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CO2-Senken: Natur besser als Hightech – zumindest kurzfristig

Trotz eindringlicher Warnungen vor dem Klimawandel stößt die Welt noch immer viel zu viel Kohlendioxid aus. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad Celsius zu begrenzen, wird es daher wahrscheinlich notwendig, der Atmosphäre CO2 zu entziehen.

Doch welcher Pfad ist am vielversprechendsten? Die Erweiterung natürlicher Senken (ENS) wie beispielsweise die Wiederaufforstung von Wäldern oder Wiedervernässung von Mooren oder neue Technologien, die chemische Prozesse zur Kohlenstoffabscheidung (CDR) nutzen?

High-Tech-Optionen brauchen noch Zeit – und bergen Risiken

„Während einige ENS-Optionen bereits heute eingesetzt werden und gegebenenfalls ausgeweitet werden könnten, würde es bei der Mehrheit der High-Tech-Optionen Jahre oder sogar mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sie in großem Maßstab eingesetzt werden könnten“, sagt Malgorzata Borchers vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), die die Studie zusammen mit ihrer UFZ-Kollegin Daniela Thrän geleitet hat. Sie seien außerdem oft abhängig von der Möglichkeit der Kohlenstoffspeicherung, die in Deutschland derzeit durch Gesetze eingeschränkt ist und nur durch eine Änderung der geltenden Vorschriften erschlossen werden könnte.

Das Potenzial und die Durchführbarkeit von CDR seien zudem von vielen Variablen abhängig. Dazu gehören unter anderem die Verfügbarkeit von Infrastrukturen und Ressourcen wie Land und Energie. „Gleichwohl ist es wichtig, diese Technologien weiterzuentwickeln, damit sie bei Bedarf im späteren Teil des Jahrhunderts eingesetzt werden können.“ Insgesamt wurden in der Studie 13 CDR-Optionen mit Einsatzpotenzial ermittelt und analysiert.

Top 1: Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee

Die vorgeschlagenen Konzepte weisen demnach ein sehr unterschiedliches jährliches CO2-Entnahmepotenzial auf, das von 62.000 Tonnen bei der Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee bis zu 29,9 Millionen Tonnen über die Verbrennung von Biomasse zur Kraft-Wärme-Kopplung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) reicht.

Das höchste spezifische Entnahmepotenzial besitzt Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, kurz BECCS). Für BECCS wird Biomasse aus Pflanzen – die der Luft durch Photosynthese CO2 entziehen – zur Energieerzeugung genutzt. Bei der Umwandlung von Biomasse in Energie wird CO2 freigesetzt, welches aber nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern direkt eingefangen und anschließend gespeichert wird.

Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Biomasse

Besonders interessant im Hinblick auf die Menge des entzogenen CO2 ist das Konzept der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dabei werden ehemalige Kohlekraftwerke zur Verbrennung von Holzpellets für die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme genutzt. Jedes Kraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 500 MW könnte durch Anwendung von BECCS knapp 3 Megatonnen CO2 pro Jahr neutralisieren. Borchers gibt jedoch zu bedenken: „Die Verwendung von holzartiger Biomasse in Kraftwerken in größerem Maßstab wird die Gesamtnachfrage nach Biomasse voraussichtlich erheblich steigern. Wir werden Biomasse aus dem Ausland importieren müssen, was sich negativ auf die Waldökosysteme im Ausland auswirken und zusätzliche CO2-Emissionen verursachen könnte“.

CO2 aus der Luft filtern? Verbraucht zu viel Energie

Die Direktabscheidung von Kohlenstoff aus der Luft (Direct Air Carbon Capture, kurz DACC), bei der große DACC-Absorber-Anlagen installiert werden, ist der Studie zufolge ein weiteres CDR-Konzept mit hohem Entnahmepotenzial. Jede Anlage könnte bis zu einer Million Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden, sofern eine wirksame CO2-Speicherung erreicht werden kann. Thrän wendet jedoch ein: „In Anbetracht der Größenordnung einer solchen Anlage und des damit verbundenen Energiebedarfs ist zweifelhaft, ob diese Technologie in Deutschland überhaupt umsetzbar wäre. Der Energiebedarf einer solchen Anlage entspräche dem jährlichen Energiebedarf von 720.000 deutschen Haushalten“.

Wiedervernässung von Mooren

Andere BECC- und DACC-Optionen weisen geringere CO2-Abscheidungspotenziale auf. Bei den Optionen zur Erweiterung natürlicher Senken wie der Wiedervernässung von Mooren, der Aufforstung von Ackerflächen oder der verstärkten Gesteinsverwitterung schwankt das Potenzial zwischen 1,5 und 9,5 Tonnen CO2, die jährlich pro Hektar Land, auf dem sie angewendet würden, abgeschieden werden könnten.

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Von diesen natürlichen Verfahren bietet die Förderung der natürlichen Verwitterung von Gesteinen das höchste Entnahmepotenzial pro Fläche. Karbonat- und Silikatminerale könnten in pulverisierter Form auf Böden ausgebracht werden, etwa auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, um CO2 zu binden. Durch die Ausbringung von Basalt auf Ackerland könnten in Deutschland bis zu 5,82 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden. Thrän gibt jedoch zu bedenken, „dass diese CDR-Option von der Gewinnung bis zum Zerkleinern und Mahlen des Silikatgesteins mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden ist. Zudem sollten auch die Umweltauswirkungen weiter untersucht werden, da es noch an aussagekräftigen Ergebnissen mangelt.“

Wie viel CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden muss, ist unklar

„Die Schätzwerte für den notwendigen Kohlendioxidabbau in Deutschland reichen von 3 bis 18 Gigatonnen CO2 von heute bis zum Jahr 2100, je nachdem, was wir als unsere historische Verantwortung, Leistungsfähigkeit und Beitrag zur globalen Gerechtigkeit zugrunde legen“, erklärt Borchers. „Und natürlich ist die Menge an CO2, die wir entfernen müssen, stark von den Maßnahmen abhängig, die wir in den kommenden Jahren zur Reduzierung und Vermeidung von Emissionen ergreifen.“ (kw)

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