Die aktuelle Diskussion um die Abschaltung von Kohlekraftwerken zur CO2-Vermeidung erfolgt auf vielen Ebenen: auf politischer, wirtschaftlicher, ökologischer oder auch emotionaler Ebene. Wenig diskutiert wird auf technischer oder gar physikalischer Ebene. Dabei wäre das die bessere Ebene um zum Beispiel über eine Konversion von Kohlekraftwerken in umweltfreundliche Kraftwerke ohne oder zumindest stark reduziertem CO2-Ausstoß zu diskutieren. Eine Möglichkeit, allen beteiligten Seiten gerecht(er) zu werden.
Aber wie soll eine Konversion von Kohlekraftwerken vor sich gehen?
Dazu muss man tiefer in die Technik und Physik von Kohlekraftwerken einsteigen. Bekanntlich liegt der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken nur bei 30-40%. Das „Warum so wenig?“ wird kaum thematisiert.Verständlicher wird der schlechte Wirkungsgrad, wenn man sich mit dem Exergiefluss (nicht zu verwechseln mit Energie) auseinandersetzt. Den Begriff Exergie kann man stark vereinfacht als „tatsächlich genutzte Energie“ verstehen. Das Gegenstück ist die Anergie, die „nicht genutzte Energie“.
Aus dem Exergieflussbild erkennt man, dass nur 55% des ursprünglichen Energiegehaltes der Kohle in Dampf für die Turbine umgewandelt werden. 20% der Energie der Kohle gehen bei der Verbrennung verloren und 25% verschwinden mit den Rauchgasen. „Warum das so ist“ versteht man besser, schaut man sich den typischen Verlauf eines einfachen Dampferzeugungsprozess an.
Einfacher Dampfkraft-Prozess im T-S Diagramm
Die Wärmequelle für die drei Phasen sind die Rauchgase der Kohle. Die Rauchgase geben ihre Wärme an das Wasser ab, erwärmen dieses und kühlen sich dabei ab. Das funktioniert in Phase 1 sehr gut: - Heißer Rauch rein, kalter Rauch raus - Kaltes Wasser rein, warmes Wasser raus In Phase 2 und 3 hat man jedoch die Situation, das die Temperatur der Rauchgase deutlich höher sein muss als die Verdampfungstemperatur des Wassers (die typischerweise bei 550-650 °C liegt) bzw. die aktuelle Temperatur des Dampfes in Phase 3. D.h. heiße Rauchgase aus der Kohleverbrennung von weit über 1000°C kühlen sich bis auf 550-650 °C ab und verdampfen das Wasser bzw. überhitzen den Dampf.
Und was passiert danach mit den noch immer sehr heißen Rauchgasen ? Ein Teil wird für die Phase 1 verwendet, der „Rest“ für die Kohletrocknung, Verbrennungsluftvorwärmung, Rauchgasreinigung und andere Nebenprozesse, die keinen Beitrag mehr für die eigentliche Dampferzeugung (und damit Energieerzeugung) leisten. Dieser „Rest“ sind aber 25% und mehr des ursprünglichen Energieinhaltes der Kohle. D.h. will man den CO2-Ausstoß der Kohlekraftwerke senken (bzw. den Wirkungsgrad erhöhen) muss man an dieser Stelle ansetzen.
Worin besteht jetzt die Lösung?
Dazu muss man in die Geschichte der Wasserstoffwirtschaft zurück schauen. Ende der 80iger Jahre wurde in Deutschland ein sogenannter H2O2-Brenner entwickelt. Dieser Brenner war geplant als schneller Dampferzeuger für die Sofortreserve von Kohlekraftwerken. Der Brenner konnte in wenigen Sekunden gezündet werden und lieferte bis zu 3000°C heißen Wasserdampf. Zusätzlich musste flüssiges Wasser eingespritzt werden (das dann auch zu nutzbarem Dampf wird) um die hohe Temperatur von 3000°C auf die maximal zulässigen 550-650°C herunter zu kühlen. Diese Technik kam jedoch niemals zum praktischen Einsatz. Und später galt das pure Verbrennen von Wasserstoff als „out“, da man ja die Brennstoffzelle hatte.
