Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Kommentar SPD-Mitgliederentscheid

Vom Hoffen auf schnelle Taten mit Sozialdemokraten

Von Kevin Kühnert als der prominentesten Führungsfigur der parteiinternen Gegner des Vertrags einer neuerlichen Groko aus Unionsparteien und SPD sind keine Stellungnahmen oder Forderungen zur Energiepolitik bekannt. Sein wichtigstes Thema ist Sozial- und Gesundheitspolitik. Das hatte er in seinen Beiträgen in den vergangenen Talkshows im TV immer wieder hören lassen.

Andererseits kommt Kritik am Koalitionsvertrag von Energiewende-freundlicher Seite auch ohnehin fast nur von den oppositionellen Grünen. Selbst in der Erneuerbaren-Branche sehen viele den Koalitionsvertrag als hoffnungsstiftend an. Da ist der für 2019 angekündigte Extra-Push von 2.000 Megawatt (MW) zusätzlich auszuschreibender Volumen an künftiger Erzeugungsleistung von Wind- und Solarparks. Da ist eine weitere Ansage für zusätzliche Ausbauvolumen für Offshore-Windparks, wenngleich ohne mengenmäßige Angabe. Da ist das neue Ausbauziel für die Erneuerbaren auf einen Anteil am Stromverbrauch von 65 Prozent bis 2030 – von denen sich die optimistischeren Leser des Koalitionsvertrags einen steileren staatlich vorgegebenen Ausbaupfad als mutmaßlich logische Folge erhoffen mögen. Da ist die Kommission, die bis Ende 2018 erstmals einen Kohleausstiegsplan, dann womöglich auch schon die Strukturen eines Klimagesetzes und Erneuerbaren-Zielvorgaben für die Einzelsektoren Wärmeenergie und Verkehrsenergie erarbeiten würde. Da sind die festgehaltenen Willenserklärungen zur künftig breiteren Unterstützung der Sektorkopplung, um überschüssigen Grünstrom zur Nutzung in eben diesen beiden Sektoren einsetzen zu können.

So riet jetzt auch das Berliner Online-Portal Klimaretterinfo den SPD-Mitgliedern, für den Groko-Vertrag zu stimmen. Es sei nach dem Motto lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach richtig, die versprochenen energiepolitischen Maßnahmen durch eine Zustimmung mitzunehmen, analysierte der Kommentar.

Das lässt sich so sehen: dem will ich mich selbst als Kommentator gerne anschließen.

Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber
Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber

Es spricht auch nicht wirklich etwas dafür, dass ohne Groko für die Energiewende mehr herauszuholen wäre, wie der Klimaretterinfo-Kommentar weiter argumentiert. Die nach Ablehnung der Groko entstehende Phase einer Minderheitsregierung der Union, die daraus folgende Neuwahl mit womöglich noch tieferen Ergebnissen für die bedingt energiewendefreundliche SPD und höheren Werten der rechten AFD, die eine merkwürdige Bindung zu Energiekonzernen zeigt: Da blitzt nirgends ein Ankerpunkt für konkrete Fortschrittsphantasien zugunsten eines koordinierten, beherzten oder klugen Erneuerbaren-Ausbaus.

Andererseits: Warum als Energiewendeanhänger auf Regierungseinfluss der SPD setzen, wenn diese ihn durch Verzicht auf das Energie(wende)ministerium gar nicht persönlich (im Wortsinne) geltend machen will? Warum den Glauben auf die Ernsthaftigkeit der im Koalitionsvertrag schimmernden Klimaretter-Rhetorik pflegen – wenn die Genossen in die Talkshows ebenso gar keine Energiewendepolitiker schicken, die für dieses Thema dann dort werben?

Ein Einwand, der umso schwerer wiegt, weil sogar der Arbeitskreis Energie der sächsischen SPD den Vertrag mit diesem Hinweis ablehnt, dass die versprochenen Extra-Ausschreibungen unter dem Vorbehalt genügend ausgebauten Netzvolumens stünden. Und weil diese Netzkapazitäten die Versprechen sofort ad absurdum führten. Selbst SPD-Spitzenpolitiker Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen hat in der vergangenen Woche in einem Interview noch moniert, die Partei habe jahrelang unterlassen, strittige Themen zu klären. Weil nannte als Beispiel die Energiepolitik. Hierzu seien auch im Wahlkampf keine Klärungen erfolgt.

Es bleibt daher dabei: Wer auf politische Besserung in der deutschen Klima- und Energiepolitik setzt, muss zunächst auf einen etwas beweglicheren Unionspolitiker wie Peter Altmaier setzen. Kanzlerin Angela Merkel hat ihn als designierten Wirtschafts- und Energieminister gekürt. Beim BEE-Neujahrsempfang konnte er mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zur weiteren Energiewende etwas Applaus ernten – ohne durch konkrete Versprechen – er machte keine – volle Zustimmung zu gewinnen. Der Politiker der Strompreisbremse hatte der Einführung des jetzigen Ausschreibungssystems mit rapide abgestürzten Stromverkaufspreisen für die Erneuerbaren Vorschub geleistet. Als ehemaliger Umweltminister hatte Altmaier für eine ominöse Strompreisbremse geworben. (Erfolg: Nur Großhandelspreise sinken).  

Ob Altmaier flankiert von einem SPD-geführten Umweltministerium und einem sozialdemokratischen stellvertretenden Regierungschef mit dem Außenministerium unter sich energiewendefreundlicher handelt als – im Falle einer Minderheitsregierung: – ohne, lässt sich dennoch nicht herleiten. Womöglich würde ja eine Minderheitsregierung von CDU/CSU mit den Grünen entstehen – geduldet von SPD und FDP. Und diese könnte für ihre Koalition sowohl auf die ausgehandelten energiepolitischen Inhalte des Grokovertrags und des von den Grünen mit ausgehandelten Jamaikavertrags zurückgreifen. …

Aber hier reicht die Spekulation schon sehr weit. Vielleicht ist es einfach besser jetzt etwas energiepolitisch in die richtige Richtung vorangehen zu lassen, als weitere Monate zu warten, bis eine neue politische Kombination handeln kann. So würde keine wertvolle Zeit verloren gehen, in der die Erneuerbaren-Unternehmen ohne die notwendige Perspektive für den deutschen Markt blieben.

Aber womöglich ist es auch eine Frage des Selbstvertrauens: Die Branche sollte der Politik klar machen, dass sie die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Inhalte als Mindestvorgabe für die Politik erwarte. Dass ein Vertrauensvorschuss allerdings nicht angebracht ist, schon gar nicht mehr für die dritte Groko. Sie müsste die Politiker daran erinnern, dass sie sich schnleunigst das Vertrauen der Energiewendeakteure wieder verdienen müssen. Durch glaubwürdige Positionen in den Talkshows und praktische Politik – die durch eigene Anträge vertrauensbildend auch schon vor der Groko im Bundestag hätte vorbereitet werden können.

(Tilman Weber)