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Windforce in Bremerhaven: Industriekapazitäten für raschen Meereswindparkbau absichern

Auf ihrer dreitägigen Offshore-Windenergiekonferenz Windforce in Bremerhaven haben sich die rund 300 teilnehmenden Branchenakteure insbesondere über die Erfordernisse für den geplanten schnellen Ausbau der Offshore-Windkraft in Deutschland und Europa bis Ende des Jahrzehnts verständigt. Der Vorstandsvorsitzende der Industrievereinigung der nordwestdeutschen Offshore-Windenergie und Wasserstoffwirtschaft WAB, Jens Assheuer, forderte Bürgschaftsprogramme für eine Trafostationenproduktion für die sogenannten Konverterstationen auf See und an Land. Diese Umspannwerke spannen den Meereswindstrom für den Transport durch Hochspannungsgleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) auf 525 Kilovolt (kV) um.  

„Die Werften und Stahlunternehmen in Deutschland sind mittelständisch geprägt“, sagte Assheuer am Dienstag in einer auf der Windforce anberaumten Pressekonferenz. Die finanzielle Aufbauhilfe für eine deutsche Lieferkette könne über zinsgünstige Darlehen für den Ausbau der Plattform-Fertigungsstätten in Deutschland erfolgen sowie über Bürgschaftsprogramme für die Kosten der Herstellung der Plattformen. Dies sei sowohl für die Errichtung der Konverterstationen in Deutschland, als auch zur Exportfinanzierung sinnvoll. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe, Daniel Hosseus, erneuerte die von ihm erstmals im März verbreitete Forderung der Seehafenbetriebe, die bisherige jährliche Finanzierungshilfe der Bundesregierung von 38 Millionen Euro müsse auf 400 Millionen pro Jahr ansteigen.

Es genüge nicht, dass die Bundesregierung wie zuletzt eine Hafenstrategie beschließe. Zusätzlich zu einer Finanzierungsunterstützung müsse sie auch die Bereitstellung von Flächen zur Erweiterung von schwerlastfähigen Kai- und Logistikflächen unterstützen. Alleine für die niedersächsischen Häfen brauche es 200 Hektar Erweiterungsfläche für den Umschlag von Komponenten für den Windparkbau im Meer und an Land, sagte Hosseus zudem mit Verweis auf eine Studie der Stiftung Offshore-Windenergie vom April. Auch die Zuwege zu den Häfen seien als schwerlastfähig auszulegen. Für die Finanzierung müsse die Regierung die Einnahmen nutzen, die der Staat mit Zahlungen der Investoren in den Offshore-Windpark-Ausschreibungen gewinnt. Die Regierung hat einen Anteil daran als Transformationskomponente vorgesehen, mit der sie die Umgestaltung der Energiewirtschaft in ein nachhaltiges Versorgungssystem finanziell unterstützen will. Hosseus forderte, sowohl die Transformationskomponente zur Finanzierung des Hafenausbaus für die Energiewende sowie zuvor ein klares Hafenfinanzierungskonzept zu entwickeln. 

Die mittlerweile 22. Windforce, die jährlich die WAB veranstaltet, war zu einem großen Teil ihrer Debatten und Podien auf die Herausforderung durch den gesetzlich angeschobenen Zubau von jährlich im Schnitt drei Gigawatt (GW) Offshore-Windkraft in Deutschland bis 2030 ausgerichtet. Bis 2030 bereits soll die installierte Offshore-Windstrom-Erzeugungskapazität in Deutschland von aktuell 8,5 auf 30 GW anwachsen. Weitere europaweite zwischenstaatliche Absichtserklärungen zum Beispiel der Nordseeanrainerstaaten bei einem Treffen der Regierungs- und Staatschefs sowie der Energieminister im dänischen Esbjerg 2022 sehen zusätzliche Ziele vor wie einen Ausbau der Offshore-Windkraft von Niederlande, Belgien, Dänemark und Deutschland auf eine gemeinsame Offshore-Windstrom-Erzeugungskapazität von 65 GW bis 2030 sowie 150 GW bis 2050. In einer ähnlichen Deklaration vom April hatten die Energieminister der Ostsee-Anrainer-Länder außer Russland sich auf ein Ziel von 26,7 GW in der Ostsee bis 2030 verständigt. Kernthema der Podien und Vorträge des Branchen-Industrietreffens war in Bezug darauf, inwiefern sich schnell genug die im Verhältnis zu den enormen Zielsetzungen um ein Vielfaches zu knappen Kapazitäten bei Häfen, Transport- und Bauschiffen sowie bei der Fertigung der Turbinenkomponenten und Netztechnik ausweiten lassen werden. Und wie daraus eine Lieferkette entstehen kann, die auch mittelständische Unternehmen an der künftigen Offshore-Energiewirtschaft beteiligt und für Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Region, bundesweit oder zumindest in Europa sorgt.

