Große Zahlen vermeldete die Deutsche Windtechnik zum Jahresende – inklusive jüngst abgeschlossener Wartungsverträge betreut das herstellerunabhängige Serviceunternehmen nun 1.516 Windenergieanlagen im Rahmen von langfristig angelegten Serviceabkommen. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass etwa 80 Prozent der 2013 abgeschlossenen Verträge Vollwartungsverträge waren. Der Komplettservice hat sich seit einigen Jahren in Deutschland fest etabliert.
Der Service für Windturbinen hat sich zu einem vielumkämpften Markt entwickelt, in welchem es alle erdenklichen Trends und Möglichkeiten gibt – vom Basisservice bis zum Vollwartungsvertrag. Was ist die beste Option?
Die garantierte technische Verfügbarkeit der Anlage beim Vollwartungsvertrag sorgt dafür, dass sich Betreiber kaum um den Zustand ihrer Turbinen sorgen müssen. Denn der Servicedienstleister ist selbst an Schadensvorsorge, Früherkennung und frühzeitiger Behebung interessiert. Die garantierte technische Verfügbarkeit und die Vermeidung höherer Schadenskosten treiben zur Sorgfalt.
Vollwartung oder Basisvertrag?
Vollwartungsverträge werden derzeit hoch gehandelt, sind jedoch nicht immer das Rundum-Sorglos-Paket, als das sie bezeichnet werden. Der Teufel steckt im Detail: Welche Leistungen der Vertrag genau beinhaltet, ist entscheidend. So ist beispielsweise die Frage, was bei einem Totalschaden der Anlage passiert, oft ungeklärt. Christian Schnibbe, Sprecher der WPD AG, sieht Vollwartungsverträge nicht unkritisch. „Sie sind ein Rundum-Sorglos-Paket, das relativ teuer eingekauft wird. Ob das im Einzelfall die richtige Lösung ist, bleibt fraglich.“ Schnibbe ist überzeugt, dass gerade für Betreiber mit einer größeren Anzahl von Anlagen „Vollwartungsverträge mit Blick auf die Kosten nicht automatisch die effizientere Lösung sein müssen.“
Da lassen sich durch alternative Verträge Kosten sparen. WPD wägt also genau ab, wann Vollwartungsverträge Sinn machen. „Es ist eine Fall-zu-Fall-Entscheidung. Die Frage, die wir uns stellen: Gibt es eine Häufigkeit von Problemen oder nicht? Am Ende des Tages ist es eine Rechnung.“ Dennoch setzt WPD für Anlagen ab Baujahr 2006 bis heute zu 99 Prozent auf Vollwartungsverträge. Die Vorteile dieses Pakets scheinen für den Betreiber zu überwiegen. Das Konzept sei jedoch von Windpark zu Windpark stets eine individuelle Entscheidung, so Schnibbe.
Johannes Heidkamp, Ge-schäftsführer der Enertrag Service GmbH, ist ebenfalls der Ansicht, dass nicht jeder Vollwartungsvertrag notwendig ist und dass es einen berechtigten Markt für das Basiswartungsgeschäft gibt. Vielfältigkeit sei in diesem Feld in jedem Fall eine positive Sache.
Welcher Service der beste ist, hat zudem nicht nur etwas mit der Frage zu tun, ob Vollwartung oder nicht. Die Servicequalität hängt von Fähigkeiten, Engagement und Management der einzelnen Anbieter ab. „Wir haben in der Vergangenheit unterschiedliche Dienstleistungen erlebt, sehen aber überwiegend, dass Qualität und Engagement auf einem guten Weg sind“, sagt etwa Christian Schnibbe über bestehende Vollwartungsverträge mit Enercon, Vestas sowie der eigenen Tochterfirma, der Deutschen Windtechnik AG: Die Servicedienstleistungen wurden seiner Meinung nach in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und den Marktanforderungen angepasst. Der gesteigerte Wettbewerb durch herstellerunabhängige Anbieter sei dabei hilfreich. Dennoch gibt es hin und wieder Probleme. „Diese sind vielfältig und individuell – von fehlenden Ersatzteilen oder zeitlichen Verzögerungen bei Großkomponenten bis zu wünschenswerten zeitnahen Einsätzen der Serviceteams“, so Schnibbe. Nichtsdestotrotz funktionieren die Partnerschaften, indem bilateral Lösungen gefunden werden – meistens. Andernfalls ist der Wechsel des Anbieters durchaus nicht unüblich, was auch die Serviceumfrage des BWE jährlich untermauert. Laut Schnibbe funktionierte das bei WPD bisher relativ geräuschlos.
