Effizienz von Windenergie-Rotorblättern ist ein Schlüssel für wettbewerbsfähige Windkraft. Um sie zu erhöhen, sind passive Rückstromklappen, die automatisch öffnen, wenn am Rotorprofil die Strömung abzureißen droht, ein vielversprechendes Instrument. Zurzeit finden im Forwind-Zentrum für Windenergieforschung in Oldenburg 2D-Strömungssimulationen und Windkanalversuche statt, anhand derer sich die Ertragssteigerung durch Rückstromklappen präzise prognostizieren lässt. Im Verbund mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik testet das im Rahmen eines Frühphaseninvestments von KIC Inno-Energy geförderte Start-up WTS sein Konzept der Rückstromklappen an unterschiedlichen Rotorblattprofilen. Erste Berechnungen und Simulationen waren so vielversprechend, dass WTS schon Patente für die neuartige Konfiguration der Rückstromklappenin ternational angemeldet hat.
Die Idee, Rückstromklappen zu verwenden, kommt aus intensiven Beobachtungen des Vogelflugs. Bei einigen Vögel werden im langsamen Flug die Deckfedern aus dem hinteren Teil des Gefieders aufgestellt und damit die Strömung passiv beeinflusst. Weil diese Federn als natürliches Hochauftriebssystem dienen, haben die Vögel auch bei geringen Fluggeschwindigkeiten viel Auftrieb. Deshalb sind Forscher im Bereich der Luftfahrt um die Jahrtausendwende auf die Idee gekommen, dieses Naturphänomen auf die Technik zu übertragen.
Bisher sind Rückstromklappen an Fluggeräten aber nur simuliert und erprobt worden. Sie sind nicht zu verwechseln mit schon lange existierenden Flügelklappen an Flugzeugen, die aktiv angesteuert werden müssen. Die neue, von der Natur abgeschaute Technologie der Rückstromklappen setzt auf eine passive, unmittelbare Klappenbewegung zur Auftriebserhöhung speziell im sogenannten Stallbereich: in einem aerodynamischen Bereich, in dem die Luftströmung am Flügelprofil abreißt und damit den aerodynamischen Auftrieb des Rotors stoppt beziehungsweise stark verringert. Stallsituationen treten insbesondere im inneren Rotorbereich oder bei seitlichen Schräganströmungen am Rotor auf.
Zwei Dissertationen geben detaillierte Einblicke in das aerodynamische Verhalten der gemäß der Bionik entwickelten Rückstromklappen am sogenannten Horstmann-Quast-Flügelprofil HQ 17, das bei Segelflugzeugen getestet wurde. Dort erwies es sich als zu filigran und damit zu wenig praxistauglich.
In der einen Dissertation führte Robert Meyer im Jahr 2000 Experimente im Windkanal durch. In der anderen untersuchte Markus Schatz 2003 die Profile und den Rückstromklappeneffekt numerisch. Beide kamen unabhängig voneinander zum Ergebnis, dass die Rückstromklappe zu einem verbesserten Verhalten bei Strömungsabriss, englisch Stall, führt.
WTS hat in den Tests bei Forwind bewiesen, dass die Ergebnisse der genannten Machbarkeitsstudien auf die Rotoren von Windkraftanlagen übertragen werden können. Das Start-up erwartet deutliche Ertragssteigerungen. Pitchgeregelte Anlagen können demzufolge um zwei bis vier, stallgeregelte um vier bis acht Prozent Ertrag zulegen.
Bei einem Rotorprofil mit Rückstromklappen entstehen zwei kleinere Wirbelgebiete direkt vor und hinter der Klappe. Diese Wirbel lassen die Strömung noch weiter an der Klappe anliegen, wenn die Luftströmung sonst an der Hinterkante des Blatts abreißen und den Rotor bremsen würde. Bereits dadurch ist der Luftwiderstand kleiner als beim Profil ohne Klappe.
Hinzu kommt der Effekt, dass der Unterdruck auf der Oberseite bestehen bleibt, der für den Saugeffekt und somit den Auftrieb eines Rotorblatts verantwortlich ist. Mehr noch: Der Unterdruck und somit der Saugeffekt ist auf der Oberseite der Klappe sogar noch stärker als beim Profil ohne Rückstromklappen.
Nach den Ergebnissen von Meyer kann sich der Auftrieb im Stall schon durch eine einteilige Klappe bis etwa 16 Prozent steigern lassen. Versuche mit mehreren Klappen in Reihe ergaben sogar höhere Steigerungswerte für den Auftrieb. Zwar erhöht sich auch der Widerstand des Blattprofils im linearen Bereich bei kleinen Klappenwinkeln leicht, aber er ist, wie Schatz gezeigt hat, bei einer günstigen Klappenwahl kleiner als bei der Verwendung von Add-ons wie Vortex-Generatoren. Durch die erhöhte aerodynamische Effizienz würde sich auch der Ertrag einer Windenergieanlage erhöhen.
Widerstand und Kippmoment reduziert
Wind ist von Hause aus unstet. Scherwinde, horizontale Geschwindigkeitsgradienten und der Turmvorstau sorgen für ein ständig inhomogenes Windfeld – ebenso wie Schräganströmungen. Dieses Verhalten tritt nicht gleichmäßig, sondern punktuell an einigen Stellen auf. Solche unregelmäßigen Einwirkungen aber erhöhen die Ermüdungslasten und die Zermürbung der Rotorblätter.
Daneben führt die Schräganströmung zu einem verstärkten Giermoment, englisch yawing moment: einer einschaukelnden Nickbewegung der Anlage. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass der Einsatz von Rückstromklappen im Innenbereich des Rotorkreises zu einer Stabilisierung gegen diesen Nickmoment führt. Zusätzlich scheint der Einsatz im äußeren Blattbereich zur Lastreduktion sinnvoll.
Die genauen Ergebnisse werden voraussichtlich im zweiten Quartal an dieser Stelle vorgestellt.
Autor: Klaus Röhm, Geschäftsführer, Wind-Tuning-Systeme, Ingenieurbüro – WTS
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