Tilman Weber
Onshore wird wieder wichtiger für Siemens Gamesa, wie die Bilanz für die ersten drei Quartale Ihres Finanzjahres zeigt. Haben Sie hier eine Schwächephase in Sachen Windkraft an Land rechtzeitig beendet, um 2020 wie geplant rechtzeitig an die Weltspitze zu kommen?
Markus Tacke: Onshore war immer wichtig für Siemens Gamesa. Die Windenergie an Land war und ist ein zentraler Bestandteil unserer Geschäftstätigkeit und ein Großteil unseres Marktes. Unabhängig davon ist der Onshore-Markt infolge der Einführung von Auktionen durch eine Übergangsphase mit einem hohen Preisdruck gegangen. Das hat sich auch auf uns ausgewirkt. Wir haben deshalb Anfang 2018 unser Lead-2020-Programm aufgesetzt, das unter anderem Maßnahmen zur Kostenanpassung und Technologieentwicklung enthält. Inzwischen zeigt das Programm Resultate. Bezogen auf Onshore haben wir beispielsweise unser Portfolio konsolidiert und nach unserem Windturbinenmodell SG 4.5-145 jetzt im März unsere neue SG 5.X-Plattform eingeführt. Auf die neue Plattform erfahren wir eine sehr positive Resonanz, insbesondere auch in Deutschland.
Sie vergessen das Ende der Frage: Reicht es, um nun 2020 schon Weltspitze zu werden?
Markus Tacke: Zu klären ist: Was ist unter Weltspitze zu verstehen? Wir haben in vielen Bereichen Fortschritte gemacht und durchaus eine führende Stellung eingenommen. Zu nennen wären etwa die Weiterentwicklung des angesprochenen Onshore-Portfolios oder unser Engagement bei Speichertechnologien wie ETES. Ebenso haben wir unsere Führung in der Offshore-Windkraft deutlich ausgebaut. Umsatz und installierte Megawatt haben wir nicht als Maßstab für die führende Stellung genommen, die wir beanspruchen. Das war auch nicht unsere Ambition für 2020. Dafür ist der Zeitraum seit dem Zusammenschluss von Siemens Wind Power und Gamesa zu kurz. Mit Blick auf das Erreichte sehe ich uns in einer sehr guten Position, um nach 2020 auf dem Weg zu der von Ihnen angesprochenen Weltmarktführung deutlich voranzukommen.
Um es konkreter zu machen: Nach einer Schwächephase im Fusions-Jahr 2017 startete der Aufschwung bei Ihnen 2018. Im März dieses Jahres sagten Sie: “The company has a bright future ahead; we are in the right business at the right time.” Die derzeitige Situation erleben viele in der Branche anders. Warum ist sie gerade für Siemens Gamesa gut?
Markus Tacke: Wir sehen im Onshore-Bereich eine Stabilisierung der Preise im Markt. Bei der Technologie haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Der Zusammenschluss von Siemens Wind Power und Gamesa ist abgeschlossen. Wir sind besonders gut aufgestellt, was die Emerging-Markets angeht – die aufstrebenden neuen Windenergie-Regionen. Und was den Offshore-Markt angeht, verfügen wir über eine außerordentlich gute Position. Beides sind jene Segmente, aus denen das Wachstum unserer Branche in den nächsten Jahren herkommt. Indien wäre hier insbesondere zu nennen, wo wir einer der zwei starken Anbieter sind. Unsere grundsätzliche Aufstellung verleiht uns also zwei strategische Vorteile. Und in Zukunft wird es am Weltmarkt eher positiver ...
Also doch nur positiver? Oder wirklich „richtig gut“, „bright“, wie Sie sagten, wohl als „strahlend“ oder „prächtig“ gemeint?
Markus Tacke: Ich weiß nicht, auf welches Zitat Sie sich beziehen….
