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Fundamentertüchtigung

Was tun, wenn es reißt?

Ein leises, gleichmäßiges Brummen hallt durch den Raum eines Gebäudes an der Nonnenwiese in Weimar-Tröbsdorf. Aus einem Raum daneben dringt lautes Getöse – Stunde für Stunde, Tag und Nacht, wochenlang. Ab und an verstummt es und ist einige Stunden später wieder zu hören. Acht Wissenschaftler forschen am Institut für Fertigteiltechnik und Fertigbau, IFF Weimar, mit wenig Hertz (30) im Dienst der Windenergie. Ihr Ziel ist nicht die Auswirkung tieffrequenter Töne auf den menschlichen Organismus, sondern – ganz pragmatisch – die zuverlässige Versiegelung rissiger Fundamente.

2003 registrierte die Windbranche eine wachsende Zahl von Windenergie­anlagen, deren Fundamente an den hochdynamischen Lasten erkrankten. Sobald der Wind weht, sind die Windturbinen beinahe sekündlichen Lastwechseln ausgesetzt, die über den langen Hebel des Windturms die Fundamente angreifen. Der Windturm ist über ein Fundament­einbauteil (FET) im Fundament verankert. Die horizontal gerichtete Windkraft erzeugt über den Hebel vertikal gerichtete Zug- und Druckkräfte zwischen der FET-Verankerung und dem Fundament. Das sorgt bei einigen Anlagen für Sanierungsbedarf. Dieser fällt oft gering aus und kann durch Abdichtungen der Risse zum Schutz vor Wasser behoben werden. In einigen Fällen sind jedoch größere Ertüchtigungen, wie das Einspritzen von Injektagematerial nötig.

Erste Langzeittests

Klaus Deininger, Geschäftsführer der KTW Umweltschutztechnik, schätzt, dass etwa ein Viertel der in den letzten Jahren ge­­bauten Anlagenfundamente Ausbesserun­gen, insbesondere bei den hoch­elastischen Abdichtungen zum Fundamenteinbauteil, bedarf. Seit 2005 befassen sich die Betonspezialisten von KTW auch mit dem Betonfuß der Windenergieanlagen. Über 2500 Windturbinenfundamente hat Deininger bislang untersucht, 800 Fundamente versiegelte oder ertüchtigte sein Unternehmen bis jetzt.

Um die Fundamentertüchtigungen noch zuverlässiger zu machen, arbeitet KTW zusammen mit dem IFF Weimar e.V. an der Entwicklung eines tragfähigen Sanierungsverfahrens. Hierfür untersuchen sie unter anderem die Langlebigkeit verschiedener Injektagematerialien zur Instandsetzung rissiger Fundamente. Drei Grundarten stehen dabei auf dem Prüfstand: Polyurethanharze, Epoxydharze und Zementsuspensionen. Letztere bestehen aus einem Zementmehl, das mit Zusatzstoffen versetzt wird. Sie sind am kostengünstigsten, haben jedoch schlechtere Fließeigenschaften und eine geringere Elastizität als Harz. Das Forschungsprojekt in Weimar will die relevanten Eigenschaften aller Injektagematerialien klassi­fizieren und entwickelt dafür seit 2009 die nötigen Prüfverfahren. „Bisher hat es kein Prüfverfahren zur dynamischen Beanspruchung gegeben“, sagt Steffen Schiecke, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim IFF. Für eine dauerhaft haltbare Instandsetzung ist es jedoch nötig, die dynamischen Auswirkungen der Stoffe zu kennen. „Dichtet man die Risse ab und nach fünf Jahren zeigt sich, dass das Material schlecht war, ist eine weitere Sanierung schwierig“, sagt Schiecke. Die Materialien sollen vor allem ihre Festigkeit und Elas­tizität für Jahre behalten. Um zuverlässig abzudichten, müssen sie zudem gut in alle Risse laufen und sollen dabei weder zu schnell noch zu langsam erhärten.

