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Solarstrom in Indien

Unregelmäßigkeiten im Bieterverfahren

Das indische Centre for Science and Environment (CSE) in Neu Delhi behauptet, dass in der ersten Ausschreibungsrunde des nationalen Solarausbauprogramms Jawaharlal Nehru National Solar Mission (JNNSM) am 10. November 2010 ein Unternehmen unrechtmäßig den Zuschlag für insgesamt neun Projekte bekam. Auf der Anklagebank sitzt Lanco, ein großer Infrastrukturkonzern mit Hauptsitz in Neu Delhi. Nach Informationen des CSE soll Lanco insgesamt sieben Scheinfirmen gegründet haben, die von Mitarbeitern von Lanco oder ihren Verwandten geleitet werden bzw. enge Geschäftsbeziehungen zu dem Infrastrukturkonzern haben. Damit konnte Lanco die im Programm vorgesehene Limitierung der Projektanzahl und der zu installierenden Leistung umgehen.

Nur ein Projekt pro Unternehmen

Nach den Regeln des JNNSM darf ein Unternehmen nur eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von maximal fünf Megawatt und eine Solarthermieanlage mit einer Gesamtleistung von 100 Megawatt bauen. Für diese Anlagen erhalten die Betreiber für 25 Jahre nach Fertigstellung eine feste Einspeisevergütung. Mit der Gründung von Scheinfirmen hat Lanco aber insgesamt den Zuschlag für Projekte mit einer Gesamtleistung von 235 Megawatt der insgesamt ausgeschriebenen 620 Megawatt bekommen. Das wären etwa 40 Prozent der gesamten in der ersten Runde zu vegebenden Leistung.

Das CSE begründet seine Vorwürfe damit, dass alle Unternehmen nur für das Bieterverfahren gegründet wurden, alle Unternehmen ihr Aktienkapital erhöhten und am gleichen Tag – am 31. Dezember 2010 – Vorzugsaktien herausgaben. Zwar gingen diese Aktien nicht direkt an Lanco, tauchen aber im Jahresbericht des Konzerns auf. Außerdem haben Lanco und die anderen sieben Bieter ihre Anträge in ein und derselben Form und mit ein und demselben Tarif gestellt, die ein und derselben Person unterschrieben hat – ein Mitarbeiter von Lanco.

Rechtmäßigkeit fraglich

Lanco räumt zwar ein, dass es Anteile an den Unternehmen hat und diese bei der Antragstellung unterstützte, doch bewege sich diese Unterstützung im rechtlich zulässigem Rahmen. Doch genau diesen rechtlich zulässigen Rahmen bestreitet CSE. Das Wissenschafts- und Umweltzentrum bemängelt, dass der Name Lanco nur in einem Fall direkt im Antrag genannt wird – einem Solarthermieprojekt in Rajastan mit einer Gesamtleistung von 100 Megawatt. Ein direktes Tochterunternehmen von Lanco hat den Zuschlag für ein Photovoltaikprojekt mit einer Gesamtleistung von fünf Megawatt erhalten. An zwei weiteren Firmen, die ebenfalls Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von jeweils fünf Megtawatt bauen wollen, hat Lanco einen Unternehmensanteil von 26 Prozent. Fast die Hälfte der Firmananteile hält Lanco an KVK Energy Ventures. Das Unternehmen im zentralindischen Hyderabad baut ein Parabolrinnenkraftwerk mit einer Leistung von 100 Megawatt. An diesen drei Unternehmen sowie an vier weiteren Bietern hat Lanco einen hundertprozentigen Projektanteil. Die werden im Laufe der Zeit in Firmenanteile umgewandelt, so dass Lanco an allen sieben Unternehmen mittelfristig mit 99 Prozent die Mehrheit der Firmenanteile hält. Schließlich erwähnt Lanco in seiner jährlichen Bilanz, dass alle sieben Firmen unter seiner Kontrolle sind.

Projekte bereits im Bau

CSE begründet seine Untersuchung damit, dass es im öffentlichen Interesse liegt, wer die Solarenergieanlagen im Land baut. „Die Mission des Zwei-Gigawatt-Ziels wird zwischen 2012 und 2047 den öffentlichen Haushalt 2 Billiarden Rupien (etwa 36,4 Milliarden Euro) kosten“, sagt Chandra Bhushan, Stellvertretender Vorsitzender von CSE. Wenn Lanco mit seinen Praktiken durchkommt, verwehrt der Konzern nicht nur anderen vielversprechenden Unternehmen mit eigenen technologischen Innovationen den Zutritt zum Markt, sondern verdient allein durch die garantierte Einspeisevergütung in den nächsten 25 Jahren insgesamt 130 Milliarden Rupien (etwa zwei Milliarden Euro) mit den neun Anlagen. „Indien zahlt jährlich Hundertmilliarden, um die erneuerbaren Energien voranzubringen, vor allem die Solarenergie“, so Chandra Bhushan weiter. „Aber das wird für die Katz sein, wenn es nicht unter transparenten Bedingungen und fairen Gesetzen geschieht, die Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und attraktive seriöse Geschäfte unterstützen. Mit schlechten Marktpraktiken und Intransparenz, wie sie gegenwärtig vorherrschen, wird Energiesicherheit und erneuerbare Energien in unserem Land ein Traum bleiben.“ Denn nach Aussagen von CSE konnte Lanco die Regeln nur umgehen, weil weder das Ministerium für neue und erneuerbare Energien (MNRE) noch das staatliche Energieunternehmen NTPC Vidyut Vyapar Nigam (NVVN) die Möglichkeit haben, diejenigen Unternehmen zu überwachen, die den Zuschlag für ein Projekt bekommen. Das Ministerium will zwar jetzt die betroffenen Anträge untersuchen, schiebt aber den Schwarzen Peter dem NVVN zu, da dies schließlich für das Ausschreibungsverfahren verantwortlich ist. Derweil befinden sich aber die genehmigten Projekte bereits im Bau. (Sven Ullrich)