Besonders der Ausbau der Windenergie hängt entscheidend an einer Erweiterung der Übertragungsnetze. Hochtemperaturleiter könnten dazu einen Beitrag leisten. „Die moderne Technologie versetzt uns in die Lage, den Netzausbau zu beschleunigen“, kommentiert Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie. Ein zeitintensives Planfestellungsverfahren könnte dadurch entfallen und die Akzeptanz des Netzausbaus in der Bevölkerung erhöht werden, so Albers weiter.
Alternative: Hochtemperaturleiter
Stromtrassen könnten durch die Aufrüstung mit modernen Hochtemperaturleiterseilen (HTLS) die doppelte Strommenge aufnehmen und stellen „ in ausgewählten Szenarien eine wirtschaftliche Alternative zum Trassenersatz durch Leiter größeren Querschnitts dar“, heißt es in dem Bericht der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, die heute in Berlin veröffentlicht wurde.
Die RWTH berechnete im Auftrag des Technologieunternehmens 3M aus Neuss bei Düsseldorf mehrere Szenarien für ein spezielles Hochtemperaturleiterseil aus einer Aluminium-Keramik-Verbindung. Bei einem Beispielszenario der Studie mit 200 Kilometern Länge käme die Aufrüstung der bestehenden Leitung mit der HTLS-Technologie um 19 Prozent günstiger als ein Ersatz der Strecke mit neuen Masten und herkömmlichen Seilen, der mit Kosten von 269 Millionen Euro zu Buche schlägt.
Kürzere Genehmigungsverfahren
Bei kurzfristig sehr hoher Einspeisung von Windstrom könnte sich das HTLS im Extremfall bis über 210 Grad Celsius erhitzen, ohne sich zu verformen oder durchzuhängen. Herkömmliche Stahl-Alu-Seile sind dagegen nur bis 80 Grad Celsius einsetzbar. „Neue Hochtemperaturleiter haben im Gegensatz zu älterer Technik den Vorteil, dass sie einerseits sehr hohe Ströme führen können, und andererseits in der Regel gegen einen vorhandenen Leiter auf bestehende Masten ausgetauscht werden können“, sagt Ralf Puffer, Leiter des RWTH-Instituts Hochspannungstechnik. Das senke Kosten und spare Zeit – denn die hier notwendigen Genehmigungsverfahren seien vergleichsweise kurz.
RWTH-Studie liefert damit eine Ergänzung zur Netzstudie II von der Deutschen Energie-Agentur (Dena), die 2010 einen Neubaubedarf von bis zu 3.600 Kilometern Höchstspannungstrassen errechnete. Die Dena ermittelte damals mit älteren Hochtemperaturleitern noch um 70 Prozent höhere Kosten als jetzt die Aachener Kollegen. Als Pilotprojekte kommen HTLS heute bereits in Schleswig-Holstein (Ostermoor-Marne) und Niedersachsen (Hanekenfähr-Gersteinwerk) zum Einsatz.
(Niels Hendrik Petersen)