Wie die Windkraftanlagen selbst hat sich auch deren Inspektion zur Hightech-Disziplin gemausert. Zu Beginn der 2000er noch undenkbar, ist der Einsatz von Drohnen für die Inspektion zur Normalität geworden. Nach dem Motto „Zeit ist Geld“ setzen Servicedienstleister auf diese Möglichkeit einer zügigen Kontrolle von Rotorblättern, um die Stillstandszeiten so gering wie möglich zu halten. „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie die Arbeit ohne Drohnen wäre“, sagt Helge Brau, Projektmanager Drohneninspektion bei der Inspektionsstelle der Deutschen Windtechnik. „Seilzugangstechnik hat aber auf jeden Fall weiterhin ihre Berechtigung“, fügt er an.
Die Inspektionsstelle Deutsche Windtechnik hat ein mehrstufiges Drohnensystem für die Inspektion von Rotorblättern und Blitzschutzsystemen entwickelt und nun die Validierung und Verifizierung erfolgreich durchlaufen. Der TÜV Nord hat dafür die entsprechende Konformitätsbewertung durchgeführt. Der technische Zustand der Rotorblätter und die Funktionalität des Blitzschutzsystems der Rotorblätter können demnach mit der Drohne erfasst, Risiken für die Verkehrs- und Standsicherheit können beurteilt werden. Damit ist das Drohnensystem für die Wiederkehrende Prüfung und die Zustandsorientierte Prüfung geeignet. „Wir haben uns an den Inspektionsprozessen orientiert, die zum Beispiel in der Luftfahrt oder im Stahlbau Anwendung finden“, so Helge Brau, dort seien die Verfahren bereits seit Langem Standard. „Unser Drohnensystem ist in der Lage, 100 Prozent eines Rotorblattes zu dokumentieren und Auffälligkeiten zu kategorisieren.“ Sei dies nicht möglich, werde ein zweiter Flug angesetzt, zum Beispiel mit einer Drohne, die sehr nah an die Blätter heranfliegen kann. Sollte dann immer noch nicht klar sein, ob es einen Schaden am Flügel gibt, nimmt ein Seilzugangstechniker eine haptische Prüfung vor oder es wird eine Drohne mit spezieller Nutzlast, wie einer Wärmebildkamera, eingesetzt. Mit anderen Worten, das System von Deutsche Windtechnik ist zwar dreistufig ausgelegt, aber in den überwiegenden Fällen ist nur die erste Inspektionsstufe per Drohne erforderlich. Diese könne künftig übrigens auch Turmkonstruktionen überprüfen, verrät Brau, zum Beispiel Schweißnähte oder Adapter am Hybridturm.
Und wohin geht die Reise bei der Inspektion? Was folgt auf die Drohnen? Eine Reihe weiterer Technologien ist bereits am Start. So werden unter Wasser für die Sichtwartung des Fundamentes und des Turmfußes von Offshore-Anlagen Kletterroboter eingesetzt, die ebenfalls per Kamera den Zustand des Materials dokumentieren.
Auch das Thema Schwarminspektion ist in den Startlöchern. Laut Helge Brau inspiziert dabei eine Gruppe von mehreren Drohnen gleichzeitig die Rotorblätter einer Windkraftanlage. So ließe sich die Stillstandszeit für Prüfungen minimieren und die Stromernte optimieren.“
Inspektion bei laufendem Betrieb
Die Berliner Firma Romotioncam geht hier einen Sonderweg, der noch weniger Stillstand bei der Inspektion verspricht – nämlich überhaupt keinen. CEO Holger Nawrocki erklärt, die Inspektion von Rotorblättern während des laufenden Betriebs mit der Romotioncam revolutioniere die Effizienz in der Windenergiebranche. „Durch den Einsatz dieser Technologie entfallen die Stillstandszeiten für Inspektionen vollständig, was nicht nur die Betriebswirtschaftlichkeit verbessert, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Transformationsprozess in der Energiewirtschaft leistet.“ Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden spare jede Inspektion mit der Romotioncam Energie ein, was sich positiv auf die Gesamtbilanz auswirke.
Ein weiterer Vorteil ist, dass keine aufwendige Planung und Terminfestlegung für Inspektionen erforderlich sei, da keine Stillstandszeiten koordiniert werden müssten. Das Romotioncam-Team arbeitet autonom und sicher in einem angemessenen Abstand zur Windkraftanlage, was sowohl die Effizienz als auch die Sicherheit erhöht. „Die Technologie markiert einen bedeutenden Schritt vorwärts in der Windenergiebranche und zeigt das Potenzial, wie durch intelligente Lösungen die Effizienz gesteigert und gleichzeitig die Umweltauswirkungen minimiert werden können“, so Nawrocki.
Inspektionsdauer um 25 Prozent gesenkt
Die Firma Enertrag Betrieb kann auf inzwischen knapp 500 erfolgreiche Drohneninspektionen zurückblicken. Matthes Schachtner, Leiter technische Dienste bei der Enertrag Betrieb GmbH, erklärt, wie durch Drohneneinsatz in seinem Unternehmen für mehr Wirtschaftlichkeit bei den Betreibern gesorgt wird: „Seit zwei Jahren nutzen wir die Technologie kontinuierlich und weitreichend in unserer Arbeit, mittlerweile haben wir dauerhaft drei Drohnenteams in Deutschland und ein Team in Frankreich jede Woche im Einsatz.“ Die Erfahrung aus der Anfangszeit habe Enertrag Betrieb systematisch in die Verbesserung des Produktes einfließen lassen. „Genaue Arbeitsanweisungen nach Anlagentyp, spezifische Werkzeugbestände und systematische Mitarbeiterausbildung sind das Resultat“, verrät er. „Durch einen angepassten Flugalgorithmus konnten wir die Flugdauer der Drohne um zwei Drittel senken. Das Prüfequipment ist komplett überarbeitet worden und deutlich leichter zu bedienen und zu transportieren, so konnten wir die Inspektionsdauer um 25 Prozent senken – ein Effekt, den wir dieses Jahr auch preislich an unsere Kunden weitergeben.“
Matthes Schachtner erklärt, warum die Drohneninspektion nicht mehr aus der Windkraft wegzudenken ist: „Die Rotorblätter wachsen mit jeder Anlagengeneration in immer größere Dimensionen. Aus Sicherheitsgründen sind Blattgrößen über 55 Meter kaum noch per Seilklettereinsatz zu inspizieren.“ Aber auch für kleinere Anlagen sei die Drohneninspektion eine echte Arbeitserleichterung für die Techniker. „Außerdem ist die Drohneninspektion auch ein Kind der Digitalisierung und verfügt so über die neuesten Möglichkeiten zur Datenauswertung: 100 Prozent Fotodokumentation eines Rotorblattes, Damageprogression-Vergleiche nach Anlage, systematische Fehlerauswertung und Analysen über die gesamte Anlagenflotte für den Betreiber.“ Zudem liefere die Blitzschutzmessung realitätsnähere und damit robustere Ergebnisse, dank Feldstärken- statt Widerstandsmessung bei der Überprüfung der Blitzschutzfunktion der Rotorblätter.
Wir haben uns an den Inspektionsprozessen orientiert, die zum Beispiel in der Luftfahrt Anwendung finden.
Aus Sicherheitsgründen sind Blattgrößen über 55 Meter kaum noch per Seilklettereinsatz zu inspizieren.