Der Branchennachrichtendienst IWR zählte nach einer Aktualisierung am Mittwoch in der ersten Woche des neuen Jahres noch einen Onshore-Windpark-Zubau um 2.290 Megawatt (MW) durch die Auswertung des Marktstammdatenregisters. Am Sonntag zeigt eine ERNEUERBARE-ENERGIEN-eigene Auswertung des offiziellen Anlagenmelderegisters schon 2.375 MW an. Damit ist jetzt schon klar: Erstmals seit dem Einbruch des Marktes für Windparks an Land in Deutschland im Jahr 2018 durch den plötzlichen Wechsel hin zu einem wettbewerblichen Ausschreibungssystem steuert die Branche wieder ein 2,5-Gigawatt-Jahr an. Zubaujahre oberhalb dieser Marke gehören zur statistisch besseren Hälfte der vergangenen gut 20 Jahre moderner Megawattwindenergieanlagen.
Nach noch 1.926,4 MW neu in Betrieb genommener Erzeugungskapazität im Jahr davor war die erhöhte Aktivität 2022 auf den Windparkbaustellen deutlich. Dabei hatte die Branche schon für 2021 einen Markt von bis zu 2,3 Gigawatt (GW) neu errichteter Kapazitäten erwartet. Doch die Coronapandemie und ihre direkten oder indirekten Folgen für die Lieferketten mit fehlenden Bauteilen sowie die Personalknappheit, aber auch zu lange Genehmigungszeiten führten zu Verspätungen beim Windparkbau. Viele Projekte hatten sich somit vermutlich auf 2022 verschoben.
Das Installationsjahr 2022 hatte allerdings nur sehr schleppend begonnen. In den ersten vier Monaten war der Ausbau mit 138 neu errichteten Anlagen deutlich hinter den 180 Turbinenerrichtungen im selben Vorjahreszeitraum zurückgeblieben. Hier dürfte der schon Ende 2021 sich abzeichnende Kriegsbeginn in der Ukraine mit einer Verunsicherung von Investoren und plötzlichen Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Bauteilen mitgewirkt haben. Seit Mai aber hatte die Errichtung neuer Windenergieanlagen stets den Zubau des Vorjahres übertroffen.
Vor allem im November legten die Bauteams 2022 zu. Mit 58 Neuanlagen hatten sie fast doppelt so viel Anschlüsse verzeichnet wie im November ein Jahr zuvor, als 30 Neuanlagen ans Netz gingen. Im Dezember, der sich endgültig erst Ende Januar abrechnen lässt, zeichnet sich ein bereits ebenfalls sehr guter Errichtungsmonat ab. Schon 68 Turbinen haben die Unternehmen bis Sonntagnachmittag als Neuerrichtungen des vergangenen Jahres in das Register eingetragen. In der Schlussabrechnung für den Dezember 2021, die wie alle Dezemberbilanzen der deutschen Windparkinstallationen erst im darauffolgenden Monat erfolgt war, standen 69 Anlagen zu Buche. Es ist wahrscheinlich, dass der jetzt noch bilanzielle Rückstand des Dezembers 2022 um eine Anlage in wenigen Tagen durch die endgültigen Daten im Wortsinne aufgeholt und überholt ist. Wie jedes Jahr haben die Windparkunternehmen noch bis Ende Januar Zeit, ihre Inbetriebnahmen zu melden, ehe sie sonst als Strafe einen Monat lang ihre Garantie auf eine Mindestvergütung verlieren.
Weil die 2022 errichteten Windturbinen erneut deutlich höhere Nennleistungen haben und mehr und mehr auch Turbinentypen mit mehr als sechs MW Nennleistung zum Einsatz kommen, war der Zubau der Erzeugungskapazität im Dezember auch so oder so deutlich stärker als ein Jahr zuvor. Nach 217 MW im Vorjahresdezember betrug der Zubau im Schlussmonat, so der Meldestand am Ende der ersten Januarwoche 2023, mindestens 298 MW.
Eine deutliche Verschiebung zeichnet sich dagegen bei den Herstelleranteilen klar ab: So verfestigt sich zum inzwischen offenbar stabilen Trend, dass der dänische Weltmarktführer Vestas den langjährigen Deutschlandmarktersten Enercon aus Aurich ablöst. Erneut liegen die Dänen – dies legt der klare Vorsprung gemäß Markstammdatenregister nach den ersten acht Januartagen 2023 nahe – um Dutzende Rotorblattsets vorn. So hatten die Vestaskunden an dem von ERNEUERBARE ENERGIEN ausgewerteten Tag schon mehr als 720 MW in das Register eingetragen. Enercon-Kunden hatten bis dahin 567 MW gemeldet.
Auch Nordex dürfte vorbeigezogen sein, allerdings womöglich nicht nur an Enercon, sondern auch an Vestas. 761 MW haben die Nordex-Bauteams gemäß dem Marktstammdatenregister mindestens im vergangenen Jahr in Betrieb genommen. Allerdings hatte insbesondere Nordex noch im Januar 2022 gemeldet, dass das Unternehmen eine große Anzahl an Turbinenerrichtungen vom Vorjahr ins neue Jahr habe verschieben müssen. Ob der Sprung bei den Marktanteilen also viel mehr als ein deutlicher Nachholeffekt bei Nordex ist, bleibt abzuwarten. Auch eine baldige Darstellung durch Nordex selbst, die das Unternehmen häufig im Januar von sich aus mitteilt, könnte weiteren Aufschluss geben. Klar an vierter Stelle mit mindestens 235 MW hat der US-amerikanisch-deutsche Onshore-Windturbinenbauer GE abgeschnitten. Weitere Turbinenhersteller verbleiben wohl weit hinter einem Volumen von 50 MW.
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