Für den Versuchsaufbau der dynamischen Druckbelastungstests in Weimar stellen die Wissenschaftler einen Probewürfel aus dem Injektagewerkstoff her. Er misst nur wenige Kubikzentimeter und wird in die Prüfeinrichtung gelegt. Auf ihm lastet ein Stempel, den ein Hydraulikzylinder mit einer Kraft von bis zu 20 Kilonewton (entspricht rund zwei Tonnen Masse) auf den Würfel drückt. 30 Mal in der Sekunde wird der Würfel be- und entlastet – pausenlos, sechs Wochen lang – wobei die Kraft, mit der der Stempel auf den Würfel wirkt, vom System variiert wird. „Innerhalb des Dauerbelastungstests können wir durch die hohe Lastfrequenz ermitteln, wie sich das Harz unter realen Bedingungen über zehn Jahre verhält“, sagt Schiecke. 100 Millionen Lastwechsel muss jedes Material dabei überstehen. Mehr als ein leises Brummen ist während der Tests nicht zu vernehmen, „nur das Hydraulikaggregat, das für die nötigen Kräfte sorgt, ist sehr laut, weswegen wir es in einen Nebenraum verlegt haben.“

Die Injektage ist das am häufigsten genutzte Verfahren zur Fundamentertüchtigung. Die KTW Umweltschutztechnik hat damit gute Erfahrungen gemacht und konnte den Schadensverlauf selbst bei schweren Härtefällen stoppen. Kreisförmige, wasserführende Risse, die das Fundament rund um den Turm durchziehen, oder schollenartige Fundamentabplatzungen gehörten hierbei zu den mittelschweren Fällen. „Wir haben schon Risse im Fundament gesehen, bei denen das eingedrungene Wasser durch die vertikale Turmbewegung herausgepumpt wurde“, sagt Deininger. Bei einer anderen Anlage stieg er im Turm durch eine Bodenlucke von der Zwischenplattform auf das Fundament – mit Gummistiefeln, denn dort stand das Wasser mehrere Zentimeter hoch. Hoffnungslose Fälle? „Nein, auch diese Fundamente kann man wieder zuverlässig herrichten.“

Diese Grenzerfahrungen sind laut KTW Umweltschutztechnik absolute Einzelfälle, auch droht selbst bei den Härtefällen niemals ein Umkippen der Wind­energieanlagen. Aber dynamisch belastete Risse können mit der Zeit größer werden und das Bewegungsspiel kann auch am FET zunehmen. Je nach Schadensbild muss der Betreiber entscheiden, ob er den Schaden nur beobachtet oder Maßnahmen einleitet. „Es gibt keinen rissfreien Beton“, beruhigt Deininger. Sind die Risse nur 0,2 Millimeter dick besteht kein Grund zur Sorge. Werden sie größer, sollte der Betreiber sie abdichten, um eine Schädigung durch Wasser zu vermeiden. Erkennt der Betreiber schollenförmige Abplatzungen entlang des Fundamentes, ist das ein Indikator für vertikale Bewegungen am FET, die der Betreiber messen lassen sollte.

Beim Handlungsbedarf für den senkrechten Bewegungsspielraum am FET gehen die Meinungen auseinander. Unproblematisch sind laut Deininger Mess­ergebnisse, die ein vertikales Spiel von 0,5 Millimeter ergeben. Ab einem Millimeter sollte man die Schadensentwicklung verfolgen. „Bei zwei oder drei Millimetern muss man handeln! Da ist das Spiel am Zug-Druckflansch zu groß, verursacht durch geringer verdichtete Traggerüste mit hohem Porenraum“, sagt Deininger.

Die Konzepte sind tragfähig

Vor einem Schaden ist kein Fundamenttyp generell gewappnet. Ob Hoch- oder Flachfundament, mit Ankerkorb, einfachem oder doppeltem Flansch, viele Konstruktionen bieten einen festen Stand, wobei Probleme überall auftreten können. Ein generelles Konstruktionsproblem, zum Beispiel am weit verbreiteten System Doppelflansch, gibt es nicht. Der Doppelflansch besteht im Wesentlichen aus zwei dicken Metallscheiben mit mehreren Metern Durchmesser, die parallel zueinander mit ein bis zwei Metern Abstand verbunden sind. Sie werden als Komponenten des Fundamenteinbauteils in die Erde gelassen und vom Stahlbeton umschlossen. Auftretende Kräfte werden gleichmäßig verteilt: Der untere Flansch nimmt die Zugkräfte auf, der obere die Druckkräfte.

