Sie nennen sich „Gegenwind“, „Keine Windkraft in Elvert“ oder „Rettet Brandenburg“. Initiativen wie diese kämpfen für einen Zubau-Stopp von Windenergieanlagen in ihrer Nähe.
In der Gemeinde Märkische Heide in Brandenburg findet sich die Volksinitiative „Rettet Brandenburg“. Dort haben sich die Fronten zwischen Windkraftgegnern und Projektierern verhärtet. In der Gemeinde gibt es bereits einige Windparks und es sind noch weitere in Planung. Sowohl die Initiative als auch viele Bürger sind dort gegen einen weiteren Zubau von Windenergieanlagen.
Die Bürgermeisterin der Märkischen Heide, Anette Lehmann, antwortete nur knapp auf die Frage, warum man sich von der Windkraft distanzieren wolle und möchte an dieser Stelle nicht zitiert werden. Das spiegelt die aktuell heikle Situation zwischen den Fronten wider.
Nach Ansicht einiger Windenergiegegner verursachen Windturbinen Gesundheitsschäden. Thomas Jacob, Vorsitzender der Volksinitiative „Rettet Brandenburg“: „Windkraftanlagen führen zu gesundheitlichen Schäden. Schlagschatten, Geräusche und Infraschall lösen diese aus. Letzterer ist dabei als besonders kritisch zu bewerten.“
Infraschall kein Kriterium
Daher die Forderung vieler Gegner: Einen größeren Mindestabstand zu Wohnsiedlungen. Jacob selbst wohnt 2,5 Kilometer von der nächsten Anlage entfernt. Bis August 2015 will er mit Hilfe von 20.000 Unterschriften einen Mindestabstand der zehnfachen Anlagenhöhe zur nächstgelegenen Wohnsiedlung einführen, mitunter um die möglichen Belastungen durch Infraschall einzudämmen.
Die Abo Wind AG aus Wiesbaden plant genau in dieser Gegend ein Projekt. „Maßgebend für das Genehmigungsverfahren einer Windkraftanlage ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Infraschall ist dabei kein Kriterium“, so Kathrin Dorscheid, Pressesprecherin der Firma Abo Wind.
Die Bedenken der Bürger sind dadurch nicht aus dem Weg geräumt. Für ein erfolgreiches Gelingen aber von Windparkprojekten ist es wichtig, dass solche Zweifel im Vorfeld beseitigt werden. Daher gilt es zu klären, was Infraschall eigentlich ist und ob Windkraftanlagen eine Quelle davon sind.
Infraschall ist Schall mit einer Frequenz unterhalb der hörbaren Grenzschwelle für den Menschen. Eine Wahrnehmung von Tönen beginnt ab etwa 16 Hertz. Ist der Pegel des Schalls sehr hoch, kann er in Form von Vibration wahrgenommen werden. Erzeuger von Infraschall können fahrende Autos, an den Strand brandende Wellen oder der Wind selbst sein. „Windkraftanlagen sind eine Quelle von Infraschall - Schlafstörungen, Herzrasen, Bluthochdruck und Schwindel die Folgen einer Langzeitaussetzung in unmittelbarer Nähe“, so Jacob. Bürger aus seiner Gegend beklagten laut Jacob diese Auswirkungen auf ihre Gesundheit.
Auslöser für Infraschall: Wind oder Windkraftanlage?
Er stützt seine Äußerungen auf das Buch „Wind Turbine Syndrom – A report on a Natural Experiment“ von Nina Pierpoint, einer US-amerikanischen Ärztin, die sich auf Kinderheilkunde spezialisiert hat. Basis der Analysen bildeten Telefonate mit Personen, die ihre gesundheitlichen Beschwerden auf Windenergieanlagen in ihrer Nähe zurückführten. Die Symptome fasste sie zu einem neuen Krankheitsbild zusammen, dem Windturbinen-Syndrom. Weder eine begleitende medizinische Untersuchung noch akustische Messungen wurden dazu vorgenommen, weswegen das Buch im Allgemeinen in der Medizin als nicht wissenschaftlich anerkannt gilt. Dennoch sollten die vorgetragenen Beschwerden der Bürger, die durchaus von tieffrequenten Tönen ausgelöst werden können, ernst genommen werden. Nur gilt es, die genaue Ursache zu klären.
Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) hat vor kurzem einen Zwischenbericht zu ihrem Messprojekt „Tieffrequente Geräusche und Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“ veröffentlicht. Ziel des Projekts ist es, eine breite Datengrundlage zu Infraschall und tieffrequenten Geräuschen aus unterschiedlichen Quellen zu erhalten, um diese miteinander vergleichen zu können. Ebenso soll die Rolle der Windenergie in diesem Zusammenhang geklärt werden. Basis des Projekts bilden Infraschall-Messungen bei sechs unterschiedlichen Anlagen, einem Windpark und verschiedenen Untersuchungen im Verkehrsbereich. Die LUBW will 2015 noch weitere Untersuchungen dazu durchführen, aber die ersten Ergebnisse geben bereits einen guten Einblick, welche Tendenz sich abzeichnet. Windturbinen führen laut den Analysen zu keinen nennenswerten Infraschall-Immissionen. Zwischen 150 und 300 Metern Entfernung zur Anlage liegt der Pegel deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle. In 700 Metern Abstand wird der gemessene Infraschall sogar hauptsächlich vom Wind selbst erzeugt. Hier geht es zur Studie.
(Bettina Vogl)