Ein Konsortium aus verschiedenen Forschungsinstituten hat ein Planungswerkzeug für solare und nachhaltige Quartiere entwickelt. Das Ziel des Tools ist es, die dezentrale, sektorübergreifende und vor allem erneuerbare Versorgung mit Strom, Wärme und Kraftstoffen in urbanen Ballungsräumen umzusetzen. Mit der neuen Software können Kommunen nun berechnen, wie die Energieversorgung für einzelne Quartiere am besten ausgestaltet werden kann. Denn sie ermöglicht den Vergleich verschiedener Szenarien zur Energieversorgung in Quartieren, in denen nicht nur Privathaushalte, sondern auch Gewerbe und Industrie angesiedelt sind.
Verbrauch und Erzeugung vernetzen
Bei der Entwicklung standen verschiedene Fragen im Mittelpunkt. Ist es günstiger, ein Quartier vollständig energetisch zu sanieren oder lohnt sich eher eine gezielte Investition in erneuerbare Energien? Wie können Verbrauch und Erzeugung durch Vernetzung und Kommunikation intelligent aufeinander abgestimmt werden? Und wie müssen Solaranlagen, Windparks, Biomasseanlagen, Blockheizkraftwerke und Speicher zusammenspielen, damit Quartiere das ganze Jahr über zu 100 Prozent erneuerbar betrieben werden können?
In fünf Quartieren getestet
Um diese Fragen zu beantworten, haben die Forscher verschiedene Planungs- und Steuerungswerkzeuge sowie Dienstleistungen entwickelt, die sie anhand von verschiedenen Beispielquartieren in fünf Städten in Südwestdeutschland getestet haben. Die Beispielquartiere in Stuttgart, Mannheim, Mainau, Rainau und Schwieberdingen wurden so gewählt, dass sie eine große Vielfalt an Bausubstanz, Flächenausdehnung und vorhandener Energieinfrastruktur abdecken. Auf diese Weise war es den Forschern möglich, die neu entwickelten Planungswerkzeuge unter ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu testen.
Verbrauch über finanzielle Anreize steuern
So haben die Forscher des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) unter anderem eine Quartiersteuerung entwickelt. Sie funktioniert ausschließlich über finanzielle Anreize sowie abgestimmte Fahrpläne und kommt komplett ohne zentrale Steuerungsbefehle aus. Die Hoheit über die Steuerung der einzelnen Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerken und Wärmepumpen bleibt dabei beim Anlagenbetreiber. „Dadurch wird ein individuelles, aber dennoch gemeinsam koordiniertes Erzeugungs- und Verbrauchsverhalten im Quartier sektorübergreifend erwirkt”, erklärt Jann Binder, Leiter des Fachgebiets Photovoltaik: Module Systeme Anwendungen am ZSW.
Verbrauchsspitzen minimieren
Damit können die Energiebeschaffungskosten sowie Verbrauchsspitzen für das Gesamtsystem netzdienlich und emissionsarm minimiert werden, beschreiben die Forscher den Vorteil ihres Ansatzes. Das entwickelte Verfahren über finanzielle Anreize ermöglicht eine koordinierte Energienutzung digital vernetzter Akteure, die über die reine Eigenoptimierung der einzelnen Anlagen hinausgeht.
Anlagenpark und Verbrauch flexibel gestalten
Über solche Ansätze und Dienstleistungen innerhalb des Quartiers können Planer und Betreiber von Anlagen, Netzen und Quartieren den Anlagenpark zur Energieerzeugung, Energiewandlung und Speicherung dem Bedarf modular und flexibel gestalten und im Betrieb laufend optimieren. Denn der Bedarf dafür wachse, wie die Forscher betonen. Schließlich steigen beispielsweise mit zunehmender Anzahl von Elektroautos und Elektroheizungen die Anforderungen vor allem an die Verteilnetze, die die Energie in den Quartieren verbreiten. „Sie müssen den vom Wetter abhängigen erneuerbaren Strom aufnehmen”, beschreiben die Forscher die Herausforderung, „Außerdem sollen auftretende Leistungsspitzen auf Verbraucherseite vermieden werden. Die Verschiebung des Verbrauchs und die Zwischenspeicherung von Energie helfen, die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch zu verbessern, was sich dann auch sofort in reduzierten Kosten widerspiegelt.” Das Forschungsprojekt „Urbane Energiesysteme und Ressourceneffizienz” (Ensource) ist Teil des Zentrums für angewandte Forschung an Hochschulen (ZAFH). An ihm waren neben dem ZSW auch die Hochschulen Aalen, Biberach, Heilbronn, Mannheim, Pforzheim, Reutlingen, Rottenburg und die Hochschule für Technik Stuttgart beteiligt. Auch die Universität Stuttgart und Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) haben ihre Expertise in die Entwicklung des Planungswerkzeugs eingebracht. Wie dieses konkret aussieht, erfahren Sie auf der Webseite des Forschungsprojekts. (su)
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