Die WAB trete für eine lokale Wertschöpfung in Deutschland, auch im europäischen Ausland, nicht aber außerhalb Europas durch den Offshore-Windenergie-Ausbau ein, sagte Assheuer auf einem der Diskussionspodien am Dienstag. Sie müsse es erlauben, dass möglichst viele Teile in der Fertigung und große Anteile der Wartung von Unternehmen in der Region kommen werden. Dafür müssten qualitative Ausschreibungen künftig Raum für neue Technologien schaffen. Die Politik müsse Testfelder für neuartige Anlagen anbieten, auch eine nachhaltige Projektumsetzung mit nur geringer Verursachung von Treibhausgasemissionen müsse ein Kriterium für Zuschläge bei den Ausschreibungen sein sowie Programme gegen den Fachkräftemangel seien vonnöten.

Die Offshore-Windenergie-Industrie in Deutschland bildet kaum noch eine Lieferkette. Wichtige Gewerke verschwanden nach einer vor gut zehn Jahren erfolgten plötzlichen Rücknahme der Ausbauziele für Offshore-Windparks in Deutschland und infolge eines Fadenrisses bei den Windparkentwicklungen, den ein Systemwechsel bei der Zulassung und Vergütung von Offshore-Windparks 2017 verursacht hatte. Seitdem fehlen insbesondere Spezialschiffbau- und Konverterstationen-Hersteller sowie Windturbinen-Rotorblattfirmen. In der Branche macht sich nun die Sorge breit, falls sich die Wertschöpfungskette nicht schnell genug wieder aufbauen lasse, könnten billig und auch unter unfairen Wettbewerbs- und Finanzierungsbedingungen produzierende Wettbewerber aus Asien und insbesondere China aber auch Kapitalgesellschaften aus den USA die Lücke füllen, ohne Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den Regionen aufzubauen. Der dänische Generalkonsul in Hamburg, Jakob Andersen, verwies auf das positive Beispiel des diesjährigen Partnerlandes der Windforce, Dänemark. In Dänemark sei die komplette Lieferkette vorhanden, betonte er.

Ein bedeutendes Hindernis für den Aufbau von ausreichend Fertigungskapazitäten ist das nur langsame Entstehen langfristiger Auftragspipelines. Der Chef fürs Operative Geschäft beziehungsweise Chief Operating Officer (COO) beim Betreiberkonzern Tennet des an die Nordsee angrenzenden Übertragungsnetzes der Niederlande und Deutschlands, Tim Meyerjürgens, verwies dagegen auf die erfolgreiche Vergabe von Aufträgen für mindestens rund 15 Konverterstationen in beiden Ländern. Nach einer Ausschreibung im Herbst 2022 vergab Tennet inzwischen die Aufträge für 30 Milliarden Euro für die Bereitstellung der Netzanschlusskapazitäten der kommenden Offshore-Windparks bis 2030.

Der Geschäftsführer des Beratungs- und Expertise-Unternehmens Deutsche Windguard, Dennis Kruse, erklärte mit Blick auf die nächste bevorstehende Bundestagswahl in eineinhalb Jahren, entscheidend für den Aufbau einer Lieferkette sei es zunächst, dass auch die nächste Bundesregierung die Ausbauziele für Offshore-Windkraft aufrechterhalte. Als Vertreter eines der wenigen bereits heute gut mit einer Auftragspipeline im Offshore-Windenergiegeschäft ausgestatteten Industrieunternehmen verwies der Geschäftsführer beim Cuxhavener Monopile-Hersteller Steelwind indes auf die bisher nur begrenzte Möglichkeit für eine Ausweitung der Fertigungskapazitäten. 2023 hatte Steelwind, ein Tochterunternehmen des Saarländischen Stahlherstellers Dillinger Hütte, 100 Stahlzylinder-Gründungspfähle für die Meereswindparks ausgeliefert. Die sogenannten Monopiles dienten zur Errichtung von Turbinen mit einer durchschnittlichen Nennleistung von 12 Megawatt (MW) und damit einer Windkraftkapazität von 1,2 GW. Damit sei die Kapazität von Steelwind in Cuxhaven noch nicht komplett ausgereizt. Durch eine Umrüstung der Steelwind-Produktionsstätte lasse sich die Fertigung in absehbarer Zeit noch für die jährliche Zulieferung für den Aufbau von Windparks mit 1,5 GW aufstellen.

Die Leiterin des Offshore-Windenergie-Geschäfts von BP in Deutschland, Ina Kamps, kann auf das offenbar schnelle Anpacken auf einer Fläche für ein Zwei-GW-Rekordprojekt in der Nordsee verweisen. Der britische Ölkonzern hatte im Sommer 2023 zusammen mit einem weiteren Ölkonzern die Zuschläge für die gesamte Ausschreibung der ersten nicht staatlich voruntersuchten Flächen für insgesamt sieben GW erhalten – und dafür die Rechte für zwei Zwei-GW-Felder bekommen. Schon im Oktober habe BP die geophysikalischen Untersuchungen des Seebodens unternommen.

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