Zweihundert Newtonmeter Drehmoment pro Kilogramm Getriebegewicht bürden die Windturbinengetriebe entwickelnden Zulieferunternehmen den Drehzahlübersetzern demnächst auf. Diese Nennleistungsverdichtung im Triebstrang trägt den schlichten Namen Drehmomentdichte – und steht doch für hohe Ingenieurskunst.
Mehr Planeten kreisen um das Sonnenrad
Seit rund fünf Jahren verschoben die Entwickler der Hauptkomponente einer Windkraftanlage die Leistungsgrenze pro eingesetzte Getriebemasse von maximal 175 Newtonmeter (Nm) pro Kilo Getriebestahl um ein Achtel auf demnächst also 200 Nm pro Kilo. Sie veränderten die Architektur der Planetengetriebe, indem sie nicht mehr nur drei oder dann vier einzelne sogenannte Planetenzahnräder in dem sie außen umfassenden Hohlrad und um das mittige Sonnenrad kreisen ließen, sondern fünf oder gar sechs.
Mit der größeren Ritzelzahl zielen die Ingenieure darauf ab, die enormen Kräfte in der Planetenumlaufbahn gleichmäßiger zu verteilen und Stöße aus den immer größeren Rotoren besser abzurollen. Manche Hersteller unterstützen die Abrundung durch ein System mit flexibler Aufhängung der Ritzel, das kleinste Verbiegungen in sich ausgleicht, damit die Kontakte der Zahnräder immer formschlüssig bleiben. Außerdem setzen die Entwickler auf neue Gleitlager anstelle herkömmlicher Rollenlager, um Abnutzungen der Rollen oder ihr Durchrutschen zu vermeiden.
Getriebe decken größere Nennleistungsbereiche ab
Die Drehmomentdichte-Designer zielen auf zwei übergeordnete Konzepte. So sollen die Getriebe einerseits immer größere Nennleistungsbereiche abdecken, um in neuesten Windturbinenplattformen eine stetige Erhöhung der Nennleistung und immer neue Rotorgrößen zuzulassen. Das neueste Modell der entsprechenden Shift-Serie des Getriebezulieferers ZF deckt entsprechend einen Bereich von 5,5 bis 9,2 Megawatt (MW) ab.
Andererseits sollen die Designer die Gewichtszunahme der Komponente begrenzen, um die Kosten der Nennleistungserhöhung nicht ausufern zu lassen. Mit nur 37 Tonnen soll demnach das neue Winergy-Getriebe zehn MW Nennleistung stemmen können – nachdem zur Einführung von Sechs-MW-Turbinen an Land noch 40-Tonnen-Getriebe als Fortschritt galten.
Ziel: Hoher Digitalisierungsgrad
Um die Leistungserhöhung ihrer sogenannten High-Density-Getriebe-Serie mit immer weniger Masse dauerhaft abzusichern, setzt Getriebebauer Winergy wie auch andere Getriebebauer auf einen hohen Digitalisierungsgrad. Winergy setzt auf ein Programm, dass das Unternehmen Digital Gearbox nennt und das jedes im Getriebe vorherrschende Drehmoment in jeder Sekunde mit 99,7 Prozent Genauigkeit bestimmen soll. Mit der exakten Drehmomentanalyse lassen sich Lebensdauerprognosen für die Komponente erstellen und ihre Teile vorausschauend warten. Welche technische Bedeutung aus dem Kauf des finnischen Getriebeherstellers Moventas durch das Winergy-Mutterunternehmen Flender im vorigen Jahr folgen wird, bleibt derweil noch abzuwarten.
Der chinesische Getriebebauer NGC erhielt noch Anfang des Jahres vom britischen Branchenmagazin Windpower Monthly eine Auszeichnung für dessen neueste Getriebeplattform für 16 bis 18 MW leistende Anlagen, die auch mit 20 MW arbeiten soll.
Komponentenhersteller ZF lässt bis im kommenden Jahr zwei besonders große Teststände errichten, die ab 2024 künftige 15-Megawatt-Getriebe regelmäßig vor dem Ausstoß aus dem Werk prüfen. Besonders beeindruckend dürfte die geplante 60 Meter lange Anlage mit einem Drehmoment von 45 Meganewtonmeter und 30 MW Motorleistung werden.