Auf einem Arbeitstisch steht ein Windmessgerät, ein sogenanntes Schalenanemometer. Messinstrumente wie dieses drehen sich zu tausenden auf den Gondeln von Turbinen im Wind, um Informationen über die aktuellen Windbedingungen zu erfassen. Kleine Schalen, die wie Eiskugelportionierer aussehen, rotieren im Wind. Im Windforschungslabor des Forwind-Instituts in Oldenburg, sucht man nach besseren Alternativen für die Windmessung. Denn das Schalenanemometer, das den Besuchern des Instituts ins Auge fällt, hat im wahrsten Sinne des Wortes seine Schattenseiten: Die eigene Windabschattung, die bei jeder Umdrehung geschieht, gilt als ein wesentlicher Schwachpunkt. Außerdem reagiert es zu langsam und erzielt ungenaue Ergebnisse. Forwind-Geschäftsführer Stephan Barth stellt ein sogenanntes Kugelanemometer daneben auf den Tisch – auf den ersten Blick ist es nur eine Kugel auf einer Eisenstange.
Kugel statt Schale
In der Anwendung geht aus der Kugel ein Laserstrahl gerade nach unten. Die Stange wird bei Wind leicht gebogen; so trifft der Laser je nach Windrichtung und -stärke an unterschiedlichen Stellen auf einem Messbereich unten auf. Messgerätehersteller hätten bereits Interesse an der Vermarktung des Kugelanemometers signalisiert, sagt Barth: „Noch ist es aber ein Forschungsmessgerät, es muss jetzt für den kommerziellen Einsatz fit gemacht werden.“
Forwind blickt in diesem Jahr auf sein zehnjähriges Bestehen zurück. Die Anemometer-Technologie ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Arbeiten des Windenergie-Forschungsverbunds der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen sowie des Fraunhofer IWES und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das Zentrum für Windenergieforschung wurde vor zehn Jahren von neun Instituten der Universitäten von Oldenburg und Hannover gegründet. Heute sind es drei Unis mit 28 Instituten. Durch Forwind hat die deutsche Forschungslandschaft eine Struktur erhalten.
Gemeinsam statt verstreut
Der niederländische Wissenschaftler Jos Beurskens, Vorsitzender des Forwind-Beirats, spricht von einer „erfolgreichen Konzentration“: „Vor 15 Jahren gab es bis auf wenige Ausnahmen keine Forschung, die sich auf Windenergie konzentriert hat.“ Da hätten nur das Risø in Dänemark, NREL in den USA und das ECN in den Niederlanden die Forschung verfolgt. „Von Deutschland hörte man nichts.“ Aber zu der Zeit habe eine Umfrage von GE ergeben, dass das beste Forschungsklima in Deutschland bestand. „Nur war die Forschung völlig zerstreut. Und das hat sich geändert. Vor zehn Jahren hat Forwind begonnen, die Forschung zu koordinieren und zu konzentrieren, aber auch zu vertiefen. Ich glaube, das ist für manche Länder ein gutes Beispiel, was wir hier heute haben“, sagt Beurskens.
Oldenburg gilt dank Professor Joachim Peinke und seinen Mitarbeitern als Hochburg der Turbulenzforschung. Hannover hat sich einen Namen gemacht als Forschungsstandort für Offshore-Tragstrukturen. Peter Schaumann, Leiter des dortigen Instituts für Stahlbau, erinnert sich: „Allein in Hannover gibt es 13 Professoren, die zu Forwind gehören. Mit der Windenergie haben wir einen Forschungsschwerpunkt gesetzt, der inzwischen ein wesentlicher Teil unseres Profils ist.“
In den Jahren 2008 und 2009 habe es für den Forschungsverbund den größten Entwicklungsschub gegeben, sagt Stephan Barth. Damals habe die Fraunhofer-Gesellschaft überlegt, sich mit dem Schwerpunkt Windkraft im Nordwesten anzusiedeln, das IWES sei praktisch mit dem Start mit Forwind über Projektgruppen verbunden worden, nahezu zeitgleich mit dem Beitritt der Universität Bremen. „Heute sind wir ideal vernetzt, Abteilungsleiter des IWES sind gleichzeitig Professoren an den Unis Oldenburg und Hannover“, sagt Barth. Man könne manchmal kaum unterscheiden, wer Forwind- und wer Fraunhofer-Mitarbeiter sei. Wären da nicht die Schilder an den Büros der Fraunhofer-Mitarbeiter am Institut in Oldenburg, wüsste man es vielleicht wirklich nicht mehr.
