Laut den vom Dienstleister Deutsche Windguard erhobenen Installationsstatistiken führte der Zubau nach Abzug der abgebauten Nennleistungen von alten Anlagen zu einer Netto-Zunahme der Erzeugungsleistung von Windenergieanlagen in Deutschland um 1.505 MW. Das Repowering – der Aufbau neuer Anlagen im Austausch gegen am selben Standort abgebaute leistungsschwächere Altturbinen – habe mit 296,5 MW ungefähr das Niveau des Vorjahres beibehalten, erklärte Anna Wallasch von Deutsche Windguard.
Der Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Hermann Albers, lobte, dass einige der beim Windenergie-Ausbau bisher führenden Bundesländer trotz des deutlichen Rückgangs beim Zubau ihren Kurs sogar halten konnten. Im Vorjahr hatte das erste Halbjahr noch Neuinstallationen im Volumen von 2.281 MW eingebracht. Davon unbeschadet installierten die Windparkentwickler in Niedersachsen von Anfang 2018 bis 30. Juni immerhin erneut 465 MW, was dort bisher lediglich vom ersten Halbjahr des Rekordjahres 2017 getoppt wird: Ein Jahr zuvor waren sogar 577 MW hinzugekommen. Dasselbe gilt für Nordrhein-Westfalen: 259 MW schlossen die Windparkentwickler dort neu ans Netz. Nach 314 MW im ersten Halbjahr 2017 erlebte das Bundesland nun das bisher zweitbeste Ausbausemester. Albers lobte insbesondere aber auch die Entwicklung in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen, wo die Halbjahresinstallationen im Zeitraum der ersten sechs Monate auf neue Rekordwerte von 153 und 162 MW kletterten. Als sehr bedenklich hob der BWE-Präsident hingegen die Entwicklung in Schleswig-Holstein und Bayern hervor. Im nördlichsten Bundesland sorgte die sich immer weiter verschleppende Ausweisung neuer Windenergie-Eignungsflächen für einen Abstieg des zwischenzeitlich führenden deutschen Windenergie-Ausbaulandes in das untere Drittel im Bundesländer-Ranking: Hier kamen nur noch 63 MW hinzu. Und in Bayern betrug der Ausbau nur noch 17 MW nach 182 MW im Vorjahres-Vergleichszeitrau. Hier macht sich nun die strengste Abstandsvorgabe für den Bau von Windparks in Deutschland bemerkbar: Der Bau von Windparks muss einen Abstand der zehnfachen Anlagengesamthöhe von Siedlungen wahren. Das hat die Zahl der Flächen für noch nicht genehmigte neue Projektierungen radikal zusammenschrumpfen lassen.
Wie bisher erwarten die Verbände einen Zubau im Gesamtjahr 2018 von noch 3.300 bis 3.500 MW. BWE und der ebenfalls an der Präsentation der Halbjahresstatistik der Windbranche beteiligte Maschinenbau-Verband VDMA teilten mit, noch immer verfüge die Branche über ein Polster genehmigter Windenergieanlagen mit einem Erzeugungsvolumen von 4.200 MW. Doch das Tempo der Neugenehmigungen von Windenergieprojekten habe so rapide abgenommen, dass 2017 und bisher auch 2018 nur noch für 1.900 MW das Baurecht hinzugekommen war. Im kommenden Jahr 2019 erwarte die Branche daher nur noch einen Zubau von rund 2.000 MW.
Die gedämpften Erwartungen der deutschen Windkraft haben mit Veränderungen der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu tun: 2017 führte die Bundesregierung ein Ausschreibungssystem als neuen Marktmechanismus ein, der nun die Vergütung von Neuanlagen und indirekt auch das Genehmigungs- und Ausbautempo regelt. Das bisherige Vergütungssystem sah hingegen die sichere Einspeisung des Windstroms aus Neuanlagen zu einem deutlich über den niedrigen Strommarktpreisen liegenden Tarif vor. Es gilt nun nur noch in einem Übergangsstadium für vor 2017 neu genehmigte Anlagen, wenn diese noch bis Ende 2018 mit der Einspeisung beginnen. Das neue Ausschreibungssystem beschränkte zwar das jährliche Volumen der Auktionen auf ein im Vergleich zu früheren Ausbaujahren immer noch hohes Niveau von 2.800 MW pro Jahr. Allerdings hat eine umstrittene Sonderregel zur Förderung von Bürgerwindparks noch bis Ende 2017 für eine Verwirrung der Branche gesorgt: Die Regel bevorzugte Projekte ohne Baugenehmigungen, wenn diese nur förmlich genug Bürger als Unterstützer und Teilhaber auf dem Papier versammeln konnten. Viele in der Branche fürchten nun, diese 2017 entsprechend fast ausschließlich siegreichen Bürgerwindpark-Projektierer könnten ihre Entwicklungen als zum Scheitern verurteilte Spekulationsobjekte gerechnet haben. Von diesen Bürgerwindparkprojektierern entwickelte Projekte könnten dann in Massen daran scheitern, dass angenommene vorteilhafte Preisentwicklungen neuer Anlagen oder des Windstroms an den Strombörsen nicht eintreten werden. Viele dieser in den Ausschreibungen siegreichen Projekte aus 2017, so rechnen BWE und VDMA, würden erst 2020 oder 2021 ans Netz kommen.
Vor allem beklagt sich die Branche nun aber noch über das ausbleibende Einlösen eines Versprechens: Die neue Regierungskoalition in Berlin aus CDU/CSU und SPD hatte im Koalitionsvertrag im März zusätzliche Ausschreibungen von 4.000 Megawatt binnen kurzem festgehalten. Sie sollten als Ausgleich für die sich verzögernden Bürgerwindparkprojekte dienen, und neu festgelegte Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen helfen. Doch das Vorhaben verzögert sich weiter.
Die Verbände würden alles tun, damit die Regierung sich hier im frühen Herbst endlich festlege, betonte Hermann Albers. Beim VDMA geht der Geschäftsführer des für die Windkraft zuständigen Fachverbands, Matthias Zehlinger, davon aus, dass die zusätzlichen Ausschreibungen von 4.000 MW klug verteilt werden müssen. So könnte die letzte Ausschreibungsrunde des Jahres 2018 erstmals 300 MW des zusätzlichen Volumens für die Projektierer anbieten, ebenso die erste Ausschreibungsrunde des Jahres 2019. Danach könne das Ausschreibungsvolumen der übrigen Tender im Jahr 2019 jeweils mit einem Plus von 500 bis 600 MW angehoben werden, um im selben Tempo auch 2020 fortzufahren. Die Irritationen aus dem ersten Ausschreibungsjahr 2017 mit zwischenzeitlich rapide um die Hälfte eingebrochenen Einspeisetarifen sowie die Unklarheit über den weiteren Ausbaukurs der Politik hat laut den Branchenvertretern zu einem Einbruch der Genehmigungsanträge durch die Projektierer geführt. Doch befinden sich laut BWE bei den Projektierern rund 10.000 MW bereits in verschiedenen Stadien einer konkreten Windpark-Entwicklung. Gebe die Politik jetzt klare Rahmenbedingungen vor mit einem dazu passenden Fahrplan, werde die Windbranche ihre Projektierungsarbeit rasch wieder ausreichend beschleunigen.
In der jüngsten Ausschreibungsrunde hatten die Bieter erstmals weniger Erzeugungskapazität angeboten, als die Tender zur Vergütung vorsahen. Diese Unterdeckung werde sich bei klaren Rahmenbedingungen rasch wieder umkehren, betonen BWE und VDMA.
(Tilman Weber)