Nicole Weinhold
An Starkwindzeiten herrscht im deutschen Stromnetz oft ein Überangebot an Windstrom, was zum Teil einem verschleppten, viel zu trägen Netzausbau geschuldet ist. In vielen Regionen müssen Windkraftanlagen daher abgeregelt werden. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP hat deshalb die intelligente Nutzung von Überkapazitäten im Stromnetz zur Gebäudebeheizung zum Thema eines Forschungsvorhabens gemacht. Weitere Partner bei Windheizung 2.0: LZ-Speicher sind das Bayerische Staatsministerium, das Bayerische Landesamt für Umwelt und weiterer Konsortialpartner. Im Rahmen dieses vom BMWi geförderten und vom Fraunhofer IBP koordinierten Projekts sollen nun tragfähige Konzepte dafür erarbeitet werden.
Wärme aus erneuerbarem elektrischen Strom
Gebäude in Deutschland bieten mit ihren großen thermischen Speichermassen enorme Potentiale für die Wärmespeicherung. Da Windkraft im Stromnetz der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird und diese überwiegend im Winter in Form von Starkwindereignissen überschüssig vorhanden ist, fallen der Heizwärmebedarf von Gebäuden und die Verfügbarkeit von Überschussstrom zeitlich sehr eng zusammen. Dadurch können die Windheizung 2.0-Gebäude der Zukunft durch die Erzeugung von Wärme aus erneuerbarem elektrischen Strom (Kopplung von Strom- und Wärmesektor, Power-to-Heat) ihren Energiebedarf umwelt- und systemverträglich decken und gleichzeitig zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende beitragen.
Reduktion des Primärenergiebedarfs von 55 bis 85 Prozent
Erste Ergebnisse aus Voruntersuchungen zeigen, dass Windheizung 2.0-Gebäude eine Reduktion des nicht-erneuerbaren Primärenergiebedarfs im Bereich von 55 bis 85 Prozent erreichen können. Die Einsparungen beziehen sich hierbei auf ein Vergleichsgebäude gemäß EnEV 2014 mit Referenztechnologie (Ölbrennwert, thermische Solaranlage, Abluftanlage) unter Bewertung der Betriebsphase und Berücksichtigung des Mehraufwands an Konstruktion für das Windheizung 2.0-Gebäude.
Größtmögliche Flexibilität des Gebäudes
Die Systemdienlichkeit für den Ansatz zur Windheizung 2.0 besteht in der größtmöglichen Flexibilität des Gebäudes und seiner Heiz-/Speichersysteme bezüglich der Stromaufnahme aus dem öffentlichen Netz. Damit kann der Strombezug grundsätzlich sowohl marktorientiert, heißt, angepasst an die Verfügbarkeit der Erneuerbaren Energien als auch netzverträglich und so passend zu Kapazität und Auslastung von Übertragungs- und Verteilnetz, erfolgen.
Windheizung 2.0: Langzeitspeicher
Im Rahmen des Forschungsvorhabens Windheizung 2.0: LZ-Speicher werden die Wissenschaftler unterschiedliche Bauformen von Langzeit-Hochtemperatur-Steinspeichern (HTSS), Wasserspeichern und bauteilintegrierten Langzeitspeichern (BTA) entwickeln, welche eine Nutzung von Windstrom-Überproduktionen zur Gebäudebeheizung ermöglichen. Hierzu muss die Speichergröße dem Heizenergiebedarf des hocheffizienten Gebäudes für ein bis zwei Wochen angepasst und entsprechende Be- und Entladeregelungen geschaffen werden. Zur Erarbeitung geeigneter Lösungsstrategien werden zunächst umfangreiche Analysen mittels instationärer Gebäudesimulation (Wufi Plus, Software zur Simulation hygrothermischer Bedingungen in Bauteilen und des Raumklimas) an ausgewählten Typgebäuden und Speicher-/Anlagenkombinationen durchgeführt. Anschließend erfolgen Messungen an ersten Prototypen auf dem Freilandversuchsgelände des Fraunhofer IBP in Holzkirchen, unter anderem in den Zwillingshäusern (zwei absolut baugleiche Einfamilienhäuser) zur Verifizierung der jeweiligen Ansätze. Die zu entwickelnden Lösungsvarianten orientieren sich hierbei an den Kriterien Wirtschaftlichkeit, Windstromdeckung, Nutzerkomfort und Umweltwirkungen – betrachtet über den ganzen Lebenszyklus. Zur Unterstützung des späteren Markteintritts des Systems Windheizung 2.0 werden Planungs- und Auslegungshilfen für Fachplaner bereitgestellt.
Fachthemenübergreifender Ansatz
Insbesondere der fachthemenübergreifende Ansatz und die Beteiligung von Unternehmen aus den jeweils relevanten Branchen war für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) entscheidend für die Förderzusage des über drei Jahre mit 3,3 Millionen Euro dotierten Forschungsprojektes, das vom Projektträger Jülich betreut wird.
Zahlreiche Industriepartner und Förderer
Neben Industriepartnern aus den Bereichen der Bauteilaktivierung und Speichertechnologien (Concrete Rudolph GmbH, Klimatop GmbH, Rath GmbH, Bundesverband Kalksandsteinindustrie), der Heiz- und Regelungstechnik (Klöpper-Therm GmbH & Co. KG, tekmar Regelsysteme GmbH) sowie Netzbetreibern bzw. Energieversorgern (Tennet TSO GmbH, LEW Verteilnetz GmbH, Lechwerke AG) wird das Zentrum für Innovative Energiesysteme der Hochschule Düsseldorf (Zies) das Forschungsprojekt im Bereich Wirtschaftlichkeitsanalysen und Netzsignale unterstützen. Ergänzend wird das Projekt durch den Freistaat Bayern, vertreten hier durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) fachlich und finanziell gefördert.