So ideal vernetzt war man aber nicht von Anfang an. Erich Barke, Präsident der Leibniz Universität Hannover, erinnert sich an die Anfänge 2004: „Alle zogen an einem Strang – aber nicht in eine Richtung.“ Es habe einen starken Wettbewerb auch innerhalb der Gruppe gegeben. Mit dem Anschluss des IWES sei der Gedanke der gemeinsamen Forschung dann aber übergesprungen. Inzwischen hat jeder seinen Stärken erkannt. „Wir haben einen stärkeren Fokus auf Grundlagenforschung, während das Fraunhofer Institut für Windforschung als Kooperationspartner bei der Anwendung ansetzt“, erklärt Stephan Barth. Forwind bekomme zwar auch direkt aus der Industrie Aufträge. „Das ist bei uns aber ein geringerer Anteil.“ Ein Großteil der Mittel komme aus öffentlichen Forschungsvorhaben. Umso erfreulicher, dass die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljaji´c anlässlich der Zehn-Jahres-Feier bei Forwind in Oldenburg eine Weiterführung der Förderung versprach, denn die läuft diesen Herbst aus.
Warum hat aber gerade die kleine Uni Oldenburg den Stein ins Rollen gebracht? Mit verantwortlich dafür ist auch Werner Brinker, Vorstandsvorsitzender des Oldenburger Energieversorgers EWE. Der Unternehmer hat sich für die Windforschung in der Region stark gemacht und unter anderem über eine Stiftungsprofessur den bekannten Windforscher Martin Kühn nach Oldenburg geholt. Brinker erinnert sich: „Meine Hoffnung bei der Gründung von Forwind vor zehn Jahren war es, dass sich das Institut als Forschungsplattform für die Windkraft etablieren würde.“ Er habe die Entwicklung der Windenergie im Nordwesten verfolgt und einen großen Forschungsbedarf gesehen. „Es hat einfach keinen Sinn, immer nur regional über ein Thema zu sprechen“, sagt Brinker. Wirkungsvoller sei es, einen Forschungsverbund zu schaffen, „so wie wir das hier mit dem Fraunhofer, der Universität Hannover und den anderen Partnern gemacht haben.“ Der EWE sei es wichtig gewesen, das Thema der Strömungstechnik weiterzuverfolgen und höhere Effizienz bei den eigenen Windparks zu erreichen. Der Energieversorger hatte zudem gemeinsam mit Vattenfall und Eon den Testwindpark Alpha Ventus umgesetzt, in dem Forwind im Rahmen der großen Forschungsinitiative RAVE zahlreiche Forschungsprojekte durchführt. Heute ist EWE größter Gesellschafter des Windparks.
Neue Labore und Testzentren
Dank der Unterstützung durch die öffentliche Hand und Unternehmen wie EWE hat Forwind inzwischen auch eine Reihe von hochwertigen Labors und Testzentren eingerichtet. Im September wird in Hannover ein neues Testzentrum für Tragstrukturen eingeweiht. Und der sich gerade im Bau befindliche Oldenburger Windkanal wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als herausragend bewertet, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Die Forscher beschäftigen sich heute vor allem mit Fragen der Effizienz, Lebensdauer und Zuverlässigkeit. Optimale Tragstrukturen, intelligente Windenergieanlagen und Flügel, Lebensdauerverlängerung und Lastmonitoring gehören zu den Forschungsfeldern. Forwind hat sich in der europäischen Windenergieforschung etabliert. Gleichwohl ist dieser Platz nicht in Stein gemeißelt. IWES-Chef und Forwind-Mitglied Andreas Reuter warnt daher mit Blick auf die Regierungspläne, den weiteren Windenergieausbau in Deutschland zu bremsen: „Ich merke, dass wir in Deutschland deutlich zurückfallen, was die Möglichkeiten der Industrie angeht. Wir sind als Institut global unterwegs und da merken wir, dass international viel mehr Interesse gezeigt wird für das, was wir tun, als innerhalb Deutschlands. Das ist eine dramatische Verschiebung, die mir für die Zukunftsfähigkeit der Windenergie hierzulande Sorgen macht.“ Man könne nicht darauf hoffen, dass die Erfolge der vergangenen zehn Jahre die Forschung auch für die nächsten zehn Jahre
tragen. ( Nicole Weinhold) Dieser Text ist eine Kostprobe aus unserer Print-Ausgabe im Mai. Dort sind auch zusätzliche Texte zum Thema erschienen. Kostenloses Probeabo gefällig?