Nicole Weinhold
Lange Zeit galten sie als Fantasie verrückter Wissenschafter - schwimmende Offshore-Windturbinen. Doch das hat sich geändert. Der Grund liegt in der Notwendigkeit, Offshore-Rotoren auch in großen Meerestiefen verankern zu können. Laut Internationaler Organisation für erneuerbare Energien, Irena, hat etwa China bis zu einer Wassertiefe von 20 Metern ein Potenzial von 500 Gigawatt Meereswindkraft. Bei einer Tiefe zwischen 20 und 50 Metern erhöht sich dieses auf 1.100 Gigawatt, zwischen 50 und 100 Metern sind es sogar 2.200 Gigawatt. Mit anderen Worten: Ohne schwimmende Turbinen würde die Offshore-Windkraft weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben - und das lassen allein schon die weltweiten Klimaziele nicht zu.
Welche Techniken gibt es inzwischen? Wir geben fünf Beispiele:
1. Der größte fertig installierte Schwimmpark
Wind Float Atlantic im Atlantischen Ozean vor der Küste Portugals ist ein Schwimmpark mit drei Anlagen und 25 Megawatt. MHI Vestas hat dafür Turbinen des Typs V164-8.0 MW mit 8,33 MW und 164 m Nabenhöhe geliefert. Durch die weitgehende Montage an Land reduzierten sich Logistik-, Finanz- und Umweltkosten. Das Projekt wurde vom Windplus-Konsortium, bestehend aus EDP Renewables (54,4%), Engie (25%), Repsol (19,4%) und Principle Power Inc. umgesetzt. Das Projekt baute auf dem Erfolg des Prototyps Wind Float 1 auf, der zwischen 2011 und 2016 in Betrieb war. Der Zwei-Megawatt-Prototyp hat über fünf Jahre ununterbrochen erfolgreich Energie erzeugt und extreme Wetterbedingungen, darunter bis zu 17 Meter hohe Wellen und 60-Knoten-Winde, überstanden.
2. Der größte in Teilbetrieb befindliche Schwimmpark
Sechs Anlagen, davon eine Vestas V80-2.0 MW (2,0 MW, 80,0 m) und fünf MHI Vestas V164-9.5 MW (9,6 MW, 164,0 m) befinden sich in der Nordsee vor dem Vereinigten Königreich in Teilbetrieb. Der Schwimmpark Kincardine kommt auf 50 Megawatt und soll 2021 komplett fertiggestellt sein.
3. Die erste Schwimmturbine
Hywind ist eine Einzelanlage, die auf eine schwimmende Unterkonstruktion gesetzt und am Meeresboden verankert wurde. Der norwegische Erdölkonzern Equinor hat mit Hywind Demo 2009 im norwegischen Åmøy-Fjord bei Stavanger die erste Schwimmanlage errichtet. Auf dem zylindrischen Schwimmkörper mit 100 m Tiefgang und 5.300 t Wasserverdrängung hat die verwendete Windkraftanlage des Typs Siemens SWT-2.3-82 (82 m Durchmesser; 2,3 MW Nennleistung) eine Nabenhöhe von 65 m.
4. Der größte in Bauvorbereitung befindliche Schwimmpark
Der Installationsstart ist für Frühjahr 2022 geplant, der Start der Stromversorgung soll im selben Jahr erfolgen. Dann soll der Schwimmpark Hywind Tampen im Atlantischen Ozean ans Netz gehen. Das norwegische Projekt umfasst elf Anlagen von Siemens Gamesa (SG 8.0-167 DD, 8,0 MW, 167,0 m) mit zusammen 88 Megawatt. Die Windkraftanlagen haben eine Höhe von 190 Metern von der Meeresoberfläche bis zur Rotorspitze. Der Durchmesser des Turbinenrotors beträgt 167 Meter. Das schwimmende Chassis besteht aus Beton und wird am Meeresboden verankert. Das hört sich alles gut an, doch das Projekt hat auch Schattenseiten.
5. 10-MW-Anlage vom Typ OO-Star Wind Floater
Am weitesten fortgeschritten sind beim spanischen Energiekonzern Iberdrola die Planungen für ein Gemeinschaftsprojekt in Norwegen. Hinter dem Projekt stehen neun weitere Partner aus fünf Ländern, darunter die französische EDF und die internationale Beratungs- und Zertifizierungsfirma DNV GL. In der Nordsee, vor der Küste des Landes, soll in 80 Metern Tiefe ein schwimmendes Windrad mit 10 MW Leistung errichtet werden. Stehen werde die Anlage auf einem halbtauchenden Schwimmfundament aus Beton vom Typ OO-Star Wind Floater. Die EU unterstützt das Vorhaben in Norwegen über das Förderprogramm Flagship aus der Initiative Horizon 2020, das über seine sechsjährige Laufzeit bis 2020 mit 80 Millionen Euro dotiert war. Langfristiges Ziel der Flagship-Förderung ist es, die Gestehungskosten der Offshore Windkraft bis 2030 auf 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde zu bringen.
6. SelfAligner-Fowl folgt der Windrichtung automatisch
Für die Offshore-Windenergiegewinnung in Regionen mit großer Wassertiefe wurde von der Cruse Offshore GmbH eine innovative schwimmende Anlage konzipiert und konstruiert, die SelfAligner-Fowl. Die Struktur der Anlage ist eine sich selbst ausrichtende Halbtaucherplattform, die der Windrichtung automatisch folgt. Das Fundament dreht sich frei um eine Turret Buoy, die im Meeresboden verankert ist, Ein Downwindrotor und ein profilierter Turm induzieren aerodynamische Kräfte, die ein selbstausrichtendes Drehmoment erzeugen und somit eine passiv gesteuerte Ausrichtung der gesamten schwimmenden Anlage ermöglichen. Das dynamische Verhalten des schwimmenden Fundaments wurde in Zusammenarbeit mit folgenden Konsortialpartnern untersucht und optimiert: Institut für Fluiddynamik und Schiffstheorie, Technische Universität Hamburg (TUHH), Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen, TUHH, DNV GL, aerodyn engineering GmbH und Jörss-Blunck-Ordemann GmbH. Durch das Verbundvorhaben HyStOH sei es laut TUHH gelungen, die selbstausrichtende Windenergieanlage zu entwickeln. Für die Berechnung des Bewegungsverhaltens der Anlage wurde ein Simulationsmodell erstellt, das in der Lage ist, den gekoppelten aero- und hydrodynamischen Einfluss, kombiniert mit den Verankerungskräften, abzubilden. Anhand der Simulationsergebnisse wurde die Geometrie der SelfAligner-Fowt optimiert und unter Berücksichtigung der Fluid-Struktur-Interaktion für die Festigkeit analysiert. Es er-gab sich eine im Vergleich zu anderen schwimmenden Windenergieanlagen laut TUHH relativ leichte Struktur, die jedoch auf Grund ihrer gewollt einfachen Konstruktion sehr robust ist. Für den anspruchsvollen Offshore-Einsatz in windreichen Gebieten sei eine solche Anlage geeigneter als eine mit aktiver Windnachführung.