Die Beteiligung von Anwohnern an Windparkprojekten ist in den vergangenen Jahren wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Nachdem das Bürgerwindparkmodell der 1990er-Jahre an Bedeutung verloren hatte, standen institutionelle Investoren im Vordergrund. Mit dem Erfolg der Windenergie wurde jedoch auch der Widerstand gegen die Erneuerbaren lauter.
Bürgerbeteiligung als Investment?
Die Politik hat daraus Lehren gezogen und die Beteiligung von lokalen Investoren gefordert, teilweise – wie in Mecklenburg-Vorpommern – sogar zur Bedingung gemacht. Das ist ein wichtiger Schritt, da der Druck auf die Projektierer, lokale Partner einzubinden, dadurch verstärkt wird. Vernachlässigt wird dabei allerdings, dass der potenzielle Teilnehmerkreis mit solchen Beteiligungsmodellen klein ist, da nur vermögende Anrainer angesprochen sind. Hinzu kommt, dass mit der Investition ein beträchtliches Risiko verbunden ist. Denn Windparks erhalten zwar eine feste Einspeisevergütung, aber das unstete Windangebot macht das Geschäft eben auch unzuverlässig. Nach mehr als anderthalb schlechten Windjahren wie zuletzt, steigt die Zahl der notleidenden Windparkprojekte, die aus eigener Kraft die Flaute nicht mehr überstehen können. Damit bleiben Gewinne und Ausschüttungen aus. In extremen Fällen kann das Investment vollständig verloren gehen, was wohl kaum zur Zufriedenheit der Anrainer beitragen würde. In Zukunft wird dieses Problem angesichts der massiv gesenkten Vergütungen sogar noch verstärkt. Aber selbst im Erfolgsfall kann dieses Modell zur Missstimmung im Umfeld beitragen – dann nämlich, wenn Grundstückseigentümer und Gesellschafter gutes Geld verdienen, während die Mehrzahl der Anrainer leer ausgeht.
Neues lokales Denken
Aus diesem Grund schlagen wir vor, andere Wege bei der Bürger- und Anrainerbeteiligung einzuschlagen. Dabei werden vor allem die direkten Anwohner ins Visier genommen, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Leistungsvermögen. Entscheidend ist, die Anrainer einzubinden, die im direkten Umfeld von Windparks leben. Und das heißt im Zeitalter der Eignungsgebiete oft auch, dass sie von einer Vielzahl von Windparks betroffen sind, die nach dem Willen des Gesetzgebers auf wenige geeignete Gebiete konzentriert werden. Das führt zur Entlastung im Ganzen, aber eben auch zur Konzentration der Belastung im Umfeld der Eignungsgebiete. Als Gegengewicht zu den Lasten sollen Anrainer direkt am Erfolg der Windparks beteiligt werden, ohne dass sie die Risiken der Investoren teilen. Dafür dienen finanzielle Modelle, die direkt bei den Anrainern ansetzen und sie unmittelbar entlasten.
Zugleich ermöglichen diese Modelle den Betreibern, Verantwortung und Verankerung an den Orten zu demonstrieren, in denen die Betriebsstätten ihrer Gesellschaften liegen. Die Betreiberfirmen erhalten ein Gesicht. Sie werden konkret greifbar und verlassen die Anonymität, die ihnen ansonsten als Investoren anhaftet. Das wird in der konkreten Umsetzung – soweit die Projektierer nicht mit ihren Regionalbüros vor Ort aktiv werden – durch die Betriebsführer geschehen müssen. Aber diese Vermittlungsinstanz ist vor Ort eher willkommen als eine nur durch den Elektronischen Bundesanzeiger fassbare Betreiberfirma.
Die Projekte sind immer konkret
Im Rahmen der von der REZ bislang begleiteten Anwohnerprojekte stehen zwei Ansätze im Vordergrund: lokale Patenschaften und Anrainerstromtarife. Patenschaften, die mit lokalen Institutionen wie Schulen, Kindergärten oder anderen sozialen Projekten eingegangen werden, wirken dort, wo in den Orten die Finanzierungslücken am weitesten klaffen. Über solche Patenschaften können schulische Projekte gefördert und – klassischerweise – Ausrüstungen finanziert werden. Die langjährigen Patenschaften umgehen dabei das Problem der Einzelspende, die schnell verpufft und zudem in vielen Fällen steuerlich nachteilig ist. Als Sponsoring ausgewiesen, erhalten sie zwar einen werblichen Charakter – was eigentlich ihrem Ziel widerspricht. Aber sie haben für beide Seiten genau die Wirkung, die sie haben sollen: helfen, wo es am nötigsten ist.
Daneben visieren Anrainerstromtarife die direkten Windparkanrainer an: Bei den bislang betreuten Tarifen sanken die Preise für einen Ökostromliefervertrag so stark, dass sie selbst mit Billigstromanbietern konkurrieren können. In einem Gebiet führt ein Betreiberkonsortium zudem einen Sozialtarif ein, der den Ökostrombezug für kinderreiche Familien und Geringverdiener nochmals günstiger macht. Der Vorteil dieses Konzepts ist, dass er nicht an den Zubau weiterer Projekte gebunden ist, wie dies gelegentlich geschieht. Jeder Anwohner, der den Anrainertarif bucht, erhält einen verbilligten Ökotarif.
Als dritter Ansatz wurde ein lokales Sparmodell für Kleinsparer angeboten, bei dem für Sparvolumina von bis zu 5.000 Euro ein Jahreszins von drei Prozent gesichert wurde. Das ist in Niedrigzinszeiten beachtlich, wird aber von der Partnerbank, die das Anlagevermögen absichert, nur auf Neuprojekte beschränkt. Das Modell ist also nicht beliebig wiederholbar.
Alle drei Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie direkt vor Ort und direkt bei den Anrainern ansetzen. Außerdem visieren sie einen möglichst großen Kreis der Anrainer an. Selbst Windenergiegegner werden sich überlegen, ob sie einen Anrainertarif in Anspruch nehmen, allein schon, weil er günstig ist und sie davon profitieren. Die Kosten auf der Betreiberseite sind hingegen überschaubar. Allerdings sind neben den Aufwendungen, die in die Projekte fließen, weitere Kosten für die Kommunikation und Distribution einzukalkulieren.
Autor: Walter Delabar, einer der beiden Geschäftsführer der Regenerative, Energien Zernsee GmbH amp; Co. KG (REZ). Dieser Artikel ist in unserem Print-Magazin erschienen. Mehr exklusive Artikel erhalten Sie, wenn Sie jetzt ein kostenloses Probeheft online bestellen.