Aus der Siemens-Gamesa-Pressemitteilung zur Jahreshauptversammlung …
Markus Tacke: … dann sollte man das aus dem Kontext heraus verstehen. Was damit gemeint ist: Den Prognosen nach wird die Volumenentwicklung des Weltmarktes in den nächsten drei Jahren über dem Niveau der vorhergehenden Phase liegen. Und auch langfristig werden die Windkraft und die Erneuerbaren Energie wachsen. Natürlich müssen wir zugleich auch mit der Preisentwicklung Schritt halten. Unser Merger bietet uns aber, wie schon ausgeführt, die richtige Voraussetzung, um hier mithalten zu können. Wir sind nun weltweit in den unterschiedlichsten Schlüssel- und Wachstumsmärkten so diversifiziert aufgestellt, dass wir nicht abhängig von der Marktsituation in einzelnen Ländern sind. Insofern sind wir als Siemens Gamesa unverändert zuversichtlich. Im Hinblick auf die aktuelle Marktsituation in Deutschland, in der einige Marktteilnehmer so unter existenziellen Druck geraten, wie derzeit, will ich nicht von bright future reden.
Kann Wachstum stabil sein ohne stabile Märkte? Denn das fällt ja auf: Mal sind USA und Chile onshore verantwortlich für Aufträge, mal Norwegen vor den USA, vor Spanien, vor Indien vor Schweden. Hingegen waren zuletzt „Argentinien, Mexiko, Brasilien“ nicht mehr unter den besonderen Wachstumstreibern, obwohl im Vorjahr von Ihnen noch als solche genannt. Lassen sich diese Marktschwankungen auf Dauer aushalten?
Markus Tacke: Das ist richtig beobachtet. Die individuellen Märkte wachsen heute mal schnell, mal sind sie wieder von langsamer Entwicklung geprägt. Schauen wir nur auf den jetzt eingebrochenen deutschen Markt. Im Vergleich zum Wachstum der Jahre davor illustriert diese Entwicklung die angesprochenen Konjunkturschwankungen einzelner Märkte sehr deutlich. Aber gerade dank unserer Aufstellung als Siemens Gamesa sind wir stark genug diversifiziert, um von solchen Trends so weit wie möglich unabhängig zu sein. Durch den Merger sind wir in über 90 Ländern mit Produkten und Service vertreten, so dass wir die Schwankungen einzelner Länder dank dieser Diversifizierung meistern können.
Können Sie derartige Aufs und Abs wichtiger Windkraftmärkte somit auch langfristig oder gar auf Dauer aushalten?
Markus Tacke: Schauen Sie, bei einer langfristigen Betrachtung muss man Onshore, Offshore und Service berücksichtigen. Selbst wenn etwa das globale Wachstum des Marktes für Onshore-Windkraft in einigen Jahren wieder abflachen sollte, wird der Markt für den Service mit Wartungs- und Instandhaltungsdiensten, Monitoring und mehr weiterwachsen. Bei Offshore, da sind wir uns alle einig, wird der Ausbau bis 2030 weiter deutlich zunehmen. Auch wenn man nur Onshore betrachtet, ermöglicht es uns unsere globale Aufstellung, langfristig erfolgreich zu sein.
Siemens Gamesa soll künftig unter das Dach einer teilselbstständigen Strom- und Gassparte des Siemens-Konzerns gelangen. Wird das Einfluss auf die Entwicklungen der Windsparte haben und wenn ja, welche?
Markus Tacke: Klar ist: Siemens Gamesa ist ein separat börsengelistetes Unternehmen mit der Siemens AG als wichtigsten Shareholder, die einen 59-Prozent-Anteil hält. Dieser Anteil wird an die neue Power Generation Company übertragen werden, was Sie als Konzern-Sparte von Siemens bezeichnen. Ein solcher neuer Shareholder, davon ist auszugehen, wird im Aufsichtsrat unseres Unternehmens und in den Hauptversammlungen einen anderen Blick als bisher die Siemens AG einnehmen. Aber grundsätzlich bleiben wir als unabhängiges Unternehmen gelistet. Jetzt gilt es erst einmal den weiteren Prozess der organisatorischen Neuaufstellung der Siemens AG und des dann eigenständigen Energiekonzerns abzuwarten. Als separates Unternehmen werden wir an diesem Prozess aber weder aktiv teilnehmen noch ihn kommentieren.