Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein: 1975 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. 1986 ging das Kernkraftwerk als weltweit erste Anlage nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl in Betrieb. 2010 demonstrierte eine Kette von über 100.000 Menschen zwischen den Meilern. Im selben Jahr beschloss der Bundestag eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke durch Erhöhung der Reststrommengen - wodurch Brokdorf statt bis 2021 rechnerisch bis 2036 hätte laufen können. Damit hat Schwarz-Gelb den Atomkompromiss der rot-grünen Vorgängerregierung aus dem Jahr 2002 rückgängig gemacht und die Laufzeit für 17 Kraftwerke verlängert. Nach dem Fukushima-Unglück 2011 wurde die Laufzeitverlängerung zurückgenommen. Den Betreibern der Kernkraftwerke wurde für jedes ihrer Kraftwerke ein fester Termin für die Abschaltung vorgeschrieben. RWE und Vattenfall klagten darauf hin. Begründung: die Bundesregierung habe sie mit dem Atomausstieg praktisch enteignet. 2017 wurde bei Revisionsarbeiten am Atomkraftwerk Brokdorf eine Oxidationsschicht in unerwarteter Stärke an den Stäben der Brennelemente entdeckt.
Am Beispiel Brokdorf spiegelt sich die deutsche Atomgeschichte - ein politischer Schlingerkurs um eine Hochrisikotechnologie. Jetzt muss der Bürger für die Sünden der Schwarz-Gelben Regierung von 2010 tief in die Taschen greifen. Die Atomkraftwerks-Betreiber RWE und Vattenfall sollen nach aktuellem Beschluss des Bundeskabinetts für Nachteile beim Atomausstieg rund eine Milliarde Euro vom Steuerzahler erhalten. Eon hatte ebenfalls geklagt, hat aber keinen Anspruch auf Schadenersatz für Reststrommengen, weil diese laut Urteil von 2016 zwischen den Eon-Atomkraftwerken umverteilt werden können. Das gilt auch für EnBW - das Unternehmen hatte aber auch gar nicht erst geklagt.
Ursprünglich hatten Vattenfall und RWE sogar 19 Milliarden Euro Entschädigung gefordert. Gleichwohl wären auch die nun deutlich geringeren Kosten nie angefallen, wenn die damalige Regierung nicht 2010 die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert hätte. Der Beschluss basiert auf dem Atomgesetz von 2011. Das Atomgesetz setzt für den Betrieb der Kraftwerke einen maximalen Endtermin fest und bestimmt darüber hinaus eine maximale Elektrizitätsmenge, nach deren Erzeugung die Berechtigung zum Leistungsbetrieb ebenfalls erlischt. Bei den Laufzeiten für die Kraftwerke bleibt alles beim Alten, 2022 geht der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz.
In einer Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung vom 11. Mai an die Bundesregierung wird gefordert, dass möglichst hohe Reststrommengen anderer KKW auf Isar 2 übertragen werden. „Wer Restlaufzeiten wie auf dem Jahrmarkt verschachert oder wie Markus Söder im Falle des Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut mit Maximal-Restlaufzeit pokert, der missachtet die gerechtfertigten Sicherheitsinteressen der Bevölkerung. Atomkraftwerke wie Emsland und Brokdorf müssen endlich vom Netz gehen und den Weg für erneuerbaren Strom frei machen,“ erklärt dazu Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen.
Simone Peter, Präsidentin des BEE, bringt einen weiteren wichtigen Aspekt in die Diskussion. Sie betont: „Es muss im Atomgesetz klargestellt werden, dass von einem Atomkraftwerk, welches den Leistungsbetrieb eingestellt hat, keine Reststrommengen / Elektrizitätsmengen auf ein anderes Atomkraftwerk im Netzausbaugebiet übertragen werden dürfen.“ Redispatch-Kosten entstehen, wenn die Börsenpreise wegen des Überangebots in den Keller gehen und deshalb die Stromnachfrage aus dem Ausland steigt. Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke im Netzausbaugebiet in Brokdorf und Emsland erhöht die Redispatch-Kosten und verschärfe im Falle des Kraftwerkes Brokdorf die Engpasssituation im Netzausbaugebiet. Heute müssen Windkraftanlagen häufig ihre Leistung drosseln, weil kein Platz in den Stromleitungen ist. Die Atomkraftwerke Brokdorf und Emsland hingegen speisen auch in windstarken Zeiten nahezu ungedrosselt Atomstrom in dasselbe Netz. Mit anderen Wort: Nicht nur die Steuerzahler werden jetzt für die Atomindustrie geschröpft, sondern gleichzeitig werden auch die erneuerbaren Energien ausgebremst. Das muss verhindert werden. Die Entschädigung der Stromkonzerne kann mit den volkswirtschaftlichen Kosten zum Teil gegengerechnet werden, die eingespart werden, weil Verbraucher jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag an die Netzbetreiber zahlen, wegen der Abregelung von Windkraftanlagen aufgrund der verstopften Netze durch Atomstrom.
Brokdorf war wegen oben genannter Oxidation an den Brennstäben lange vom Netz - das zeigt, dass der Strom von dem Meiler nicht gebraucht wird. Die Versorgung kann auch ohne Brokdorf reibungslos realisiert werden.