allein kann das aber nicht leisten. "Das schafft kein Politiker allein. Jede einzelne Windenergieanlage, jeder Strommast ist eine Herausforderung", gibt Habeck seine Erfahrung wieder - in einem Bundesland, das zwar reichlich Windkraft hat - aber inzwischen auch reichlich Bürgerproteste gegen die Windkraft.
Der Umweltminister betont, die Regierung in Schleswig-Holstein habe ihre Hausaufgaben gemacht. In kaum einem Land geht der Netzausbau so zügig voran, wie in dem Nordland. Der erste Abschnitt der Westtrasse sei umgesetzt, die Mittelachse sei gerade im Entstehen. "Wir sind drei bis fünf Monate über dem Zeitplan - in vier Jahren. Das ist beispielhaft", erklärte er.
Was das EEG 2017 anbelagt, verwies Habeck darauf, dass die Nordländer noch einige Verbesserungen für die Bürger erkämpft haben. Gleichwohl wird es künftig schwieriger für Bürgerwindparks, zum Beispiel durch die künftigen Ausschreibungen. Aber auch in Schleswig-Holstein selbst kann die Regierung nicht mehr so agieren wie bisher: "Die Bürgerbeteiligung ist uns aus der Hand geschlagen worden." Jetzt müsse jede Windenergieanlage genauso behandelt werden wie ein Autohaus oder ein Pizzabude. "Wir werden hier in die Anhörung gehen", versprach er. Von seinen Zuhörern verlangte er, die Planung von Windkraft müsse noch besser werden. Es dürfe kein Platz verschenkt werden. "Wenn wir mit der Fläche aasen, brauchen wir nicht zwei Prozent der Landesfläche für die Windkraft, sondern drei Prozent oder noch mehr, um die Ziele zu erreichen." Und auch die Volllaststunden hätten sich nicht wie erwartet entwickelt. "Bauen Sie keine Windmonster, sondern Anlagen die Volllaststunden bringen", appellierte er.
Ein weiteres Anliegen war Habeck die Sektorkopplung. Nicht nur Strom sein wichtig, sondern auch Mobilität und Wärme. "Wir müssen jetzt schon anfangen, andere Regenerativbereich zu durchdringen. Wir müssen in die Praxis kommen", forderte er. Angst sei bei diesem Thema der falsche Ratgeber. "Verstehen Sie sich nicht nur als Windmüller, sondern als Sektorkoppler." Zwei ebenfalls wichtige Aspekte waren für Habeck an diesem Vormittag noch das Thema Preissignal und die gesellschaftliche Akzeptanz. Zum Thema Preissignal erklärte er, fossiler Strom müsse teurer werden. Gleichzeitig müsse man über eine Entlastung der Erneuerbaren nachdenken. Es müsse auch eine Win-Situation für diejenigen Entstehen, die den Regenerativstrom bezahlen. "Wenn wir 2050 eine Komplettausstieg aus den Fossilen wollen, müssen wir gesellschaftliche Akzeptanz haben. Möglichst viele Menschen müssen Profiteure der Energiewende sein. Wenn Bürgerwind kaputt geht, haben wir mit dem Hintern das eingerissen, was Sie aufgebaut haben." Mit diesen markigen Worten verabschiedete sich Habeck. Die rund 200 Gäste auf der Windwert zeigten sich angetan vom engagierten Ton des Ministers. Er erntete reichlich Applaus. Im Verlauf der Veranstaltung folgten weitere spannende Themen zu Rechtsfragen, Vogelschutz, neuen Technologien und Cyberattacken. (Nicole Weinhold)