Als Betreiber und Betriebsführer von knapp 700 Windenergie-, Photovoltaik- und Biogasanlagen in Deutschland sind wir es fast schon gewöhnt, dass mit jeder Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) neue Herausforderungen im Betrieb von Neuanlagen umgesetzt werden müssen. In den letzten Jahren haben diese Anforderungen aber auch zunehmend Bestands- und Altanlagen betroffen. Neue Impulse kamen auch aus zahlreichen anderen Verordnungen und Gesetzen.
Es ist unstrittig, dass diese Herausforderungen zur weiteren erfolgreichen Integration der Erneuerbaren in den deutschen Strommarkt wichtig sind. Gleichwohl nehmen Belastungen für Bestandsanlagenbetreiber gefühlt überproportional zu. Sie lassen die Betriebsführung nun zum beständigen, hochflexiblen Anpassungs- und Neuanpassungsdienst für sich verändernde Rahmenbedingungen werden.
Themen der vergangenen Jahre wie zum Beispiel die geforderten Systemdienstleistungen für mehr Netzstabilität und die Teilnahme an der Direktvermarktung waren für Neuanlagen mit ausreichend Vorlaufplanung verpflichtend, für Bestandsanlagen wurde die Teilnahme mit Boni-Zahlungen angeregt. Aktuell anstehende Umsetzungsthemen wie bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung und Redispatch 2.0 verursachen für die Betreiber hingegen finanzielle Aufwendungen für Nachrüstungen und zusätzliche Dienstleistungen, ohne dass es zu ausgleichenden Mehreinnahmen führen wird.
Herkulesjobs Redispatch 2.0 und Co.
Gerade der in Rekordzeit umzusetzende Prozess zum Redispatch 2.0 brachte Betreiber, Betriebsführer, Direktvermarkter und auch Netzbetreiber an die Grenzen des Machbaren. Die Erneuerbaren werden nun konventionellen Kraftwerken in Planbarkeit der Einspeisungen und Nichtverfügbarkeiten gleichgestellt. Durchaus ein sehr wichtiger Meilenstein, obwohl die planbare Vorhersage des Angebotes von Wind und Sonne immer schwierig sein wird. Die dafür notwendigen Prozesse sollten binnen weniger Monate zum 01.10. umgesetzt und angewandt werden. Eine Herkulesaufgabe! Zumal es dazu wieder mal eine Reihe neuer Daten-IDs gibt, als wären die bisherigen Identifikationen wie EEG-Anlagenschlüssel, Zählpunktbezeichnung, Marktlocation oder die eindeutige ID im Marktstammdatenregister nicht schon ausreichend.
Hier kommen auf die Betriebsführung gegebenenfalls deutlich umfangreichere Meldeprozesse hinzu, um den Netzbetreiber und den Direktvermarkter unmittelbar über geplante als auch ungeplante Nichtverfügbarkeiten zu informieren. Dies erfordert einen hohen Grad an Automatisierung. Meldungen per Mail oder Telefon werden nicht mehr ausreichen. Auch Betreiber von Bestandsanlagen, die noch nicht an der freiwilligen Direktvermarktung teilnahmen, müssen die neuen Marktprozesse bedienen können. In der Regel muss hier dann auch wieder in entsprechende Technik und Dienstleistung nachinvestiert werden.
Aus der eher kaufmännischen Sicht wiederum müssen wir uns außerdem mit EEG-Umlage für Eigenverbrauch der Windturbinen und für Querlieferungen zwischen Nachbaranlagen verschiedener Eigentümer im Windpark einschließlich einer Stromsteuerpflicht auseinandersetzen und/oder mit Stromsteuerzahlungen für Eigenverbrauch von Hilfsaggregaten. Ein wilder Wuchs der Messweisen der Hauptzollämter macht sich hier komplizierend bemerkbar. Auch kann dies zu kostenintensiven Nachrüstungen mit zusätzlichen Messgeräten und damit einhergehenden Dienstleistungen führen.
Der vergangene Jahreswechsel hatte für sogenannte Post-EEG-Anlagen – also Anlagen, die 20 Jahre lang vom Netzbetreiber eine vom EEG auf einem festen Niveau zugesicherte Vergütung erzielt hatten und diese nun verlieren – eine wirtschaftlich düstere Aussicht gebracht. Der Preisverfall von Strom im letzten Jahr ließ keine ausreichenden Einkünfte erwarten. Dagegen sind die derzeitigen Hochwerte an der Strombörse ein gutes Zeichen. Viele von uns betreute Windenergieanlagen haben auch nach über 20 Jahren noch das technische Potential, grünen Strom zu produzieren, ohne Förderungen zu benötigen. Auch diese Anlagen müssen aber Herausforderungen wie Redispatch 2.0 meistern. Hier also zählt jeder Zehntel-Cent bei der Vergütung.
Unabhängig davon fehlen für viele ältere Projekte verlässliche Aussagen über Repowering-
Szenarien. Das neue EEG als auch das Reparaturgesetz lassen entsprechende verbindliche Strategien und Planungshorizonte immer noch vermissen. In ersten Bundesländern gibt es aber gute Ansätze, die nun in die Umsetzung müssen. Da die Wirtschaftlichkeit älterer Projekte aufgrund der genannten ständig neuen Herausforderungen mehr belastet wird, ist gegebenenfalls ein früheres Repowering sinnvoll, daher braucht es schnelle Abhilfe bezüglich der Planungsgrundlagen.
Die Altanlagen generieren zur Refinanzierung dieser Herausforderungen aber keine Mehreinnahmen, vielmehr drohen Pönalen und Zahlungsstopps bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen. Auch für den nun hoffentlich größeren Zuwachs an Neuanlagen bringen die neuen Festlegungen im EEG 2021, zum Beispiel zur Vierstundenregelung für negative Stromhandels-Preisphasen der Börse, neue Betrachtungsszenarien zu Finanzierbarkeit und Häufigkeit der Anwendungsfälle. Bei längeren negativen Strompreisphasen erhalten die Erzeuger nun ja keine EEG-Vergütung, bis der Preis wieder ins Positive dreht. Betriebsführer müssen hier zusätzlich beachten, wann welche Windenergieanlage in Betrieb gegangen ist, welche Regel gilt, ob sie zur Anwendung kommt, ob nach EEG 2017 oder nach EEG 2021.
Abseits der Gesetzgebung erleben wir weiterhin einen neuen Trend. Als Betreiber und Betriebsführer komplexer Umspannwerksnetze begegnen wir immer heterogeneren Einspeisekonstellationen: Wo Windenergie-, Photovoltaik- und weitere Erneuerbaren-Anlagen an einem gemeinsamen Netzanschluss betrieben werden. Bei homogenen Netzen konnten wir Wartungen und Nachrüstungen meist in windschwachen oder halt einstrahlungsarmen Zeiten einplanen. Das ist bei gemischter Technologie komplex. Das Wetter spielt eh schon verrückt. Eine ausgewogene und den Energieträgern halbwegs gerechte Planung wird also auch an Bedeutung gewinnen.