"Meine Fraktion steht geschlossen hinter den Beschäftigten der Enercon-Betriebe", sagte Johanne Modder, Vorsitzende der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, gestern in ihrem Redebeitrag, als es im Landtag um Enercon ging. Alle folgenden Redner schlossen sich dem im Grund an: Enercon erntete viel Kritik für den geplanten Stellenabbau und die fehlende Bereitschaft zur Kooperation. Offiziell sei die Rede, so Modder, von einem drohenden Abbau von 835 Stellen. Betroffen seien die Standorte von WEC Turmbau in Emden und Magdeburg, dort würden 320 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, davon 190 Emden, bei WEC Site Service in Westerstede seien es 150 Stellen, bei Aero Ems in Haren 235 Beschäftigte, am Enercon Stammsitz in Aurich könnten 130 Stellen verloren gehen. Im Kern seien es weit mehr Arbeitsplätze über Zulieferer, wenn in Berlin nicht die richtigen politischen Entscheidungen getroffen würden. Bis zu 2.000 Jobs sieht die IG Metall in Gefahr. Soviel zur aktuellen Situation. Blicken wir nun zurück.
Ein Vergleich wird derzeit oft in Presseartikeln und Vorträgen zur aktuellen Situation der Windbranche gezogen: Dieser dürfe nicht dasselbe passieren wie der Solarbranche. Denn die erlebte einen rasanten Aufstieg in Deutschland in den frühen 2000ern und einen noch schnelleren Absturz ab Mitte 2012, in dessen Gefolge mehr als 70.000 Jobs in Deutschland verloren gingen. Die Ursache lag vor allem in einer radikalen Reduzierung der Einspeisevergütung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier lobt sich gern selbst, weil er mit der Strompreisbremse 2013 die Solarbranche wettbewerbsfähig gemacht habe. Er damals als Umweltminister, Rösler als Wirtschaftsminister.
Deutsche Forschungsförderung für Asien
Dass die Solarbranche in Deutschland mit ihren wertvollen Arbeitsplätzen vernichtet wurde, wird dann gern in den Zusammenhang mit billigen Modulen aus China gestellt. Wenn weltweit die Preise runter gehen, aber eine kleine Insel namens Deutschland mit hohen Vergütungen dafür sorgt, dass kein Anreiz geschaffen wird, Preise zu senken, funktioniert das auf Dauer natürlich nicht. Das ist richtig. Gleichwohl muss man sagen, dass die Politik es in der Hand hatte: Wären die Tarife frühzeitig mit Augenmaß reduziert worden, hätte der totale Zusammenbruch verhindert werden können. Das wird jetzt deutlich, wo sich Teile der deutschen Solarbranche eine Nische geschaffen haben. Die meisten sind aber entweder verschwunden oder in großen asiatischen Konzernen untergeschlüpft. Auch dadurch haben diese asiatischen Firmen bei Forschung und Entwicklung schnell aufholen können – nachdem die deutsche Regierung die heimische Forschung finanziell in die Lage versetzt hatte, sich gut zu entwickeln.
Immer noch gilt deutsche Solartechnik als zuverlässiger und langlebiger als chinesische Produkte. Für die Windkraft gilt das sowieso. Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar, hat den Sturz der Branche damals hautnah miterlebt. Was hätte anders laufen müssen? Was muss die Windbranche vermeiden, um nicht denselben Weg zu gehen? „Gravierend verschärft wurden Wettbewerbs- und Konsolidierungsdruck in der Solarbranche vor fünf Jahren durch eine massive Beschneidung des Binnenabsatzes infolge überzogener Fördereinschnitte und der Einführung der Sonnensteuer auf solaren Eigenverbrauch. Verlässliche und attraktive Investitionsbedingungen im Heimatmarkt dürften auch in anderen Branchen zu den wichtigsten Standortkriterien zählen“, stellt er fest.