Würde man heute an den Kohlekraftwerken die Dampferzeugung durch Kohleverbrennung einstellen, diesen Teil demontieren und durch eine Dampferzeugung mit leistungsstarken H2O2-Brenner ersetzen, die mit umweltfreundlich erzeugtem, grünen Wasserstoff betrieben werden, wird aus ehemaligen CO2-Schleudern ein CO2 neutrales Spitzenlast-Kraftwerk. Wenn zusätzlich die Erzeugung und Speicherung des notwendigen H2/O2 auf dem Gelände des Kraftwerkes (oder z.B. ehemaliger Kohlegruben) erfolgt, wird aus einem früheren Kohlekraftwerk ein CO2-freier Energiespeicher. Die Idee ist nicht neu und wird außerhalb Deutschlands intensiv erforscht wie die Quellen zeigen.
Und der Wirkungsgrad?
Beim H2O2-Brenner geht die chemische Energie des Wasserstoffes komplett, d.h. zu 100%, in nutzbaren Dampf über. Unglaublich, aber wahr. Davon gehen dann noch einmal ca. 12-15% in der Turbine und Generator verloren. D.h. die Kombination aus H2O2-Brenner und Dampfturbine hätte einen Gesamtwirkungsgrad von über 85%. Ein Wert, der einer Brennstoffzelle in nichts nachsteht.
Und die Müllverbrennung ?
Viele Kohle-Kraftwerke laufen mit sogenanntem „Co-Firering“ und verbrennen Müll und andere Abfälle. Wohin aber nach Abschaltung der Kohleverbrennung mit dem Müll? Auch hier ist der H2O2-Brenner nützlich. Die bisherige Kohleverbrennung verbleibt als reine Müllverbrennung mit Wasserstoffbrennern als Stützfeuerung. Die Technik zum Einbringen des Mülls und die Rauchgasreinigung sind bereits vorhanden. Die thermische Energie des Mülls wird genutzt zur Vorwärmung des flüssigen Wassers in Phase 1 und ggf. Erzeugung von Nassdampf, der dann durch den nachfolgenden H2O2-Brenner zu überhitztem Trockendampf wird. Damit wäre die Müllentsorgung gesichert und zumindest eine wesentliche CO2-Reduzierung erreicht.
Die Technik für ein CO2-freies Kraftwerk mit H2O2-Brenner
Alle technischen Kernkomponenten (Siemens Silyzer Elektrolyseure, Linde Verdichter und Wasserstofftanks, Alstom Steam Gen H2O2-Brenner) sind serienmäßig am Markt verfügbar bzw. für kleinere Leistung bereits entwickelt.
Fazit
Die volkswirtschaftlichen Vorteile dieser Lösung liegen klar auf der Hand:
- Große Teile der bereits existierenden Kraftwerkstechnik (Turbine, Kondensator, elektrische Infrastruktur wie Leitungen, Trafo‘s, Steuerungstechnik, ...) werden weiter genutzt.
- Arbeitsplätze bleiben erhalten, neue Arbeitsplätze werden geschaffen.
- Der CO2 Ausstoß sinkt.
- Der Anteil CO2-frei erzeugter Energie steigt.
- Es werden dringend benötigte leistungsfähige Energiespeicher geschaffen.
Auch die Fragen „besorgter Bürger“ woher denn der Strom kommen soll, wenn die Kohlekraftwerke abgeschaltet sind „... und Sonne und Wind keinen Strom liefern...“ kann man leicht beantworten: Die Kraftwerke sind noch da und liefern Strom wenn er benötigt wird.
Anstatt also an die Stromerzeuger Milliarden Euro Steuergelder für „entgangene Gewinne“ bis 2038 zu zahlen und anschließend noch funktionsfähige Kraftwerke zu demontieren, wäre dieses Geld sinnvoller in eine Konversion bisheriger Kohlekraftwerke zu sauberen Energiespeicher-Kraftwerken investiert. Es nützt allen! Neuere Kraftwerke wie Datteln 4 könnten nach einem Umbau zu Speicherkraftwerken Eckpfeiler einer wirklichen Energiewende werden und ihren Eigentümern noch bis weit über das Jahr 2038 hinaus Gewinne aus wirtschaftlicher Tätigkeit bringen. Es fehlt lediglich der politische Wille Veränderungen zu bewirken. Aber das ist bekanntlich nichts Neues in einem Land dessen letzte große Innovation eine Betrugssoftware für Pkw war.
Autor dieses Textes ist Kristian Roßberg aus Bremen, seit 1998 Abonnent von ERNEUERBARE ENERGIEN