Damit europäische und regionale Unternehmen die vorgesehene Verdreifachung der Windstrom-Erzeugungskapazität auf See bis 2030 selbst stemmen können, solle die Bundesregierung ihren Entwurf der neuen Wettbewerbsregeln nachbessern, die Hafenstandorte bei der Errichtung der Umschlagplätze finanziell unterstützen, Rekrutierung und Ausbildung von Fachkräften fördern sowie Genehmigungen für Windparks oder Stromleitungen beschleunigen. Dies verlautbarten die Windenergie- und Wasserstoff-Wirtschaftsorganisation WAB sowie Branchenunternehmen während der Offshore-Windenergie-Konferenz Windforce in Bremerhaven.
Gerade angesichts von Lieferengpässen und Rohstoffpreissprüngen infolge des Ukrainekrieges, der Coronapandemie und der Handelsstreitigkeiten mit dem Komponenten-Lieferland China forderten die WAB und ihre Partnerunternehmen, die Ausschreibungsregeln im Reformentwurf des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) deutlich anzupassen. „Das Gebot der Stunde lautet, dass die Ausschreibungen für Offshore-Windparks systemintegrativ und volkswirtschaftlich sinnvoll sind“, sagte der Geschäftsführer des Projektierungsunternehmens Ørsted Deutschland, Jörg Kubitza. Zudem brauche es „faire Wettbewerbsbedingungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen“, forderte die WAB.
Das WindSeeG sieht gemäß dem Entwurf der Bundesregierung zwei neue Ausschreibungsverfahren für die Genehmigung neuer Windparks auf See vor. So soll die Hälfte der Zuschläge in Ausschreibungen speziell für Projekte auf staatlich voruntersuchten Flächen in Nord- und Ostsee gemäß sogenannten Differenzvergütungsverträgen erfolgen, im internationalen Sprachgebrauch der Branche auch Contracts for Difference (CFD) genannt. Demnach bekommen die bietenden Projektierungsunternehmen den Zuschlag, die den geringsten garantierten Vergütungspreis für die geplante Stromeinspeisung verlangen. Sie müssen nach dem Bau des Windparks wie bisher den eingespeisten Strom auf dem freien Strommarkt vertreiben. Sie erhalten einen zusätzlichen Aufschlag durch den Netzbetreiber ausbezahlt, wenn der erzielte Verkaufspreis unterhalb ihrem Gebotswert liegt – und dieser Zuschlag gleicht diese Differenz exakt aus. Sind die Stromhandelspreise hingegen höher als der erzielte Vergütungszuschlag müssen die Windparkbetreiber die entsprechenden Überschüsse den Netzbetreibern beziehungsweise an ein staatliches Verrechnungskonto auszahlen. Für nicht voruntersuchte Flächen bieten die Projektierer hingegen eine Zahlung pro installierte Leistung an und bekommen Bewertungspunkte für bestimmte Vorzüge ihrer Planungen, die dann über den Zuschlag entscheiden. Diese soll es für die Recycling-Fähigkeit der Rotorblätter geben, den Grad der Vereinbarkeit des Projekts mit dem Natur- und Umweltschutz, den zu erwartenden Energieertrag und den Anteil geplanter direkter Stromlieferverträge mit großen Stromabnehmern. Im Detail soll die Bundesnetzagentur den zu erwartenden Stromertrag auch mit den geplanten insgesamt überstrichenen Rotorflächen bemessen sowie mit dem Anteil von Fundamenten, die sich ohne lautes Rammen in den Boden verankern lassen oder nicht aus Schwergewichtsgründungen mit enormen Betonmassen bestehen.
Schon zu den Ausschreibungen nach dem von der Branche seit Jahren geforderten CFD-Vergütungsmodell für die voruntersuchten Flächen mahnen die Akteure des Windforce-Aufrufs einen Nachbesserungsbedarf an: Die Ausschreibungen benötigten“ einen dynamischen Inflationsausgleich“, sagte Martin Gerhardt, Geschäftsführer der Deutschland-Sparte des Windturbinenunternehmens Siemens Gamesa. Nach einer Indexierung der Kosten zum Zeitpunkt des Ausschreibungszuschlags seien dann die Preissteigerung aufgrund von Rohstoffknappheit oder Lieferschwierigkeiten bis zum Baubeginn in die Vergütung einzupreisen ähnlich Modellen in Großbritannien, Frankreich oder Polen. Einen CO2-Fußabdruck in den Ausschreibungsbedingungen wie von den Bundesländern m Bundesrat gefordert „im Produktlebenszyklus von Gewerken“ halte die WAB zudem „für einen wesentlichen Punkt“, sagte WAB-Geschäftsführerin Heike Winkler. Dieser soll nicht nur den Klimaschutz stärken, sondern auch regionale Zulieferer dank kürzerer Transportwege und daher weniger Emissionen stärken und auch europäische Unternehmen dank ihrer Umweltstandards höher bewerten.
Insbesondere die ungedeckelten Zusatzzahlungen zu den Ausschreibungen kritisieren die Akteure gemäß vorherigen Mahnungen auch anderer Windenergieorganisationen. Solche Zahlungen führten nur zu unnötigen Strompreissteigerungen. Stattdessen sollten weitere Kriterien als die bisher vorgesehenen bei den Ausschreibungen für nicht voruntersuchte Flächen dafür sorgen, „dass das Geld dahin geht, wo es auch hingehört“, sagte Jörg Kubitza von Ørsted Deutschland: Eine Höherbewertung von Co-Use eines Windparkstandorts beispielsweise für die Fischerei, wie sie der Bundesrat ebenfalls vorschlägt, oder die Höherbewertung guter Löhne und der Beachtung von Arbeitssicherheit gehörten hierzu. Die Belohnung einer möglichst großen überstrichenen Rotorfläche bewertete Kubitza hingegen skeptisch: Ein solches Kriterium werde eher Wettbewerbsunternehmen in China zugutekommen, betonte er, weil dort Offshore-Windturbinen mit Großrotoren künftig häufig die dort eher schwachwindigeren Standorte bewirtschafteten.
Auch die Unterstützung der Hafenstandorte bei den Investitionen in ihre Infrastruktur gehört zu den Forderungen der Windforce-Akteure. Der Geschäftsführer für das operative Geschäft beim Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Tim Meyerjürgens, forderte zudem, dass die Politik nicht nur den Ausbau der Windparks beschleunigen und die Projektgenehmigungen entbürokratisieren müsse. Sie müsse hierbei auch für den schnellen Ausbau eines starken und flexibelen Übertragungsnetzes auf See und an Land die Beschleunigung der Verfahren bewirken. Genehmigungen sollten künftig und am besten in höchstens der gleichen Zeit zu erreichen sein, wie es für den Bau solch großer Leitungen benötige, derzeit maximal zwei bis drei Jahre. Der Geschäftsführer für den deutschen Markt beim belgischen Windparkprojektierungsunternehmen Parkwind, Manfred Dittmer, forderte, Genehmigungen dürften beim Offshore-Windkraftausbau in Deutschland künftig nicht mehr die Regelungen für jedes Detail beanspruchen.
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