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Kommentar zu Handelsblatt-Artikel

Murmeltiertag: Hetze gegen Erneuerbare als Kostentreiber

Und täglich grüßt das Murmeltier. Diesmal ist es Klaus Stratmann vom Handelsblatt, der mit seinem aktuellen Artikel dazu beiträgt, dass es wirklich niemand vergisst: Die erneuerbaren Energien treiben den Strompreis in die Höhe. Das wird den Bürgern seit Jahren erfolgreich glauben gemacht. Aber ist das wirklich richtig?

„Kostentreiber Ökostrom“ titelt der Handelsblatt-Autor. In dem Artikel geht es die Förderung Erneuerbarer und dadurch unaufhaltsam steigende Kosten. „Versuche, die Entwicklung zu stoppen, verpuffen wirkungslos.“ Das klingt dramatisch. Kleine Frage am Rande: Weiß eigentlich irgend jemand, wieviel er derzeit für die Kilowattstunde bezahlt und wie sich der Strompreis in den vergangenen Jahren verändert hat? Das ist ungefähr ebenso bekannt wie die Entwicklung der Benzinpreise – meistens nämlich gar nicht. Aber das Thema taugt zum medialen Aufreger. Manchmal muss man die Leute eben mit der Nase drauf stoßen, wenn sie sich von allein nicht aufregen.

EEG-Umlage steigt

Aber zurück zum Handelsblatt-Artikel. Aufhänger ist die jährliche Bekanntgabe der EEG-Umlage zur Förderung Erneuerbarer, die am 14. Oktober für 2017 stattfindet. Der Autor kann hier mit zahlreichen erschreckenden Zahlen aufwarten. Trotz massiver Vergütungskürzungen wird die Umlage von derzeit 6,354 Cent auf irgendwas um die sieben Cent steigen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft, IW Köln, liefert dazu die Zahlen. Laut Institut wird die EEG-Umlage in der Summe von 22 Milliarden in diesem Jahr auf „im ungünstigsten Fall 25,8 Milliarden Euro“ steigen. 9,7 Cent pro Kilowattstunde EEG-Umlage könnten es 2020 werden.      

Womit der Handelsblatt-Autor Recht hat: Dass die EEG-Umlagelast sich aufaddiert, weil jährlich neue Anlagen dazu kommen. Heutzutage ist das in der Photovoltaik bekanntermaßen nur noch ein Bruchteil dessen, was vor fünf bis sechs Jahren installiert wurde. In den stärksten Zeiten der Solarwirtschaft wurden in Deutschland sieben Gigawatt pro Jahr aufgestellt. Damals, 2010, gab es noch 28 Cent für die Kilowattstunde auf der Freifläche. Diese Phase hat sich auf die EEG-Umlage langfristig ausgewirkt, zumal die Vergütung für 20 Jahre ab Inbetriebnahme gilt. Gleichwohl sei in dem Zusammenhang gesagt, dass nur unsere EEG-Förderung den Erneuerbaren zum weltweiten Durchbruch verholfen hat. Nur so waren Skaleneffekte und technologische Verbesserungen möglich, die jetzt dafür sorgen, dass Erneuerbaren nicht teurer sind als fossile Energien.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der herkömmlichen Energiequellen sind zudem nicht als feste Größe akzeptiert. Sie werden nicht geltend gemacht. Das heißt: Die Kosten für die Endlagerung von Atommüll werden irgendwo umverteilt. Treibhausgase aus alten Braunkohlekraftwerken? Die Zertifikate kann sich jeder leisten: fünf Euro für die Tonne CO2. Eine verrußte Atmosphäre? Geschenkt. Die Kosten für Umweltschäden, Überschwemmungen, verseuchte Luft in China, den jahrzehntelangen Rückbau von AKWs? Da gibt es keine Umlage, der Bürger muss sich über diese Energiequellen also nicht ärgern.

Börsenstrompreis am Boden

Richtig räumt das Handelsblatt im hinteren Teil des Artikels ein, dass die EEG-Umlage auch von niedrigen Preisen im Stromgroßhandel. Das muss man erklären: An der Börse liegen die Preise am Boden. Die EEG-Umlage steigt, weil den Erneuerbaren die Differenz zwischen dem niedrigen Börsenpreis und EEG-Vergütung gezahlt wird. Warum ist der Börsenpreis so niedrig? Weil die Netze verstopft sind von Kohlekraftwerksstrom, der ins Ausland exportiert wird. Denn die Erneuerbaren haben Vorrang. Aber sie erzeugen genug, um die schmutzigsten Kohlekraftwerke runterzufahren.

Mitte des Jahres brachte Greenpeace eine Studie raus, die zeigt, dass fossile und atomare Kraftwerke nicht abgeregelt werden, sondern stattdessen Wind- und Solaranlagen. Untersucht wurden das Atomkraftwerk Brokdorf und das Steinkohlekraftwerk Moorburg. Für den Regenerativstrom, der somit nicht in das Netz eingespeist werden konnte und eigentlich Einspeisevorrang hat, erhielten die Anlagenbetreiber geschätzte Entschädigungen von 100 bis 180 Millionen Euro, die wiederum die Verbraucher über die Netzentgelte bezahlen. Die Betreiber herkömmlicher Kraftwerke nehmen die Börseneinnahmen mit und holen sich die Entschädigung vom Verbraucher zurück.

Doch nicht allein von erneuerbaren Energien wird die EEG-Umlage in die Höhe getrieben wird, sondern auch von stromintensiven Betrieben, die von der Umlage befreit sind. Anders als wir einfachen Bürger. Das Handelsblatt betont: Es sind ja nur 2.000 stromintensive Betriebe. Vergessen wird freilich, dass diese Unternehmen schon ohnehin fast nichts für Strom bezahlen, weil der Börsenpreis am Boden liegt. Und dieser schöne, niedrige Strompreis wird an die Unternehmen weitergegeben. Sie haben die doppelte Erleichterung, während die Bevölkerung jedoch nicht von den niedrigen Börsenstrompreisen profitiert. Die werden von den Energiekonzernen einbehalten.

Immerhin verrät das Handelsblatt, dass die IW-Studienautorin eine Abkehr von der EEG-Umlage empfiehlt. Richtig. Denn damit wird letztlich nur der Wutbürger angesprochen. Und das brauchen wir jetzt gerade nicht. Denn weit schwierigere Aufgaben warten noch auf uns: Die Energiewende im Wärme- und Verkehrssektor wird im Wesentlichen über Elektrifizierung stattfinden. Wir brauchen also weit mehr Erneuerbare, als die Bundesregierung bisher wahrhaben wollte.  Es sei denn, wir steigen aus dem Klimaschutzabkommen von Paris aus.

Kommentar Nicole Weinhold | Kommentar Nicole Weinhold - © Foto: Nicole Weinhold
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