Rotmilane gelten als Vogelart, die vom Ausbau der Windenergie besonders bedroht sind. Die Tiere könnten im Flug mit den Rotorblättern kollidieren und tödlich verletzt werden. Zwei aktuelle Studien kommen jetzt zum Ergebnis: Die größte Gefahr für die Tiere sind nicht die Windenergieanlagen.
So wertere das Unternehmen Biodiv-Wind SAS Daten aus 46 Windparks in Deutschland, Frankreich und Spanien aus, die mit dem Vogeldetektionssystem „SafeWind“ ausgestattet sind. Bei mehr als 217.000 Video-Detektionen von Vogeldurchflügen in den Jahren 2019 und 2020 ergab sich, dass
– nur circa 0,2 Prozent der Detektionen Rotordurchflüge des Rot- oder Schwarzmilane sind und
– bei den 477 detektierten Rotmilan-Rotordurchflügen elf Kollisionsereignisse stattfanden (7% von 0,02%). Nur 7 Prozent der ohnehin seltenen Rotordurchflüge führten somit statistisch zu einer Kollision.
Blattspitzengeschwindigkeit unter 130 km/h verringert Kollisionsrisiko
Auswirkungen hat offenbar die Rotorgeschwindigkeit auf das Kollisionsrisiko: Obwohl Rotmilane bei einer Blattspitzengeschwindigkeit von weniger als 130 km/h häufiger den Rotor zu kreuzen, kam es bei dieser Geschwindigkeit zu keiner Kollision, stellte die Auswertung der Daten klar. Eine Verringerung der Rotordrehzahl unter 130 km/h Blattspitzengeschwindigkeit, wenn sich Rotmilane in unmittelbarer in der Nähe der Rotoren sollte das Kollisionsrisiko stark verringern und sich nur begrenzt auf den Turbinenertrag auswirken, schließt Biodiv-Wind SAS aus den Daten.
EU-Studie: Windkraft bei Todesursache nur auf Platz 7
Für Aufsehen sorgen außerdem Zwischenergebnisse des bis 2027 laufenden EU-Projekts Life Eurokite zum Rotmilan, die ZDF Frontal veröffentlicht hat. Sie zeigen, wenn auch mit Einschränkungen, dass dessen Feind Nummer 1 offenbar nicht die Windkraft ist. Die größte menschengemachte Gefahr für den Greifvogel ist Gift. Rotmilane sterben, weil sie tote Ratten oder Mäuse fressen, die an Giftködern verendet sind. Diese Köder werden vielfach in der Landwirtschaft genutzt - zum Schutz von Ställen, Ernten oder Saatgut.
Die zweithäufigste Todesursache ist der Straßenverkehr, es folgen der (illegale) Abschuss, Stromschlag durch Stromleitungen, Kollisionen mit Zügen. Die Windkraft landet auf Platz sieben.
Wenn ein Rotmilan mit einem Windrad kollidiert, dann meistens in einer dem Rotmilan unbekannten Gegend, wenn der Vogel nach langem Flug erschöpft oder die Sicht schlecht ist, zitiert das ZDF den Wissenschaftler Rainer Raab, der das Forschungsprojekt leitet. „Also das heißt: An einem Windrad zu sterben, ist ein äußerst seltenes Ereignis, wirklich extrem selten.“
Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar
Allerdings seien die Ergebnisse noch nicht angeschlossen und auch nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar, heißt es in einer Presseinformation, die Eurokite nach Ausstrahlung der ZDF Frontal-Sendung verschickt hat. So komme illegaler Abschuss oder Tod an Stromelitungen in Deutschland seltener vor als in anderen Ländern. Auch würden die Vögel im Nest besendert, so dass auch Verluste im Nest (Eier und Jungvögel werden von Räubern gefressen) berücksichtigt werden, die im Vergleich zu den anderen
Todesursachen überproportional häufig auftrete.
Auch das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) hat sich zu Wort gemeldet. Aus dem Zwischenstand des Eurokite-Vorhabens könnten keine direkten Schlussfolgerungen über die Behandlung des Rotmilans in Genehmigungen von Windenergieanlagen gezogen werden, so das KNE. Als europäische Vogelart sei er laut Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union geschützt. Die Frage, ob er durch Windnergieanlagen im konkreten Einzelfall signifikant erhöhten Tötungsrisiken ausgesetzt ist, werde durch die Zwischenergebnisse des Projektes nicht beantwortet. Insofern könnten die Erkenntnisse derzeit keine Rückwirkungen auf seine Einstufung als kollisionsempfindliche Art oder das Erfordernis von Schutzmaßnahmen haben. (kw)
Auch interessant:
72 Prozent weniger tote Vögel durch schwarz gestrichenes Rotorblatt
Für Abonnenten: