Tilman Weber
Der weltweite Ausbau der Erneuerbare-Energie-Erzeugungskapazitäten ist 2018 stabil geblieben. Die Erweiterung des Anlagenparks zur Erzeugung von grünem Strom, grünem Treibstoff oder grüner Wärme und grüner Kälte hielt auch im vergangenen Jahr das gute Tempo des Jahres 2017 bei. Außerdem erreichten die erneuerbaren Energien in der weltweiten Stromerzeugung erstmals einen Anteil von 26 Prozent – wobei der Ausbau der Erneuerbaren-Verstromung im vierten Jahr in Folge nun gemessen an der neu installierten Kapazität größer war als der bei fossiler Elektrizität inklusive der Atomkraft. Dabei nahm der Anteil der Erneuerbaren am allgemeinen Ausbau der Energieerzeugung einschließlich aller Anlagen mit fossilen Brennstoffen sogar noch einmal leicht auf deutlich über 60 Prozent zu. Das ergeben die in der neuesten Ren-21-Analyse Renewables 2019 – Global Status Report nun präsentierten Daten.
Während dieses allgemeine Fazit durch Ren 21 in Energiepolitik und Energiewirtschaft wohl die wenigsten überraschen dürfte, zeigt der Blick in die Details allerdings, wo die größten Antriebs- und Bremskräfte wirken: Denn der konstante Ausbau der Erneuerbaren ist keineswegs eine weltweit homogene Entwicklung begleitet durch stabile nationale Fördermaßnahmen der Energiepolitik. Und zugleich lässt sich der ökonomische Siegeszug der Erneuerbaren kaum aufhalten. So erreichten Ende 2018 neue Wind- und Photovoltaik-Anlagenparks an vielen Orten der Welt eine höhere Wettbewerbsfähigkeit im freien Energiemarkt als bestehende Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe. Umgekehrt allerdings gingen die Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen weltweit leicht von 304,9 Milliarden US-Dollar auf 288,9 Milliarden zurück – weil in China aufgrund gesetzlicher Änderungen vergleichsweise weniger frisches Geld in die Erneuerbaren floss als im Vorjahr. Die Städte zeigten sich 2018 zunehmend als wichtige Treiber für den Erneuerbaren-Ausbau. Als eines der größten Probleme bleibt aber eine unterm Strich weltweite Untätigkeit bei Verkehr sowie bei Wärme- und Kälteversorgung.
Die zehn schönsten Entwicklungen und die zehn peinlichsten Pleiten der globalen Energiewende:
Flops
- Der weltweite Energiebedarf stieg auch 2018 deutlich. Mit geschätzten 2,3 Prozent mehr Energieverbrauch veranschlagen die Statistiker den höchsten Anstieg in der vergangenen Dekade. Vor allem ein stärkeres globales wirtschaftliches Wachstum mit 3,7 Prozent sowie mehr Bedarf an Kühlung und Wärmeversorgung trieben den Verbrauch. Dabei waren China, die USA und Indien zusammen schon für 70 Prozent dieser Zunahme verantwortlich. Die Vereinigten Staaten legten hier insbesondere beim Verbrauch von Öl und speziell von Gas als Ersatz für die Kohlenutzung zu.
- Auch ohne die zwei wichtigsten Energiemärkte dieses Kontinents gerechnet, ohne China und Indien, war Asien 2018 die Großregion mit der Mehrheit der weltweiten Kohlekraftwerken sowie führend bei den Neuanschlüssen von Atomkraftwerken. Die Zahl der neuen Netzanschlüsse von Kernkraftwerken verdreifachte sich und die Eröffnung neuer Baustellen nahm um 50 Prozent zu.
- Indonesien hat in der Geothermie trotz eines gigantischen Potenzials von 29 Gigawatt seine Ziele vorerst wohl endgültig verfehlt. Der Bau des gerade einmal 30 Megawatt leistenden Kraftwerks Karaha Unit 1 für enorme 200 Millionen US-Dollar bestätigte die Sorgen der Investorenszene über Risiken und Kosten.
- In der Türkei brach der Ausbau der Photovoltaik (PV) um 37 Prozent förmlich auf immerhin immer noch starke 1,6 Gigawatt (GW) ein – bei einer nun insgesamt installierten Kapazität von 5,1 GW. Schuld war die Unklarheit über die künftige Förderung oder Vergütung. Auch der PV-Leitmarkt Japan verlor um 13 Prozent an Volumen.
- China schaltete bei den Investitionen in PV einen Gang zurück, was die Investitionen in neue Projekte um mehr als die Hälfte einbrechen ließ. Statt 90 Milliarden US-Dollar investierten die Chinesen nur noch rund 40 Milliarden. Verantwortlich war die Umstellung der Förderung auf ein Auktionssystem, weil Peking die Branche konsolidieren will. China war somit wesentlich für einen weltweiten Rückgang der Investitionen in erneuerbare Energien insgesamt um elf Prozent verantwortlich. Der Anteil des Weltmarktführers an diesen Investitionen ging dabei von 37 auf 32 Prozent zurück. Allerdings erreichte der PV-Zubau in China 2018 mit 45 GW noch einmal einen neuen Rekordwert.
- Europas Stagnation beim Windparkausbau führt inzwischen zu einem starken Rückgang der Arbeitsplätze: Um neun Prozent weniger Jobs bot die Branche Anfang 2018 an, noch 314.000. Hier liegen erst die Zahlen des Ende 2017 erreichten und somit Anfang vergangenen Jahres wirksamen Beschäftigungsniveaus vor.
- Die Investments in führenden lateinamerikanischen Märkten erwiesen sich als instabil. So gingen sie in Chile und Mexiko um 41 und 38 Prozent auf 1,2 und 3,7 Milliarden US-Dollar zurück. Vor allem die Windkraft war durch die beiden Wackelkandidaten betroffen.
- Das größte Infrastrukturprojekt Kolumbiens, das 2,4 GW leistende Wasserkraftwerk Ituango, leidet unter einem Baustopp, nachdem durch Überflutungen ein Dammbruch gedroht hatte und zehntausende Menschen aufgrund von Evakuierungen der Umgebung ihre Häuser verlassen hatten.
- Der PV-Ausbau hat in Australien zu ernsthaften Netzengpässen sowie Verzögerungen beim Netzanschluss geführt. Das ist auch für die weltweite PV-Entwicklung entscheidend: Australien ist hier der fünfgrößte Markt.
- Der weltweit bisher wichtigste Offshore-Windenergie-Markt verliert an Schwung: Um 16 Prozent ging der Ausbau der Windkraft auf See in Europa zurück und betrug noch erreichte noch 2,6 GW neu ans Netz angeschlossene Erzeugungskapazität. Zum Vergleich: Weltmarktführer China schloss erstmals 1,7 GW Meereswindstromleistung ans Netz an.
Tops
- In Asien ohne die Ausnahmemärkte China und Indien nahmen die Investitionen in die Erneuerbaren um sechs Prozent auf 44,2 Milliarden US-Dollar zu – auf den höchsten Wert immerhin in den vergangenen drei Jahren. Somit trugen die asiatischen Länder auch ohne ihre Weltmarktführungsmärkte immerhin 15 Prozent zu den weltweiten Investitionen bei.
- Der Wachstum insbesondere des Bioenergiemarktes aber auch des wachsenden Ausbaus von nicht netzgebundenen PV-Anlagen zur Eigenversorgung und auf dem Land führt zu stark wachsender Beschäftigung in Asien: Alleine Südostasien bot 2018 im „Off-Grid“-Solarbereich 262.000 Jobs. Die Zahl der Beschäftigten durch die Biospritproduktion stieg in derselben Region um 8,5 Prozent auf sogar 413.000 an.
- Alleine die Stromerzeugung aus Bioenergie nahm in Asien außerhalb des Ausnahmemarkts China – aber gerechnet mitsamt Indien – um 16 Prozent zu.
- Weil China den Netzausbau erfolgreich vorangetrieben hat, geht die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen aufgrund immer seltener überlasteter Stromnetze deutlich zurück: Von 17 auf 12 und im vergangenen Jahr nun auf 7 Prozent sank die sogenannte Curtailment Rate: der Verlust durch das Einspeisemanagement der Netzbetreiber.
- Die Regierung im wichtigsten Erneuerbare-Energien-Markt legte neue wichtige Leitlinien fest: Der Stromverbrauch muss 2030 zu 35 Prozent aus Erneuerbare-Energien-Anlagen erfolgen und in der Endenergienutzung müssen die Erneuerbaren schon 2020 einen Anteil von acht Prozent erreichen. Und die Verkaufszahlen der Elektroautos sollen 2020 die Zwei-Millionen-Marke toppen.
- In den USA erreichten die Investitionen in die Erneuerbaren das höchste Level seit 2011. Hinzu kommt, dass die lokalen Initiativen und die Initiativen der Bundesstaaten zum Ausbau der Erneuerbaren-Nutzung auch als Gegenwehr gegen die energiewendefeindliche Politik der gegenwärtigen Regierung in Washington zunehmen. Inzwischen haben beispielsweise über 100 Städte eigene kommunale Ziele für eine 100-Prozent-Grünstromversorgung beschlossen.
- Die Zahl der Jobs in der Erneuerbaren –Branche nahm um noch einmal fünf Prozent auf 855.000 zu.
- Die Europäische Union legte durch einige neue Direktiven und Zielsetzungen die Latte für die nächsten Energiewende-Sprünge wieder höher: Vorbereitungen eines Marktes nicht nur für die Grünstromerzeugung, sondern auch für Energie-Speichern und die Verbrauchssteuerung; der Entwurf einer Strategie für Null-CO2-Emissionen im Jahr 2050; eine Modernisierung des Emissionsrechtehandels für das kommende Jahrzehnt ab 2020.
- Australien mausert sich vom Klimasünder zu einem Vorzeigemarkt der Erneuerbaren: Mit einer Steigerung der Investitionen in Erneuerbare um 32 Prozent auf 9,5 Milliarden US-Dollar und einer Verdreifachung der alleine 2018 erreichten jährlichen Installation von PV-Anlagen auf 3,8 GW sind die Beiträge des kleinsten Kontinents auch im Weltmaßstab nun bedeutend.
- Ein rein statistischer Clou blieb Palau vorbehalten: Der Inselstaat konnte das im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt weltweit höchste Investitionsvolumen verbuchen.