Andere Betreiber sammelten gegenteilige Erfahrungen und zogen ihre Konsequenzen daraus.„Wenn ich ein paar Jahre zurückgehe, gab es eine ganz wilde Zeit im Windbereich“, so Enertrag-Mann Heidkamp. „Die Windenergieanlagenhersteller waren bemüht, ihre Aufträge termingerecht zu erfüllen. Für den Kundendienst hatte man oft keine ausreichenden Ressourcen und Kapazitäten mehr.“ Damals blieb der Betreiber mitunter auf der Strecke. „Wenn Sie einen Servicemonteur benötigten, mussten Sie sich oftmals gedulden.“
Solche Frustrationsmomente führten dazu, dass Enertrag 2006 einen eigenen Betreiberservice ins Leben rief, den die Planer aus Dauerthal seit 2008 auch am freien Markt anbieten. Die Gelegenheit dazu bot sich, als der Hersteller Dewind insolvent wurde. „Enertrag hat sich dann überlegt, den Service dieses Herstellers zu übernehmen“, berichtet Heidkamp. „Die Tendenz, dass sich herstellerunabhängige Serviceunternehmen gebildet haben, hat vor circa zehn Jahren angefangen, weil die Unzufriedenheit mit dem Herstellerservice immens war.“ Es gab zunächst viele kleinere Firmen und einzelne Monteure, die sich selbstständig machten. „Heute stellt sich der Windservicemarkt so dar, dass es neben den Herstellerservices drei größere herstellerunabhängige Serviceprovider und eine Reihe von kleineren Serviceunternehmungen gibt. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt in den nächsten Jahren konsolidieren wird“, so Johannes Heidkamp.
Juwi: Eigenes Know-how
Bisher führen in Deutschland vergleichsweise wenige Betreiberfirmen wie Enertrag selbst Wartungsarbeiten und Instandsetzungen an eigenen oder fremden Windkraftanlagen durch. Dagegen bevorzugen im internationalen Windgeschäft eine ganze Reihe von Unternehmen die Wartung und Inspektion im Rahmen der eigenen Betriebsführung. „Große Independent Power Producer wie zum Beispiel Iberdrola, Vattenfall, Dong und Scottish Power, aber auch Firmen aus der Regenerativbranche tendieren zu diesem Konzept“, erklärt Klaus Krüder, Managing Director der Juwi Operations amp; Maintenance GmbH und ehemaliger CEO der Voith Industrial Services Wind GmbH. Dong Energy Deutschland gibt an, bis auf den Service im Rahmen der Gewährleistung keinerlei Erfahrungen mit fremden Dienstleistern zu haben. Wenn die Gewährleistung abläuft übernehmen sie den kompletten Service selbst – und das war nie anders. Eigenes Know-how wurde von Anfang an großgeschrieben.
Zufrieden mit dem eigenen Service
Die Juwi-Gruppe aus Wörrstadt hat auch den letzten Schritt zur Unabhängigkeit gewagt und vor drei Jahren den erfahrenen Serviceleiter Klaus Krüder der Firma Voith eingekauft. „Wir haben 2011 den eigenen Service ins Leben gerufen, um Know-how zu generieren und gleichzeitig Kontrolle über die Kosten zu haben“, führt Krüder aus. Juwi ist dadurch unabhängig von externen Servicedienstleistern. „Außerdem ist eine nahtlose Betreuung aus einer Hand garantiert – vom Beginn des Projekts bis hin zum kompletten Betrieb beziehungsweise der Gesamtlaufzeit der Investition.“ Offenbar sind diejenigen Betreiber, die über einen eigenen Komplettservice verfügen, mit ihrer Entscheidung zufrieden. Zumindest wollen die meisten an der Inhouse-Lösung festhalten.
Klaus Krüder sieht das genauso. Er begründet: „Die energetische Flottenverfügbarkeit von mehr als 98 Prozent gegenüber dem Marktbenchmark von 97 Prozent spricht eine deutliche Sprache.“ Des Weiteren erreiche man mit der in Arbeit befindlichen Echtzeitdatenerfassung, die praktisch als interne Schadensdatenbank genutzt werden kann, bald die nächste Entwicklungsstufe.
Die Vorteile des eigenen Service liegen auch für Johannes Heidkamp klar auf der Hand: Betreiber wissen genau, was es bedeutet, wenn eine Anlage steht. „Alle werden nervös und sind hochgradig bemüht, diese Anlage so schnell wie möglich wieder ans Netz zu bringen“, erklärt er. „Hier sind die Prioritäten der Herstellerservice beziehungsweise der markenunabhängigen Serviceprovider manchmal anders gelagert.“ Der Betreiber ist am meisten daran interessiert, dass der Service klappt. Da erscheint es nur konsequent, diesen selbst in die Hand zu nehmen.
( Sina Graßhof)