Genau genommen ist der neue „Guideline for the Certification of Offshore Wind Turbines” die zweite Überarbeitung des 1995 vom GL erstmals herausgegebenen Offshore-Zertifizierungskatalogs. 2005 hatte GL RC die Vorgaben erstmals an die technische Fortentwicklung der Meereswindenergie angepasst. Nun ziele die Überarbeitung darauf, sagte der Leiter der GL-Zertifizierungsstelle Mike Wöbbeking zu ERNEUERBARE ENERGIEN, die große technologische Entwicklung der vergangenen sieben Jahre abzubilden. Dazu gehören um das Doppelte zugenommene Wassertiefen für die neusten Offshoreprojekte, Turbinen mit der zwei- bis gar dreifachen Leistung im Vergleich zu damaligen Anlagen – sowie teils weitreichend neue Technologien bei Offshore-Errichterschiffen und bei Turbinen.
Die Systematik und Kapitelaufteilung entspricht der vorigen Auflage – neu hinzugenommen haben die Ingenieure hingegen die Möglichkeit einer so genannten Risikobasierten Zertifizierung. Diese soll das für Bankenfinanzierungen und Behördengenehmigungen wichtige Gütesiegel auch für neueste Technologien ermöglichen, für die es bisher noch keine Erfahrungswerte gibt. So müssten beispielsweise schwimmende Offshore-Turbinen oder Anlagen mit vertikal drehendem Rotor mit einer qualitativ und quantitativ begründeten Risikoanalyse bewertet werden, betonte Wöbbeking. Die GL-Offshore-Richtlinien legen demnach fest, wie ein Vergleich der neuen Technologie und des Designs ihrer Anlagen mit den Werten realer Windturbinen aus existierender Technologie ablaufen kann – und wie sich daraus Risiko-Werte errechnen lassen.
Reformfelder: Elektronische Steuerung, Anlagenstress, Wetter, Logistik
Die wichtigsten Richtlinien-Reformen betreffen laut Wöbbeking unter anderem die stark fortgeschrittenen Regelungsverfahren der elektronischen Turbinensteuerungen, die Mindestanforderungen für Windparkstandorte oder auch so genannte Lastfalldefinitionen etwa für extrem böige Wettersituationen – also wie sehr die Winde aus wechselnden Richtungen am Rotor zerren und die gesamte Anlage damit extrem belasten.
Außerdem definiert die neue Guideline-Ausgabe des GL genauere Vorgaben zu Transport und Turbinenerrichtung. So definieren die Richtlinien beispielsweise, wie so genannte Wetterfenster errechnet werden müssen. Dabei handelt es sich um Zeiträume, in denen der Seegang und die Winde noch gerade so moderat sind, dass Installationen von Windradfundamenten, Türmen, Gondeln oder gar den Rotorsternen der Anlagen noch möglich sind. Es gebe dafür nun neue „Wetterfensterdefinitionsanforderungen“, sagte Wöbbeking.
(Tilman Weber)