Rheingau, Taunus, Main-Kinzing, Odenwaldkreis. Dort brummt es gerade richtig, da wird protestiert und debattiert. Ja, da wird so gedichtet gegen die Windkraft – wie in den Zeitungen dieser Tage zu lesen ist. Und immer wieder vermischen die Gegner zweierlei Termini in diesem Zusammenhang, die so gar nichts mit einander zu tun haben: Natur- und Kulturlandschaft. Geht es um schützenswerte Habitate? Unberührte Natur? Oder ist die Rede von Weinanbaugebieten, Fichtenmonokulturen, Agrarflächen? Dazu gleich mehr.
Wer protestiert? Ein paar Beispiele: In Eltville, Rheingau, seien es „Künstler gegen Windkraft – Bürgerinitiative beschwört Schönheit des Rheingaus“. Ein Winzer und Mitglied des Vereins Pro Kulturlandschaft Rheingau wird zitiert mit der Frage, ob die sensible Kulturlandschaft 200 Meter hohe Anlagen vertrage. Der Weinbau, so erklärt er, „könnte in Mitleidenschaft gezogen werden, 25 Prozent weniger Touristen kommen“. Der Vorsitzende des Rheingauer Kunstvereins trägt ein selbst geschriebenes Gedicht über Windräder vor, jemand anders zitiert die Mundartdichterin Hedwig Witte, welch „Kronjuwel deutscher Regionen“ der Rheingau sei.
Anderes Beispiel: Auf Einladung des FDP-Ortsverein von Bad Lippspringe diskutierten Windkraftpionier Johannes Lackmann und ein Sprecher der Bürgerinitiative „Lärmstopp Eggevorland“, Heinrich Brinkmann. In der Zeitung ist von „zahlreichen Wortgefechten zwischen beiden Experten und lautstarken Einwänden der Zuhörer“ die Rede. Lackmann erklärte, es gebe keinen negativen Zusammenhang von Windkraft und Tourismus. Die Zeitung berichtet weiter: „Empörte Zwischenrufe aus dem Publikum und Aussagen Heinrich Brinkmanns, die genau in die andere Richtung zielten: „Die Ärztekammer warnt eindeutig vor Windenergie. Was machen Menschen mit Tinnitus, die sich in Bad Lippspringe erholen wollen?"
Täglich gibt es eine Vielzahl weiterer Beispiele in den Zeitungen für Bürgerproteste gegen die Windkraft. Diese sollte man Ernst nehmen, denn dahinter stehen zum Teil Existenzängste – etwa wenn es um die Sorge geht, der Tourismus könne unter der Windkraft leiden. Zum Teil ist es auch die Angst vor dem Unbekannten, das vielleicht sogar laut oder gefährlich ist. Hinzu kommt die Ablehnung einer Veränderung in der bekannten, gewohnten Kulturlandschaft: Seit vielen Jahren kennen wir unsere ökologisch wertlose Agrarlandschaft mit ihren Felder. Auch den Anblick von Strommasten, Straßen und Häusern sind wir gewohnt. In vielen Regionen Süddeutschland ist die Windkraft dagegen etwas Neues, ein Anblick, an den man sich erst gewöhnen muss. Eine andere Art von Kulturlandschaft entsteht, eine Kulturlandschaft für den Schutz des Klimas und für die Energiewende, die meist auch von den Bürgern gewollt ist.
Wichtigster Punkt dabei ist die frühzeitige Aufklärung der Bürger, die informiert und nicht übergangen werden wollen. „Über 10.000 Menschen haben gegen den weiteren Ausbau von Windkraft-Anlagen unterschrieben. Sie fordern ein Mitsprache-Recht bei der Planung.“ berichtet die Presse im Main-Kinzing-Kreis. Sich der Diskussion zu stellen, ist der einzige Weg. Am besten mit guten Argumente – mit Untersuchungen zum Einfluss von Windkraft auf Tourismus. Mit Untersuchungen zu Lärm, vermeintlichen Gesundheitsrisiken durch Infraschall und so weiter. Dass letztlich immer einige übrig bleiben, die nicht zu überzeugen sind, das gehört dazu.
Aber dafür darf man das Beispiel Norddeutschland positiv verbuchen: In Nord- und Ostfriesland hat man längst eine potenzielle Vollversorgung über 100 Prozent Windkraft erreicht – die Touristen sind trotzdem da. Und die Bürger beschweren sich auch nicht. Für sie gehört die Windkraft längst zur Kulturlandschaft wie Kühe und Schafe. (Nicole Weinhold)