Weshalb an einigen Fundamenten nach wenigen Jahren Schäden auftreten, kann verschiedene Ursachen haben, die zum einen Konstruktionsdetails betreffen, zum anderen an einer mangelhaften Bauausführung liegen können. Deininger gibt zu bedenken, dass der Fundamentbau heute weiter entwickelt ist als früher. Aufgetretene Mängel, mit denen damals beim Fundamentbau nicht zu rechnen war, können durch die Erfahrung heute vermieden werden. So hat die Branche eine einfache Lösung gefunden, um Abplatzungen um den Fugenbereich am FET weitgehend zu vermeiden: Zwischen Fundament und Fundamenteinbauteil werden heute bis zu 40 Zentimeter tiefe und 0,5 Zentimeter dicke Weichschichten verlegt, die die beiden Komponenten entkoppeln, was die unbewehrte Betonkante des Fundamentes entlastet.

Auch entscheidet die Bauausführung über einen sicheren Stand des Windturms. Wurde der Beton insbesondere in den Flanschbereichen ungenügend verdichtet, gibt das poröse Material nach. Ob Hersteller oder Fundamentbauer den Schaden tragen oder der Betreiber die Kosten selbst schultern muss, entscheiden im Zweifelsfall Gerichte anhand teurer Fundamentgutachten. „Die Anlagenhersteller gehen mit dieser Problematik sehr unterschiedlich um“, sagt Michael Rückert, Leiter des Betriebsführungsbüros More Energy GmbH. Er ist Sprecher des BWE-Arbeitskreises Fundamente, der die Kommunikation zwischen betroffenen Betreibern und Herstellern verbessern will und zurzeit an Handlungsempfehlungen bei Fundamentschäden arbeitet. Fundamentprobleme traten bei allen Herstellern auf. Mit dem Problemmanagement einiger Hersteller war der Arbeitskreis sehr unzufrieden. Eine gute Lösung böten Enercon und Repower, die die Fundamentabsicherung in den Vollwartungsvertrag aufnahmen.

Folgen für die Bewehrung?

Hat das Fundamenteinbauteil zu viel Bewegungsspiel, müssen Injektagen in den Bereich der Flansche gespritzt werden. Hierzu sind Bohrungen nötig. Rund 8000 Euro kostet die Instandsetzung, wobei die Bohrungen am kostenintensivsten sind.

Weitgehend in der Branche bekannt ist, dass Vestas für ihre Sanierungen relativ viele Bohrungen mit mehreren Zentimetern Durchmesser nutzt. Die Statik soll das nicht gefährden, jedoch hält Vestas die Gutachten hierzu unter Verschluss. Immerhin habe es nach einer Fundamentsanierung von Vestas keine weiteren Prob­leme gegeben, wie Michael Rückert aus seinen Arbeitskreiserfahrungen berichtet: „Zuvor haben sich die fachkundigen Vertreter vom Betreiber mit den Beauftragten von Vestas bei immer wieder auftretenden Problemen während der laufenden Sanierung lösungsorientiert auf pragmatische Verbesserungen geeinigt.“

Um die Fundamentertüchtigung weiter zu verbessern, erfasst KTW seit Jahren, wie viele Bohrungen nötig sind und welchen Mindestdurchmesser diese haben müssen. „Unser Ziel ist es, die Bewehrung im Fundament so wenig wie möglich zu beeinträchtigen“, sagt Deininger. Bohrungen von über 20 Stück, mit mehreren Zentimetern Durchmesser, wie mitunter praktiziert, hält er nicht für optimal. Die KTW-Bohrungen haben nur einen geringen Durchmesser, was mit weniger als zehn Liter Füllvolumen auch Injektagematerial spart. Je nach Schaden liegen die Verbrauchsmengen insgesamt häufig zwischen 40 und 65 Kilogramm, was KTW aufgrund der äußeren Schadensbilder oft schon vor der Injektage abschätzen kann.

Beim Fundamentneubau gibt es der­weil kostengünstige Alternativen für spä­tere Injektagearbeiten. „So können vorgefertigte Injektionsschläuche bei der Fundamentfertigung einbetoniert werden“, sagt Deininger. Die Schlauchsysteme kosten rund 400 Euro und sparen gegebenenfalls später notwendige Bohrungen. Das ermöglicht auch eine vorbeugende Ertüchtigung. Diese sollte jedoch erst nach einem Jahr erfolgen, wenn die Hauptschwindprozesse, erste Temperaturschwankungen und Stür­me über die Anlagen gegangen sind.

Noch bis Jahresende forscht das IFF weiter, um das aktuelle Projekt pünktlich abzuschließen. Dann sind IFF und KTW Umweltschutztechnik ihrem Ziel, ein fundiertes Sanierungsverfahren für Wind­turbinenfundamente zu entwickeln, einen großen Schritt näher gekommen. leer