Vestas, Siemens, Nordex, Repower, Alstom, Gamesa, GE, Areva Wind und sogar Mitsubishi zeigten es auf der Amsterdamer Messe, die gestern endete: Die neuen Ozeanriesen unterscheiden sich von den Anlagen an Land nun nicht nur durch noch einmal größere Leistungsklassen und Rotordurchmesser von häufig ab 150 Meter. Die Rotoren haben künftig meist eine höhere Blattspitzengeschwindigkeit, flexiblere und spitzer zulaufende Blätter, häufig in der Binnenstruktur mit teuren Kohlefasereinlagen gestärkt. Und die Blätter sind durch eine besondere Verklebung ihrer Einlagen mehr denn je vorgespannt.
Der Schlüssel für derartige Blattveränderungen liegt an einem Vorteil der Meereswindkraft, zu dessen Nutzung die akademische Windkraftforschung schon länger aufgerufen hat: Windenergieanlagen auf See müssen keine Schallgrenzen einhalten, um menschliche Anwohner zu schonen. Daher können die Rotoren nun schneller und damit lauter durch die Luft schneiden. Für die längeren Rotorblätter aber machen sich die Turbinenbauer nun die Fliehkraft zunutze. Die Hersteller bauen die Komponenten weniger massig, dünnwandiger und flexibler. Bei voller Drehzahl richtet dafür nun die Fliehkraft die Blätter vollständig aus und stabilisiert sie. Zugleich nehmen flexiblere Blätter und vor allem schmaler zugeschnittene Blätter weniger Lasten auf. Damit sie indes bei Teillast nicht gegen den Turm schlagen, sind die Flügel künftiger Offshore-Turbinenriesen durch eine spezielle Verklebung ihrer Glasfaserlagen so kurvenförmig vorgebogen, dass sie nur unter Volllast bei Starkwind wieder gerade im Wind rotieren.
Antriebskonzepte für reines Drehmoment
Während manche Hersteller wie Vestas und auch Siemens schon vorher stark vorgebogene Blätter führten, ändern die meisten nun ihr Antriebskonzept. Wie schon angekündigt werden GE, Nordex und Siemens sowie Alstom auf getriebelosen Direktantrieb umstellen - um mit Ausnahme von Siemens an Land vorerst weiterhin eindimensional auf Getriebewindkraft zu setzen. Und Vestas folgt Gamesa und Areva Wind, indem die Dänen ein langsamer drehendes Getriebe mit nur noch zwei statt drei Übersetzungsstufen nutzen. Ein vielpoliger statt nur mit zwei Magnetpaaren ausgestatteter Generator zwingt die Elektrizität stattdessen in die benötigte hohe Einspeisefrequenz. Hinter den Wechseln des Antriebskonzeptes steht immer die Absicht, die Zahl der rotierenden und daher abnutzungsgefährdenden Teile zu reduzieren und somit die teuren weil auf See besonders aufwändigen Reparatureinsätze zu reduzieren.
Dabei ließen sich beide Technologien - Direktantrieb und langsamer drehende Generatoren durchaus auch an Land einsetzen. Gänzlich offshore aber wird die Technologie nun mit speziellen neuen Aufhängungen und Lagerungen des Rotors. Sie erfolgt etwa bei Alstom gleich dreifach, die Hauptwelle ist an den Generatorläufer zudem nur mittels gepufferten Anschlüssen verbunden - so genannten Elastomeren. Nordex hat wie auch Alstom den Generator in den Rückbereich der Gondel jenseits des Turmes versetzt. Dabei versuchen die Nordostdeutschen nun mit dem Einsatz von durchaus industrieüblichen, neuen Rollenlagern die Lasten aus der Rotorwelle sofort in den Turm umzuleiten. Das Ziel beider Prinzipien ist es, alle Kippbewegungen des von wechselnden Windstößen geschüttelten Rotors aus dem Antrieb herauszuhalten. Das propagierte Prinzip nun heißt Windkraft aus purem Drehmoment - ohne Effizienzverluste. Die sicherlich kostspieligen Anpassungsdesigns sollen sich lohnen - noch viel teurere Reparaturen an sonst schneller zermürbten Bauteilen sollen mit der Lastenreduzierung eingespart werden.
Modularität, mehr Gondelraum
Weitere Reformen sind beispielsweise modulare und daher weniger aufwändig zu wartende Komponenten, noch großzügiger bemessene Gondelabdeckungen, die den Wartungskräften mehr Platz zum Arbeiten oder für notfalls längere Aufenthalte bieten sowie Öleinspritzungen in Getriebe statt Ölwannen - was noch leichte Energieverluste durch die sonst gegen den Widerstand des stehenden Öls drehenden Zahnräder verhindert. Und auch wenn nicht alles bei allen Turbinenherstellern gleichermaßen neu eingesetzt wird: Dass Windkraft zumindest im Detail künftig technisch offshore anders als onshore geregelt wird, lässt sich offenbar alleine aus der Menge der veränderten Konzepte ablesen.
So beobachtet der GL-Garrad-Hassan-Ingenieur Tim Camp die Tendenz zu reinen Offshore-Anlagen so: Bei Anlagen ab sechs MW Leistung könnten die Turbinenbauer aufgrund der Windradgröße nicht mehr mit Aufstellungen an Land rechnen. „Die Verbindung ist gekappt“, sagte der Leiter des Engineersbereichs des britisch-deutschen Zertifizierungsinstituts. So hätten Hersteller von Windrädern reine Offshore-Auslegungen der Anlagen bisher gescheut, um sich den Verkaufsweg an Kunden von windstarken Windparks an den Küsten nicht zu verweigern. Diese Mehrzweckvermarktung sei nun nicht mehr zu erwarten.
(Tilman Weber)