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Bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung

100.000 Euro pro Anlage für die Nachtkennzeichnung?

Katharina Garus

Im Januar ist das Energiesammelgesetz in Kraft getreten. Demnach müssen alle neuen und bestehenden Windenergieanlagen, die nach den Vorgaben des Luftverkehrsrechts zur Nachtkennzeichnung verpflichtet sind, bis zum 1. Juli 2020 mit einer bedarfsgesteuerte Nachtkennzeichnung (BNK) ausgestattet werden. Damit schaltet sich die Hindernisbefeuerung nur noch dann ein, wenn sich auch wirklich ein Flugzeug dem Windpark nähert.

Nachrüstung ab 100 m Gesamthöhe

Konkret bedeutet das, dass an Land alle Wind­energieanlagen ab einer Gesamthöhe von 100 Metern nachgerüstet werden müssen. Außerdem alle Offshore-Windenergieanlagen, die im Küstenmeer, in der Zone 1 der ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Ostsee stehen. Die Fachagentur Windenergie an Land geht davon aus, dass damit 16.000 bis 19.000 bestehende Windenergieanlagen nachgerüstet werden müssen. Dazu kommen die Neuanlagen.

Radarsysteme für die Nachtkennzeichnung

Da das nächtliche Dauerblinken der Anlagen immer wieder für Akzeptanzprobleme bei der lokalen Bevölkerung sorgt, hat die Windenergiebranche ganz ohne gesetzlichen Zwang bereits Systeme zur BNK entwickelt. Auf dem Markt erhältlich und von der Deutschen Flugsicherung zugelassen sind bisher drei: das Passiv-­Radarsystem Parasol sowie die Aktiv-Radarsysteme von Dark Sky (vormals Airspex) sowie Quantec. Allen drei Systemen ist gemein, dass sie aus der Reflexion von Strahlungen Informationen über ein nahendes Flugzeug erhalten und die BNK dann einschalten.

Im neuen Gesetz steht nun aber explizit, dass die BNK „auch durch eine Einrichtung zur Nutzung von Signalen von Transpondern von Luftverkehrsfahrzeugen“ erfüllt werden kann. Solch ein Transpondermodell basiert darauf, dass Flugzeuge über von ihnen mitgeführte Transponder Signale aussenden. Diese werden vom Windpark empfangen, der seine Hindernis­befeuerung einschaltet, sobald sich ein Flugzeug nähert.

Transponderlösung erhält Rückenwind

Die Transponderlösung ist grundsätzlich relativ einfach und vor allem kostengünstig, da man auf Seiten des Windparks lediglich eine Empfänger­einheit braucht. Bereits 2011 hat die Lanthan GmbH aus Bremen gemeinsam mit Enercon ein entsprechendes System entwickelt. Seit Jahren ist es im schleswig-holsteinischen Windpark Wiemersdorf erfolgreich im Einsatz. Doch den deutschen Markt hatten Lanthan und Enercon eigentlich abgehakt, denn die Zulassung ihres Systems in der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen“ blieb aus.

Deutsche Flugsicherung kritisch gegenüber Transponder

Das liegt daran, dass die Deutsche Flugsicherung der Transponderlösung kritisch gegenübersteht. Das System setzt voraus, dass ein sich dem Windpark näherndes Flugzeug tatsächlich einen Transponder an Board führt. Eine entsprechende Pflicht gab es bisher nicht. Eine Änderung der Verordnung über die Flugsicherungsausrüstung der Luftfahrzeuge soll sie künftig allerdings für alle Luftfahrzeuge nachts zur Pflicht machen.

„Für uns ist das ein Sinneswandel der Politik“, sagt Wilfried Richter aus der Entwicklungsabteilung von Lanthan. Befeuert allein vom Gesetzentwurf, gehen bei dem Unternehmen seit Wochen zahlreiche Anfragen nach konkreten Angeboten ein. Doch „wir können gar nicht anfangen, unser System zu verkaufen“, bremst Richter die Erwartungen. Derzeit versucht Lanthan zu klären, was das Unternehmen tun muss, um eine Anerkennung durch die Deutsche Flugsicherung zu erhalten.

100.000 Euro pro Nachrüstung

Den größten Vorteil der Transponderlösung sehen viele vor allem in den geringeren Kosten. In der Gesetzesbegründung geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bei Radarsystemen von rund 100.000 Euro pro Windenergieanlage aus. Demgegenüber stehen laut Ministerium die Kosten für die Empfänger der Transpondersignale, die für einen Radius von 10 km und damit für einen gesamten Windpark bei rund 30.000 Euro lägen.

Radarsystem-Hersteller Dark Sky legt eine andere Rechnung vor: Für radarbasierte BNK-Systeme falle derzeit in der Regel eine Anschlussgebühr und eine jährliche Signalgebühr je Windenergieanlage an. Ein häufiges Preismodell sei dabei die Zusammenfassung von circa 100 Windenergie­anlagen bei Kosten von 5.000 Euro einmalig und 1.200 Euro jährlich je Windenergieanlage. Somit wären je Anlage über eine 20-jährige Betriebszeit mit etwa 29.000 Euro zu rechnen. Bei größeren Projekten seien Kosten von etwa 25.000 Euro realistisch.

Kostenvergleich

Der herangezogene Kostenvergleich ist bei Weitem nicht der einzige Kritikpunkt an der neuen Regelung. So ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum Beispiel, dass die Ausstattung der Wind­energielage mit Transpondertechnik selbst ohne luftverkehrstechnische Zulassung zur Pflichterfüllung ausreichen soll. Über den Sinn einer solchen Regelung ließe sich trefflich streiten. Ebenfalls darüber, was genau es bedeutet, dass die Neuregelung nun fordert, dass „die Anlagen“ mit einer BNK auszustatten sind. Denn aus juristischer Sicht legt diese Formulierung den Schluss nahe, dass jede einzelne Anlage eine eigene, in sich abgeschlossene voll funktionstüchtige technische Einrichtung benötigt.

Kennzeichnung für jede einzelne Anlage?

Aktuell werden BNK allerdings so ausgelegt, dass nur einzelne Anlagen eines Parks mit Systemen ausgestattet werden, die die Befeuerung des gesamten Windparks steuern – oder sogar betreiberübergreifend mehrerer nahegelegener Windparks.

Wirtschaftliche Unzumutbarkeit

Bleibt die Möglichkeit, wegen „wirtschaftlicher Unzumutbarkeit“ eine Befreiung von der BNK zu beantragen. Erläuternd heißt es in der Beschluss­empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, dass als Regelfälle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit anzusehen sei, wenn Windenergieanlagen bald abgerissen oder ersetzt werden oder wenn es sich um einen Windpark unter sechs Wind­energieanlagen handelt. Dem Wortlaut des Gesetzes ist das allerdings nicht zu entnehmen. Dieses enthält stattdessen eine sehr weitreichende Generalklausel ohne Konkretisierungen und überträgt die Entscheidungshoheit vollends der Bundesnetzagentur. Ob das sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Es ist am Ende womöglich sogar verfassungsrechtlich bedenklich.

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