Die Krise hat die Windbranche längst erfasst. Auch hier werden nun die ersten Fabriken geschlossen und Menschen verlieren ihre Arbeit. Der Wechsel vom festen Einspeisetarif zu Ausschreibungen, dadurch rasant abgestürzte Preise, Fehler im Ausschreibungssystem, die zu einer zusätzlichen Delle bei den Installationszahlen sorgen werden. Des Weiteren eine Politik, die sich nicht an ihre Klimaziele hält (, obwohl selbst das 2020-Ziel leicht zu schaffen wäre, wenn man die dreckigsten Kohlekraftwerke vom Netz nehmen würde und dadurch den massiven Stromexport und das Verstopfen der Netze reduzieren würde). Und ein Koalitionspartner Union, der sich nicht genötigt sieht, die Koalitionsvereinbarungen umzusetzen (Sonderausschreibungen – aber wann? Außerdem gibt es das Hintertürchen der fehlenden Verfügbarkeit von Netzkapazität). Verlässliche und attraktive Investitionsbedingungen im Heimatmarkt, wie Carsten Körnig sie als Basis für Stabilität in der Branche beschreibt: Fehlanzeige.
Die Politik hat die Fäden in der Hand und gleichzeitig ist sie getrieben. Geht es um die Gunst des Volkes, Wählerstimmen? So verkaufen Peter Altmaier und sein ehemaliger Staatssekretär Rainer Baake das: Die Strompreisbremse habe die Menschen gegenüber den Erneuerbaren beschwichtigt, sonst sei die gesamte Energiewende aus fehlender Akzeptanz gescheitert. Aber Altmaier ist eigentlich klug genug zu wissen, wie man das auf andere Weise hätte vermeiden können. So wie es mit den fossilen Energien seit Jahr und Tag passiert: Über Subventionen, die niemand sieht. Gerade ging es um Flugkerosin, das steuerlich befreit ist. Warum? Auch Menschen mit geringem Einkommen sollen für 70 Euro nach Mallorca fliegen können, so die Erklärung eines Vertreters der Landesregierung NRW. Vieles hängt von der Kommunikation ab, die Politik stellt die Windbranche offenbar lieber an den Pranger, statt die Energiewende ernsthaft zu verfolgen.
Das war zuletzt gestern bei der Live-Übertragung der Debatte aus dem Landtag in Niedersachsen zu sehen, in der es um Enercon ging. Offensichtlich hatten die Vertreter der einzelnen Parteien zum überwiegenden Teil nur eins im Sinn: Den Bürgern zeigen, dass man für ihre Arbeitsplätze kämpft. Denn auf diese Weise lassen sich Wählerstimmen gewinnen. Der größte deutsche Windturbinenhersteller ist extrem abhängig vom Heimatmarkt. Gleichzeitig stellen die Auricher Anlagen her, die als hochpreisige Qualitätsprodukte gelten. Als bekannt wurde, dass Ausschreibungen den festen Einspeisetarif ablösen werden, war schon klar, dass Enercon es schwer haben wird. Als klar wurde, dass Extras für netzstabilisierende Eigenschaften bei den Ausschreibungen nicht berücksichtig werden, sondern nur das billigste Gebot zählt, wurde noch deutlicher, dass Enercon ein Problem bekommen wird. Die Ostfriesen haben Lagerwey aufgekauft, einen Hersteller ebenfalls getriebeloser Anlagen, und klopft nun Stück für Stück ab, welche Anlagenelemente in die eigene Produktion integriert werden könnten, um Kosten zu sparen. Enercon hat aus eben diesem Grund bereits sein altes Gondeldesign zu Gunsten eines neuen, leichteren aufgegeben.
Natürlich könnte Enercon die Krise auch ignorieren. Andere Firmen aus der Regenerativbranche haben das gemacht. Menschen zu entlassen ist furchtbar. Aber wenn es darum geht, das Unternehmen zu stabilisieren und frühzeitig dem Besuch des Insolvenzverwalters vorzubeugen, dann ist das eine wichtige Maßnahme. Dadurch werden viele andere Jobs gesichert und vielleicht die Chance, später wieder einstellen zu können.
Brüssel erlebt Deutschland immer häufiger als Bremser, lange schon nicht mehr als Vorreiter bei der Energiewende. Wenn wir unsere Klimaziele endlich ernsthaft hin den Fokus nehmen würden, müssten wir uns nicht um Arbeitsplätze sorgen. Dazu kann auch die Landespolitik beitragen.