Der Oldenburger Energieversorger EWE AG hat sich einen Namen gemacht als grünes Unternehmen. Vertriebsleiter Michael Heidkamp über Strategie.
EWE will 2035 klimaneutral werden. Wie wollen Sie das schaffen?
Michael Heidkamp: Was wir gerade spüren – und darum ist das etwas, das wir nicht quasi isoliert entschieden haben – ist, dass diverse Anfragen vom Markt an uns gestellt werden. Die Kunden erwarten von uns, dass sie entsprechende Produkte kaufen können. Das zieht sich durch alle Kundensegmente, Geschäfts- und Privatkunden. So etwas befeuert natürlich eine derartige Diskussion.
Wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen?
Michael Heidkamp: Wir betreiben eigene Windparks und planen mit Alterric, unserem Joint Venture mit der Aloys Wobben Stiftung (Gesellschafter der Enercon), diesen Bereich deutlich auszubauen. Es gibt eine große Pipeline an Windparks, die in Planung sind oder in verschiedenen Realisierungsstadien. Mit diesem Ausbau hoffen wir, fast die gesamte Nachfrage decken zu können.
Was halten Sie vom neuen Ziel der Regierung, 2045 klimaneutral zu werden?
Michael Heidkamp: Die Zielsetzung finde ich richtig. Im nächsten Schritt müssen nun die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit das auch erreichbar wird. Wir brauchen im Onshore-Bereich auch die Möglichkeiten, die Windkraft auszubauen, angefangen vom Genehmigungsverfahren.
EWE ist als Versorger schon lange erfolgreich im Geschäft mit erneuerbaren Energien aktiv. In den vergangenen Jahren hat mancher Betreiber hier Federn gelassen. EWE hat derweil immer viel Neues versucht. Worauf basiert Ihre Erfolgsgeschichte?
Michael Heidkamp: Diese Geschichte hat mehrere Facetten. Das Planen, Bauen und Betreiben von Windparks ist dabei nur der erste Teil. Das Geschäft mit der Windkraft ist nicht frei von Risiken. Und da hat tatsächlich mancher Federn gelassen. Darum haben wir gesagt: Wir brauchen größere strategische Partnerschaften. Wir müssen eine Risikoverteilung haben und eine Größe, die es uns erlaubt, Risiken auszugleichen. Das ist der Kerngedanke von Alterric. Wir beschäftigen uns zudem mit möglichen Folgegeschäften: Grüner Wasserstoff, Elektromobilität, rein grünes Laden, eben eine gute Sektorenkopplung mit dem Verkehr, die Anrechnung von Treibhausgas-Quoten und mehr.
Ein langer Atem ist der Kern des Erfolgs. Aber auch: Dinge abzubrechen, wenn Sie merken, das funktioniert nicht. Damit tun sich viele schwer. Man diskutiert oft zu lange über die Frage: Wer hat denn jetzt Schuld? Stattdessen muss man Dinge beenden, die nicht funktionieren. Jetzt probieren wir gerade, E-Mobilität bundesweit gemeinsam mit McDonalds aufzubauen, weil es darauf ankommt, 1A-Standorte für das Anbieten grüner Energie zu haben. Wir haben auch sofort mit dem Kunden darüber gesprochen, PV auf die Dächer zu bringen, damit jeder sieht, woher die Energie in den Ladesäulen kommt. Ein weiteres Produkt ist zum Beispiel unsere Energy-Cloud. Ein virtuelles Konto in einer Cloud zeigt dem Kunden, woher Energie geliefert wird. So wird aus einer grünen Quelle eine Marktnachfrage generiert. Wenn diese Geschäftsideen mit McDonalds und der Cloud nicht funktionieren, müssen wir prüfen, ob es andere Produkte oder Geschäftsmodelle für den Markt geben kann, mit denen wir Klimaneutralität erreichen können.
Unter den Stadtwerken und Energieversorgern gibt es viele, die nicht genau wissen, wie sie den Weg in Richtung Erneuerbare gehen soll. Was würden Sie denen empfehlen?
Michael Heidkamp: Wir haben ja auch noch Kohle im Portfolio, und wir haben uns entschieden auszusteigen. Das Wichtigste ist eine langfristige Strategie. Dafür muss man sich auch überlegen, wie man in zehn Jahren am Markt wahrgenommen werden will und welche Verantwortung man in der Gesellschaft hat. In diesem Spannungsfeld muss jeder für sich entscheiden, welches Ziel er als Versorger verfolgt und wie es sich erreichen lässt.
Es kann nicht sein, dass ein Konzern wie Amazon sagt, er will klimaneutral werden - und der Versorger, der das ermöglichen muss, spielt nicht mit. Das wäre für mich ein Wiederspruch in sich. Am Ende wird sich der Wandel in Richtung Klimaneutralität bezahlt machen, auch wenn das eine Nuance teurer ist.
Sie haben sich mit Enercon zusammengetan. MVV hat sich Juwi und Windwärts an Bord geholt. Versorger sichern sich Know-how und Portfolios durch Zusammenschluss mit Windkraft-Profis. Ist das ein Modell, das Schule machen kann?
Michael Heidkamp: Ich glaube, das kann ein marktgängiges Geschäftsmodell sein – vorausgesetzt wir sind bereit für eine Partnerschaft. Manch ein Unternehmen denkt vielleicht, es könne das alles selbst leisten. Wir sagen: Wenn Know-how am Markt vorhanden ist, müssen wir es nicht nochmal aufbauen. Warum kooperieren wir nicht? Es kommt darauf an, Partnerschaften zu finden, die gleichberechtigt an der Lösung eines Problems arbeiten. Das bedeutet viel Veränderung in den Unternehmen. Wir müssen das Denken in Abteilungen aufgeben und cross-funktional arbeiten. Am Ende werden sich die durchsetzen, die am schnellsten eine wirtschaftliche Lösung für ein Problem finden, das am Markt formuliert wird. Wir haben uns entschieden, dass wir das nicht allein können. Im investiven Bereich machen wir das deshalb mit Alterric.