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Kulturelle Forschungsreise

Expedition zum Wind

Wind und Wellen machen ihm nichts aus. Unbemannt gleitet der Windvinder über die Weltmeere. Bei Sonne, bei Sturm, schon seit fünf Jahren. Gegenwind ist sein Antrieb, die Bewohner der pazifischen Inseln, vor denen er bei Flaute gelegentlich treibt, sind seine Helfer – Helfer, die ihn erforschen, reparieren, verstehen lernen. Was sie dafür bekommen? Den Urgedanken der Energiewende.

Schlagwörter wie Wirtschaftsmotor, Landschaftsschutz und Systemsicherheit prägen den modernen Begriff der Energiewende. Industrielle und politische Belange rücken in den Fokus der Wahrnehmung und beginnen, die ursprüngliche Idee zu verdrängen: Die Energiewende soll die Völker vom Öltropf anderer Länder abnabeln, sie unabhängig machen.

Zurück zum Ursprung

Um das zu erreichen, braucht es mehr als große Regierungspläne und kluge Neuentwicklungen von Konzernen. Die Idee der Unabhängigkeit soll in den Köpfen der Menschen entstehen und reifen. Ein ungewöhnliches Projekt hilft ihnen dabei.

Weltweit hat der Windvinder Menschen inspiriert, sich die Kraft des Windes zunutze zu machen. Mittlerweile haben Inselbewohner in Ozeanien, in Kanada und selbst in Russland nach seinem Vorbild eigene Boote gebaut.

Den Prototyp des Windvinder-Trimarans hat Wipke Iwersen in Amsterdam entworfen, entwickelt und eigenhändig gebaut. Er besteht aus einem leichten Holzskelett, bespannt mit einem Nylontuch. Unter jedem Bug liegt eine Kielflosse. Dank großer Windfahne am Heck stellt der Trimaran seine Front in den Wind. Für Antrieb sorgt ein fünf Meter großes Windrad mit Kunstharz-Flügeln. Es ist über zwei Umlenkgetriebe direkt mit der ein Meter großen Schiffsschraube verbunden. Die Konstruktion hat eine Fliehkraftregelung, bei der sich die Blätter von selbst an jede Windgeschwindigkeit anpassen – dadurch bleibt die Drehzahl auch bei Sturm konstant.

Schwanzflosse Windvinder | Der Windvinder wird immer wieder mit einfachsten Mitteln fit für die Weiterfahrt gemacht und verändert sich dabei zusehends. - © Foto: Wipke Iwersen
Schwanzflosse Windvinder | Der Windvinder wird immer wieder mit einfachsten Mitteln fit für die Weiterfahrt gemacht und verändert sich dabei zusehends.

Reparaturen ohne Klebstoff, Hammer und Nagel

Abgesehen von der Windradkonstruktion kommt der Windvinder ohne Metallteile, ohne Schrauben, Klebstoffe und sonstige industrielle Hilfsmittel aus. Alles ist geknotet. „Die Bauweise berücksichtigt die technischen Möglichkeiten der Inselbewohner, damit sie den Windvinder reparieren können, wenn etwas zu Bruch gegangen ist“ , erklärt Wipke Iwersen.

Dafür steht übersetzt in 45 Sprachen eine Instruktion auf allen Teilen des Bootes: „Wenn nötig, bitte reparieren.“ Dieser Bitte sind die freiwilligen Helfer bisher immer nachgekommen. Und in fünf Jahren Expedition wurde viel am Windvinder geflickt. „Als die Urversion Amsterdam verließ, war sie siebeneinhalb Meter lang. Mittlerweile misst sie rund zehn Meter“, sagt Iwersen. Seetüchtig ist sie noch immer.

Eine Idee inspiriert Ozeanien

Überall, wo der Windvinder ankommt, fangen die Leute an, eigene Konstruktionen zu bauen, die die Windkraft nutzen – für alltägliche Arbeiten an Land oder zum Antrieb neuer Boote. Den Bewohnern Ozeaniens hat Iwersen damit ein Stück von dem zurückgegeben, was ihnen vor rund 150 Jahren genommen wurde. Damals verboten die Kolonialmächte dem einst größten Seefahrervolk der Welt den Besitz eigener Schiffe. „Heute nutzen viele Insulaner Dieselboote, für die sie sich kaum den Treibstoff leisten können. Sie fangen nun an, sich wieder auf die Stärke des Windes zu besinnen“, sagt Iwersen.

Auch die Bewohner der Industrieländer erinnert der Windvinder an die Wurzeln der Windkraft. Er zeigt, dass gerade die simplen, ursprünglichen Methoden den richtigen Weg in die Zukunft weisen können.

(Denny Gille)

Expediteure gesucht

Im Sommer startet Wipke Iwersen die Expedition auf den Spuren des Windvinders von der Nordsee nach Ozeanien. Wer Interesse und ausreichend Segelerfahrung hat, kann Strecken dieser Weltumseglung mitfahren. Die Expedition geht nicht auf die Suche nach dem ursprünglichen Windvinder, sondern wird seine Begegnungen mit den Bewohnern des Ozeans dokumentieren. „Wir folgen der Spur von Geschichten und Ideen, die bekannte und unbekannte Windvinder auf den Inseln hinterlassen haben“, sagt Iwersen. Ziel der Expedition ist es auch, völlig neue Windvinder zu bauen, die ohne Windrad und Schiffsschraube gegen den Wind fahren. „Diese ‚Flügelviecher’ werden nur noch aus Flossen und Flügeln bestehen und sich allein mit Strandgut bauen lassen“, sagt Iwersen.