Die aktuellen Ziele der Beschlüsse zum Klimaschutz, das Klimaschutzabkommen von Paris und die daraus resultierenden deutschen und europäischen Ziele verlangen ein entschlossenes Handeln bei der CO2-Reduktion. Die elektrische Erzeugung aus Braunkohle muss durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Die Sicherung der Energiezuverlässigkeit macht es daher in den kommenden Jahren erforderlich, die Binnenwindanlagentechnik weiterzuentwickeln. Es ist an der Zeit, den Höhenwind zu ernten. Es geht um die Nutzung des Windes in den unteren troposphärischen Schichten ab 200 Meter Nabenhöhe und mit Antrieben von acht Megawatt (MW). Denn so kann durch höhere Windgeschwindigkeit und bessere Volllaststundenzahl der Energieertrag pro Anlage deutlich gesteigert werden, während die Erzeugungskosten minimiert werden.
Konstruktive Erfahrungen
Diese Vorgaben stehen auf gesicherten systemtechnischen und konstruktiven Erfahrungen von Anlagen, die sich Jahrzehnte in der Tiefe des Bergbaus und im Tagebau bewährten: Zwölf-MW-Antriebe oder in Chile 20 Kilometer lange Gurtbandanlagen, die nach 19 Jahren im Dauerbetrieb das erste Mal gewechselt wurden. Oder an der Abraumförderbrücke F60, einem rund 200 Meter langen Bandausleger, der in senkrechter Lage dem Ziel der neuen Turmhöhe entspricht. Auch geteilte Ringe großer Drehverbindungen für über tausend Tonnen schwere Schaufelradbagger oder die mehrteilige Kreisbahn in 250 Meter Höhe für den Berliner Fernsehturm-Kran bei dessen Errichtung sind Beispiele.
Das Verbinden erprobter, bewährter Technik mit den Chancen neuer Werkstoffe, Verfahren, Elektronik, IT und Logistik neuen Stils eröffnet neue Möglichkeiten für den Höhenwind.
Neue Binnenwindanlagen dieser Bauart erfordern im Vorfeld umfassende Abstimmungen mit Institutionen (TÜV, DIBT und anderen), Behörden und dem Gesetzgeber, damit Grundfragen zur Standortwahl und Zulassung, zum Immissionsschutz, zu Veränderungen im Kapitel Akzeptanz, zu Fragen der elektrischen Leitungen, zu Kraftwerks- oder Windparkfragen und anderen verbindlich und progressiv geklärt werden.
Turmkonzept für Windräder
Das Turmkonzept begründet sich in der neuen Windrad Turmstruktur. Die gewohnte Belastungsart – Biegebeanspruchung auf 360° – wird verlassen. Die Drehbarkeit des Turms wird für eine neue Turmhauptachse eingeführt. Die horizontale Spreizung der Drucksäulen – zum Beispiel zwei mal 30° – untereinander und die senkrechte Spreizung von mehr als 10° gegenüber der Vertikalsäule lassen eine Optimierung der als Zug- und Druck-auftretenden Hauptkräfte aus der Rotorkraft zu.
Die tragenden drei Turmsäulen ruhen auf Stütz- und Fahrwerken, die auf der Kreisbahn automatisiert stets die optimale Stellung des Rotors im Wind einnehmen. Die Vertikalsäule verkraftet die elastische Blattverformung und kann wahlweise als Rohrkonstruktion oder als Stabfachwerk ausgeführt werden. Die Entscheidung zur Designarbeit trifft der AN nach seinen Vorgaben. Auch für die Kreisbahn gibt es bewährte Vorlagen von schweren Containerbrücken, aus dem Großantennenbau, aus dem Ariane-Hausprogramm oder vom TV-Turmkran Berlin in 250 Meter Höhe.
Im Mittelpunkt der Kreisbahn übernimmt das Zentralfundament inklusive Zugkraft die Gewährleistung der Standsicherheit. Die Kreisbahn für den drehbaren Turm kann nach begründeter Auswahl in zwei Varianten ausgeführt werden: Entweder steht die Vertikalsäule im Mittelpunkt der Kreisbahn mit 25 Meter Radius und beide Stütz- und Fahrwerke der Drucksäulen bewegen sich um die Vertikalsäule oder alle drei Säulen bewegen sich mit ihren Stütz- und Fahrwerken auf der Kreisbahn (siehe Grafiken).
Antrieb im Turmfuß
Das zweite entscheidende Element des neuen Binnenwindanlagen-Konzepts ist die Verlegung des elektrischen Antriebs in den Turmfuß, das heißt, es erfolgt die Entlastung der Nabenhöhe um die Eigenmassen der bisherigen Antriebsteile in der Gondel. Die angestrebten Vergrößerungen der Nabenhöhe mit stärkeren Antrieben führten immer deutlicher an die Grenze des Machbaren bezüglich der Logistik und Hebezeugkapazität zum und am Standort.
Die Anforderungen des Brandschutzes, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in diesen großen Höhen, in denen keine gezielten Löscharbeiten möglich sind, stellen neue Anforderungen an kluge Schritte und Eigenschaften für Bedienung, Wartung und Kontrollen, die es zu verbessern gilt. Und dazu gehört die Einführung geeigneter Antriebe im Turmfuß.
Das Rotordrehmoment wird von der Rotorwelle neben der Rotorbremse auf die obere große . Gurtscheibe des neuen Antriebs übertragen. Ein neuer, besonders klug gestalteter drahtseilverstärkter und endlos-schlaufenbildender Treibgurt läuft über passende Führungswalzen und mit einem bestimmten Übersetzungsverhältnis im Inneren der Vertikalsäule nach unten auf die zugehörige untere Gurtscheibe. Auf der die exakte Gurtspannung garantierenden Generatorplattform wird das Drehmoment mit der richtigen Drehzahl auf den Drehstromgenerator übertragen. Damit bewährte und wirtschaftlich günstige Zulieferungen eingesetzt werden, wird die Leistung des Rotors von acht MW triebstrangverzweigt auf zwei Generatoren mit n = 200 min-1 und jeweils 4.000 kW Leistung übertragen. Die Gurte überwachen sich durch eingebaute Sensoren selbst, sodass keine unerwarteten Gurtschäden auftreten. Die Entlastung des Turms um die hohen Gondel- und Antriebsteil-Eigenmassen trägt spürbar zur Reduzierung der Turmeigenmasse bei.
Mit praktischen Ergebnissen aus dem Einsatz von BWA mit 200 m Nabenhöhe (NH) und Antrieb im Turmfuß sowie mit Erkenntnissen aus der Erforschung des Höhenwinds bis 400 m und der Schaffung von Rotoren bis 220 m sind Anlagen mit 300 m NH und mit Erträgen von mehr als 100 Gigawattstunden pro Jahr möglich.
Diese Publikation in den Sonderseiten WINDINNOVATION in Ausgabe 6/2018 und an dieser Stelle online sollen aufzeigen, dass das Lösungskonzept für die BWA 200 m NH/8 MW (Bild Seite 5) verfügbar ist, und von einem interessierten Unternehmer mit seinem Team, meiner Unterstützung und in Zusammenarbeit mit den Zulieferern umgehend in das Design des Pilotprojekts übergeleitet werden kann.
Weitere Informationen: horst.bendix@t-online.de