In jedem Markt, der Reife erlangt hat (also in einer gewissen Art zum Massenmarkt wird), greifen dieselben Daumenschrauben: die Nachfrage übersteigt schnell die Produktionskapazitäten, das schnelle Wachstum kann Schaden bei Organisation und Produktqualität zur Folge haben und die Verwirrung wird komplettiert durch marodierende Unternehmensberater, die Schlagwörter wie "Effizienz" und "Prozessoptimierung" skandieren. Während in vielen Branchen die Verwaltungsebenen für Jahre mit der Einfühung eines SAP-Systems oder Vergleichbarem aus dem Verkehr gezogen werden, um das Mantra rund um die Prozesse in die Tat umzsetzen, läuft es in der Produktion etwas anders.
In Wahrheit geht es oft um Marktmacht. Denn hinter den Begriffen wie Standardisierung und Professionalisierung stecken nicht selten Verbände, die von Großunternehmen benutzt werden, um zu erfahren, wer wie arbeitet. Und mit Standardisierungsdiskussionen erfährt man nicht nur mehr über die Konkurrenz sondern verfügt auch über ein Kontrollmaß was die Prozessqualität angeht. Wer Standards durchsetzt, ist nicht nur ein spannender Gesprächspartner für die Presse, der hat auch spezielle Ingenieure, die nur dafür abgestellt sind, die Verfahren zu koordinieren. Die Verfahren laufen oft nach einem vergleichbaren Muster ab: Dabei schaut man gern auf das Übertragen von Aufgaben vom Menschen auf künstliche Systeme. Und so verwundert es auch kaum, dass bestimmte IT-Unternehmen schon verdächtig früh mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es um das Beschulen der zur Standardisierung freigestellten Mitarbeiter geht.
Es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Abhängigkeit gegenüber Mitarbeitern, die oft im eigenen Unternehmen ausgebildet wurden, abzugeben an Softwarefirmen und Softwareentwickler, die alle zwei Jahre das Rad neu erfinden und IT-Lösungen hin und her migrieren, updaten, patchen, restrukturieren und dann hübsche Kolonnen an Manntagen und Lizenzkosten produzieren.
Es gibt eine Unzahl an Robotern bei der PV-Modul-Produktion und auch schon in den Lackierstraßen der Rotorblattproduzenten sowie bei der Fertigung der Maschinenhäuser hat die Automatisierung zugeschlagen, aber den unausgesprochen Gedanken, man könne mit mehr IT den billigen asiatischen Produktionskosten Paroli bieten, gilt es zu Ende zu denken. Denn der Begriff Massenmarkt bezieht sich nur bei einem jungen Absolventen auf hohe Stückzahlen. Gerade der Zubau bei Windenergieanlagen wird aber in den nächsten 10 Jahren auf rund 600 GW installierte Leistung ansteigen, wenn man den eingängigen Studien und Schätzungen glauben schenkt. Aber es ist nicht davon auszugehen, dass Firmen Zehntausende Turbinen im Jahr fertigen. So erklärte auch Thomas Herdan, Geschäftsführer des VDMA: " Bei der Professionalisierung und Standardisierung von Prozessen stehen wir dort, wo wir sinnvollerweise stehe sollten."
Die Auguren der IEA gehen von einer Reife der WEA-Produktion von circa 75% des technisch Möglichen aus. Es ist also nur noch wenig Luft nach oben. Diese letzten 25 Prozent werden nicht mittels Automatisierung sondern eher durch Grundlagenforschung bei Werkstoffen und durch präziseres Auswerten von optimierten CM-Systemen erreicht - ganz zu schweigen vom völligen Neuland, das die Floating-Technik betritt.. Im Onshorebereich ist es also "nur" noch Feintuning, das in etwa mit den Mechanikern bei der Formel 1 vergleichbar ist. Die nötigen Innvationen für das letzte Viertel kommen also durch hochkomplexe Experimente zustande, die dann in die Serie einfließen. Prozessoptimierer sind dabei kreativen Köpfe, die findige Ideen so umsetzen, dass sie den anderen davonfahren und nicht IT-Spezialisten, die Slalomstangen aufbauen, damit die Prozesse in geordneten Bahnen ablaufen. (jw)
Dies ist eine Replik auf die Roland-Berger-Studie "From Pioneer to Mainstream" zum Thema Professionalisierung in der Windeergiebranche. Mehr zum Thema finden Sie auch in der Septemberausgabe der Erneuerbare Energien ab Seite 104.