Wo liegt die größte Herausforderung, wenn es darum geht, einen neuen Klimavertrag in diesem Dezember auf der Weltklimakonferenz COP 21 in Paris zu verabschieden?
Die größte Herausforderung ist es, Staaten zu bewegen, anspruchsvolle, nationale Beiträge vorzulegen. Eine weitere große Herausforderung ist es, mit den Staaten Regeln auszuhandeln, die von allen als gerecht empfunden werden. Die Staaten mit der größten ökonomischen Leistungsfähigkeit, die am meisten emittieren, müssen mehr leisten als ärmere Staaten, die zudem stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden.
Das hört sich nach denselben Konflikten an, die uns seit vielen Jahren von den Klimaverhandlungen vermittelt werden. Trotzdem gibt es die Hoffnung, dass sich in Paris etwas ändert. Womit können wir dort rechnen?
Die grundlegenden Voraussetzungen haben sich in den vergangenen Jahren seit Kopenhagen verbessert. Es gibt technologische Alternativen, die häufig zu gleichen Kosten angeboten werden wie traditionelle Formen der Energieerzeugung. Die Akzeptanz dieser sauberen Ressourcen ist in der Gesellschaft gestiegen. Investoren haben gelernt, in diese neuartigen Technologien zu investieren. Die Öffentlichkeit übt zusätzlich Druck aus, weil die Regierungen nicht genug liefern. Ich bin optimistisch, dass wir einen Vertrag verabschieden werden, der uns einen entscheidenden Schritt in Richtung auf die Zwei-Grad-Obergrenze voranbringt. Dieser wird ein System von Regeln beinhalten, die eine Verschärfung der Anstrengungen in mehreren Schritten ermöglicht oder gar erzwingt. Wir werden ein Signal an die Investoren geben, dass der Weg hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft unumkehrbar ist. Es geht nicht um das „Ob“, sondern zu fragen, wie schnell wir das Ziel auf welche Weise erreichen.
China will aber den eigenen Energieverbrauch erst nach 2025 reduzieren.
Im vergangenen Jahr hat der CO2-Ausstoß in China erstmals den des Vorjahrs nicht überschritten. China wird sich aller Voraussicht nach verpflichten, spätestens 2030 seinen absoluten Emissionshöhepunkt zu erreichen. Die untergeordneten politischen Ziele zur Bekämpfung der Luftverschmutzung und – damit verbunden – das Zurückdrängen der Kohle machen mir Hoffnung, dass der Peak deutlich eher erreicht wird. Aber die Chinesen halten ihre Verpflichtung ein und wollen nichts vorschlagen, von dem sie befürchten, dass sie es nicht 100-prozentig einhalten.
Wären wir vielleicht schon weiter, wenn nicht jedes einzelne Land unterzeichnen müsste?
Bislang sind alle anderen Formate, die das beweisen wollten, diesen Beweis schuldig geblieben. Die G20 wollte sich als effizienteres Gremium erweisen, ist aber nicht als legitimes Verhandlungsforum anerkannt worden. Denn die Staaten, die am meisten unter dem Klimawandel leiden, sind dort nicht beteiligt. Es gibt Bewegungen in internationalen Verhandlungen, zudem konkrete politische Agenden, die außerhalb der COP-Konferenzen vorangetrieben werden. Die internationale Agentur für erneuerbare Energien, IRENA, zeigt zum Beispiel, dass eine Verdopplung der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Einhaltung der Zwei-Grad-Obergrenze leisten kann. Wir brauchen eine klare Orientierung. In 50 Jahren müssen wir CO2-neutral sein. Zum anderen benötigen wir eine Transformationsagenda, die wesentlich auf erneuerbare Energien und Effizienz setzt.
Sie haben die Bedeutung der erneuerbaren Energien mehrfach betont. Gleichwohl gehen Experten davon aus, dass die deutschen Regenerativziele unter Beibehaltung des derzeitigen Kurses nicht erreicht werden. Der Wechsel zu den Ausschreibungen kommt noch erschwerend hinzu.
Wir stehen in Deutschland mitten in einer Transformation des Energiesystems. Ein neues Energiesystem entstand bislang neben dem alten, mit einigen Synchronisierungsschwierigkeiten. Moderne Gaskraftwerke werden eher abgeschaltet als alte Kohlemeiler. Das ist ein Übergangsproblem. Bei inzwischen rund 26 Prozent erneuerbaren Energien im Stommix geht es nicht nur darum, zusätzliche erneuerbare Energien auf den Markt zu bringen. Wir brauchen neben den mit gesetzlichem Einspeisevorrang versehenen erneuerbaren Energien möglichst klimafreundliche und flexible Backup-Kapazitäten für die Zeit, wenn erneuerbare Energien nicht ausreichen.
Vielen deutschen Planern von Regenerativanlagen fehlt es derzeit an Investitionssicherheit.
Wir haben im deutschen Klima- und Energieprogramm festgelegt, dass wir im Jahr 2050 mindestens 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Viele Berechnungen zeigen, dass wir eigentlich sogar vollständig auf diese Ressource umsteigen müssen. Die Erneuerbaren werden also in jedem Fall weiter ausgebaut. Aber wir müssen Systemlösungen finden, die das Energiesystem schrittweise wandeln, um die Herausforderungen zu meistern, die damit verbunden sind.
Das Gespräch führte Nicole Weinhold in der Juni-Ausgabe unseres Print-Magazins. Gefällt es Ihnen, dann holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo.