Rund 250.000 Windturbinen leisten weltweit Jahr für Jahr meist still und zuverlässig ihren Dienst. Doch hin und wieder geht eine von ihnen spektakulär in Flammen auf. Das belastet nicht nur den Geldbeutel ihres Herstellers, Betreibers oder Versicherers, sondern schadet auch dem Renommee der ganzen Branche.
Ein kleines Team von Wissenschaftlern aus Schottland, England und Schweden hat nun versucht, das Phänomen Feuer in Windturbinen wissenschaftlich anzugehen. Was nicht einfach war: „Es gibt praktisch keine Fachliteratur zu diesem Thema“, sagt Ricky Carvel, Ingenieur mit Schwerpunkt Brandschutz an der Universität Edinburgh. „Die verfügbaren Informationen beschränken sich auf Zeitungsartikel, Pressemitteilungen und sehr zurückhaltende Stellungnahmen der Hersteller und Betreiber.“
Wissenschaftliches Neuland
Die Forscher haben nun anhand der wenigen verfügbaren Informationen eine erste wissenschaftliche Grundlage aufgebaut. Ihre Studie „Overview of Problems and Solutions in Fire Protection Engineering of Wind Turbines“ dokumentiert einige Brandfälle, nennt mögliche Brandursachen und Gefahrenquellen sowie einige Ansätze, die Brände zu vermeiden. „Wir wollten eine Diskussion zum Thema Brandschutz anstoßen“, sagt Carvel.
Die Bedeutung des Themas machen sie daran fest, dass es jährlich nach groben Schätzungen weltweit 117 Brandfälle in Windturbinen gebe. Auf diese Zahl kommen die Forscher aufgrund von Turbinenbränden, die Anti-Windenergie-Organisationen dokumentiert haben. „Sie sind die zuverlässigste verfügbare Informationsquelle. Wir haben ihre Daten so gut wie möglich verifiziert“, sagt Carvel. Die dokumentierten Fälle wurden mit dem Faktor zehn multipliziert – so groß sei etwa der Unterschied zwischen allen öffentlich dokumentierten Schadensfällen und der Zahl von Schäden, die der britische Branchenverband Renewable UK nennt.
Wenige Fälle, aber schwere Schäden
„Insgesamt zeigt sich, dass die Zahl der Brände sehr gering ist. Gleichzeitig ist der Schaden pro Brand unnötig hoch“, sagt Carvel. In 90 Prozent der Fälle würden die Turbinen gänzlich zerstört oder der Brand zerstört Großkomponenten, was zu Hunderttausenden Euro Schadenssumme führt.
„Wenn Brände zu einem Komplettverlust der Anlage führen, handelt es sich um ein Problem auf konstruktiver Ebene“, sagt Carvel. Das sei lösbar, beispielsweise passiv durch Spezialbeschichtungen, Brandschutzkabel oder aktive Löschsysteme. „Die Frage ist, welche Barrieren können wir einbauen, um die Kettenreaktionen vom kleinen Brand bis zum Totalschaden zu unterbrechen“, sagt Carvel. Das könnte der nächste Schritt sein. Zunächst aber wartet er auf Rückmeldungen aus Forschung und Industrie. Das bisherige Feedback fiel gemischt aus, wohl weil das Thema recht heikel für Hersteller, Betreiber und die Akzeptanz sein kann. „Ein Teil der Industrie sieht ein Problem darin, dass ein kleines Feuer so groß werden kann, dass es die gesamte Turbine zerstört“, sagt Carvel. „Der andere will das Thema nicht in der Öffentlichkeit sehen und schweigt.“
Die Studie ist kostenlos verfügbar unter iafss.org/publications/fss/11/200
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von September 2014 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.